Schaeffler-Chef zur Übernahme:"Wir werden nicht scheitern"

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Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger über den Einstieg bei Conti, die große Autokrise - und warum Selbstzweifel schlecht für das Geschäft sind.

U. Ritzer

Monatelang hat Jürgen Geißinger, 49, in der Öffentlichkeit Fragen abgeblockt und kritische Anmerkungen zur Conti-Übernahme unkommentiert gelassen. Nun äußert sich der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Schaeffler KG erstmals ausführlich in einem Interview. Der promovierte Maschinenbauingenieur steht seit 1998 an der Spitze des Familienunternehmens.

Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger: "Wer an sich zweifelt, kann nicht mehr erfolgreich sein." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Geißinger, alle reden von der Autokrise. Wie schlimm sieht es aus?

Jürgen Geißinger: Zumindest haben wir eine schwierige Situation. In den vergangenen beiden Monaten sind die Abrufe der Hersteller bei den Zulieferern abrupt eingebrochen. Bei uns um 20 Prozent. Das wird sich sicher bis ins nächste Jahr ziehen. Niemand weiß genau, wie lange das dauern wird.

SZ: Inwieweit ist Schaeffler betroffen?

Geißinger: Genauso wie alle anderen Zulieferer. Als Folge mussten wir die Zahl der Zeitarbeiter abbauen und Schichten reduzieren.

SZ: Reicht das?

Geißinger: Das wissen wir noch nicht.

SZ: Werden auch die Zulieferer der Zulieferer in Schwierigkeiten geraten?

Geißinger: Auf jeden Fall wird es solche Dominoeffekte geben. Wir haben bereits den Wareneingang drastisch reduziert - und das hat natürlich Auswirkungen auf unsere Zulieferer. Es geht darum, die Lieferkette möglichst straff zu halten und nur herzustellen, was tatsächlich gerade benötigt wird. Auf Halde zu produzieren, bindet Kapital. Das kann sich niemand leisten.

SZ: Richten Sie sich darauf ein, Ihren Zulieferern helfen zu müssen?

Geißinger: Da muss man sich den Einzelfall anschauen. Generell gilt, dass jeder selber sehen muss, das er zurechtkommt. Uns hilft auch niemand.

SZ: Momentan werden staatliche Schutzschirme aufgespannt oder auch nur gefordert. Was halten Sie davon?

Geißinger: Es kann nicht für jede Industrie ein Schirm gespannt werden. Es wäre schon viel damit geholfen, wenn der für die Banken greift. Denn wenn diese stabilisiert werden, können sie die Kreditlinien offenhalten. Nur wenn das nötige Kapital da ist, können Entwicklungsprojekte fortgeführt werden. Es ist klar, dass unsere Branche im Rating der Banken durch die Krise momentan stark nach unten gezogen wird. Das macht es viel schwieriger, Kredite zu bekommen. Aber man sollte nicht so tun, als gäbe es nach 2009 keine Autoindustrie mehr. Mobilität wird sogar immer wichtiger. Auch künftig werden Autos gekauft. Es gibt ein Leben nach der Krise.

SZ: Wird die Krise am vielbeklagten Preisdruck der Hersteller etwas ändern?

Geißinger: Der Preisdruck wird sicher nicht nachlassen. Viel schlimmer war in den letzten zwei, drei Jahren die massive Verteuerung von Rohstoffen und Energie. Diese konnte von den Zulieferern nicht ausreichend an die Hersteller durchgereicht werden. Das hat für großen Druck gesorgt.

Lesen Sie weiter, warum sich der Automobilstandort Deutschland auf die Zusammenarbeit zwischen Conti und Schaeffler freuen kann.

SZ: Wie wirken sich die Probleme der großen amerikanischen Autobauer aus?

Blick in die Synchronring-Fertigung bei Schaeffler: Nach zähem Kampf gelangt dem Mittelständler bei dreimal größeren Dax-Konzern. (Foto: Foto: oH)

Geißinger: Was in USA geschieht, hat mit der aktuellen Krise wenig zu tun, sondern hat sich seit drei, vier Jahren angebahnt. Es hat vor allem mit der verfehlten Modellpolitik der Amerikaner zu tun. Sie haben bereits Zug um Zug Marktanteile verloren, und damit sind natürlich die Volumina bei ihren Zulieferern zurückgegangen. Aber das Land ist weiterhin ein großer Markt, auf dem viele Autos verkauft werden. Wenn sich dort verstärkt deutsche oder japanische Hersteller etablieren, dann eröffnet das auch deren Zulieferern neue Möglichkeiten.

SZ: Was muss passieren, damit Deutschland Autostandort Nummer eins bleibt?

Geißinger: Mir ist da überhaupt nicht bange, denn technologisch sind wir hervorragend gerüstet. Wir haben Fahrzeuge mit hocheffizienten Motoren, niedrigem Verbrauch und neuen Getriebetechnologien. Nur darf man nicht so tun, als gäbe es morgen nur noch Elektroautos und Hybridfahrzeuge. Man darf da den Verbraucher nicht mit falschen Prognosen verunsichern. Wir werden die nächsten zehn bis 15 Jahre noch Verbrennungsmotoren haben.

SZ: Wie verändert sich der Markt für Zulieferer?

Geißinger: Am Ende ist immer entscheidend, ob einer die richtige Technologie hat. Größe allein sagt nichts aus, aber in Kombination mit moderner Technologie bedeutet sie Stabilität. Es wird weiter eine Konsolidierung geben, und Schaeffler will dabei eine aktive Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Übernahme der Continental AG zu verstehen. Wir erweitern uns, um technologisch viel breiter aufgestellt zu sein.

SZ: Was aber an den Vorbehalten bei Conti gegenüber Schaeffler nichts ändert.

Geißinger: Ich bin überzeugt, dass sich diese Vorbehalte auflösen werden, sobald die eigentliche Zusammenarbeit beginnt. Conti und Schaeffler als Kombination bietet eine einmalige Chance für beide und für den Automobilstandort Deutschland. Wir sind führend in Präzisionsmechanik, die es auch künftig in jedem Auto geben wird. Conti ist sehr stark in puncto Fahrzeugelektronik. Gemeinsam können wir in der gesamten Breite Antriebstechnik entwickeln und anbieten. Auch Bereiche wie Steuerungstechnik, Hybridtechnologie oder elektrisches Fahren können wir in der ganzen Breite darstellen. Wir werden eines der weltgrößten Zulieferunternehmen und ein ganz starker Partner für die Automobilfirmen.

SZ: Kaum war die Übernahme unter Dach und Fach, schlug die Finanzkrise zu. Haben Sie den Deal schon bedauert?

Geißinger: Wenn wir so denken würden, hätten wir das nie machen dürfen. Ich denke, wir haben alles richtig gemacht und würden alles wieder so machen. Die Finanzkrise und die Rezession konnte in diesem Ausmaß niemand vorhersehen. Wir haben absolut den richtigen Zeitpunkt erwischt. Später hätte es nicht mehr geklappt, weil wir in der Finanzkrise von den Banken keine Finanzierung mehr in der notwendigen Größenordnung für die Übernahme bekommen hätten. So aber steht unsere Kreditfinanzierung felsenfest.

SZ: Trotzdem sieht alles nach einem Draufzahlgeschäft aus. Sie kaufen Conti-Aktien zu 75 Euro pro Stück, Contis aktueller Börsenwert liegt nicht einmal bei der Hälfte.

Geißinger: Der Kurs wird sich wieder deutlich nach oben bewegen, denn er spiegelt momentan genauso wenig den wahren Wert von Conti wider, wie das bei anderen börsennotierten Unternehmen der Fall ist. Das technologische Zusammenspiel mit Schaeffler wird den Kurs beflügeln. Für uns ist das ein langfristiges Investment. Daran hat sich nichts geändert.

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SZ: Wann hat Schaeffler erstmals den Plan gefasst, Continental zu übernehmen?

Geißinger: Der Vorlauf betrug etwa drei, vier Jahre. Damals haben wir uns überlegt, welche Technologien zu uns passen würden und wie sich Schaeffler weiterentwickeln soll. Erste Gespräche über einen Einstieg gab es, übrigens auf Initiative von Conti, vor zwei Jahren. In diesem Sommer haben wir dann den Entschluss gefasst. Insofern konnte ich die Aufregung des damaligen Conti-Chefs Wennemer darüber nicht verstehen. Er hätte davon wissen müssen, weil wir früher bereits darüber geredet haben.

SZ: Schaeffler wollte Conti alleine übernehmen. Nun brauchen Sie dringend einen Partner. Ist Ihnen das Milliardenloch zu groß geworden?

Geißinger: Ich kann Sie beruhigen: Wir sind dieser Übernahme in jeder Hinsicht gewachsen und werden nicht daran scheitern. Es wird eine Lösung geben. Das ist nur eine Frage der Zeit. Conti ist nach wie vor ein starkes Unternehmen und damit ein starkes Investment. Die zuständigen Banken führen bereits entsprechende Gespräche mit Interessenten. Ich bin da sehr zuversichtlich.

SZ: Um es im Polizeijargon auszudrücken: Gibt es eine heiße Spur?

Geißinger: Sagen wir so: Es gibt Spuren. Ein "Geht nicht" gibt es da nicht. Es wird eine Lösung geben.

SZ: Drohen Schaeffler nicht Milliardenabschreibungen und die Aufzehrung des Eigenkapitals?

Geißinger: Wir halten die Conti-Aktien nicht als Finanzanlage im Handelsbestand, weil wir mit ihnen nicht spekulieren. Conti ist für uns ein strategisches Investment. Deshalb besteht für uns auch keine Verpflichtung, die Aktien zu aktuellen Marktpreisen zu bilanzieren.

SZ: Conti ist ein transparenter Dax-Konzern, Schaeffler ein verschlossenes Familienunternehmen. Muss es da nicht zwangsläufig zum Kulturkampf kommen?

Geißinger: Keineswegs. Wir sind ja gemeinsam im Markt unterwegs, und wir kennen uns. Entscheidend wird sein, dass wir gute Produkte entwickeln. Dann sind alle zufrieden. Management, Mitarbeiter und Kunden. Conti und wir müssen sicher gegenseitig voneinander lernen. Schaeffler steht für klare Entscheidungen und langfristiges Denken, das sich nicht an Quartalsberichten orientiert. Umgekehrt müssen wir uns natürlich mehr als bisher öffnen.

SZ: Wann werden erste Ergebnisse der Zusammenarbeit Schaeffler-Conti sichtbar?

Geißinger: Die Freigabezyklen in der Autoindustrie für neue Produkte liegen in der Regel zwischen drei und fünf Jahren, und in diesem Zeitraum werden wir uns bewegen. Dann werden auch Prozesse und Abläufe reibungslos miteinander verzahnt sein. Manches wird auch schneller gehen.

SZ: Wird Schaeffler die Übernahme schaffen, weil es sein muss? Weil Jürgen Geißinger um keinen Preis der Welt verlieren mag?

Geißinger: Nicht ein Einzelner sorgt für den Erfolg einer Firma, dazu braucht es eine ganze Mannschaft und vor allem harte Arbeit.

SZ: Aber Sie gelten als Antreiber, der sich um Widerstände nicht schert.

Geißinger: Jedes Unternehmen braucht einen Antreiber. Man kann nicht immer zimperlich und zurückhaltend sein.

SZ: Plagen Sie wirklich nie Selbstzweifel, dass Sie am Ende doch noch scheitern?

Geißinger: Wer an sich zweifelt, kann nicht mehr erfolgreich sein.

© SZ vom 29./30.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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