Scania soll MAN übernehmen:Piëch spart bei Nutzfahrzeugen

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Der Volkswagen-Konzern will offenbar sein Lastwagengeschäft auf spektakuläre Weise neu ordnen: Scania soll MAN übernehmen - weil Patriarch Piëch das Geld zusammenhalten möchte.

Michael Kuntz

Der Münchner Konzern MAN soll von seinem schwedischen Konkurrenten Scania übernommen werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung favorisiert Volkswagen ein entsprechendes Denkmodell. Es bietet Vorteile vor allem für VW als Großaktionär bei beiden Nutzfahrzeug-Herstellern.

Ferdinand Piëch will billiger produzieren. Bei Nutzfahrzeugen sieht er ein Einsparpotential von einer Milliarde Euro. (Foto: dpa)

Die beiden Unternehmen sollen nach den Wünschen des VW-Konzerns, der an Scania die Stimmenmehrheit hält und an MAN mit knapp 30 Prozent beteiligt ist, verstärkt zusammenarbeiten und gemeinsam Kostenvorteile erzielen. Zudem ist der Münchner Konzern, der vor sechs Jahren die Übernahme von Scania versucht hat, bei Scania mit 17 Prozent dabei. Doch die Verhandlungen von Arbeitsgruppen über gemeinsame Sparmöglichkeiten verlaufen schleppend, die Ingenieure von MAN und Scania, die sich auf dem Markt als Konkurrenten verstehen, fanden immer wieder Gründe, weshalb eine Zusammenarbeit schwierig ist.

Die von Wolfsburg erwartete Zusammenarbeit stieß auch an kartellrechtliche Grenzen, weil die beiden Lkw-Produzenten bei einer Reihe von Bauteilen die kritische Grenze von 15 Prozent Marktanteil erreichen würden. Daher sucht VW nun offenbar einen gesellschaftsrechtlichen Ausweg aus dieser Sackgasse. Es geht um viel Geld. Immerhin hat Ferdinand Piëch, der Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen und MAN, mehrfach das mögliche Einsparvolumen von MAN und Scania auf eine Milliarde Euro veranschlagt.

Der Ausweg wird bei VW in einer Übernahme von MAN durch Scania gesehen, bestätigten Kreise einen Bericht des Spiegel. Erst als ein Tochterunternehmen des schwedischen Wettbewerbers könnte MAN voll von der Einkaufsmacht der VW-Marke Scania profitieren. Eine solche Lösung hätte für Volkswagen zudem den Vorteil, dass sich der von Piëch angestrebte Nutzfahrzeug-Bereich im VW-Konzern für den Großaktionär preiswert bauen ließe.

VW würde seine Win-win-Strategie bei dem Münchner Konzern fortsetzen, also sowohl für den Großaktionär wie auch für MAN vorteilhafte Situationen schaffen. Nach dieser Devise hatte VW bereits sein südamerikanisches Lkw-Geschäft an MAN verkauft und mit dem Erlös bei sich selbst einen Verlust während der weltweiten Absatzkrise vermieden, andererseits aber MAN zu einer von Anfang an sprudelnden und zunehmend kräftigeren Gewinnquelle verholfen.

In der nächsten Runde sortiert Volkswagen seine Beteiligungen bei den Nutzfahrzeug-Konzernen neu. Nach SZ-Informationen soll MAN dazu sein Aktienpaket am Konkurrenten Scania seinem Großaktionär VW verkaufen. Die Transaktion könnte 1,7 Milliarden Euro in die Kasse von MAN bringen und Verluste ausgleichen, die wegen einer Korruptionsaffäre bei dem Industriedienstleister Ferrostaal entstanden sind. Aufgrund staatsanwaltlicher Ermittlungen hatte es der arabische Staatsfonds Ipic abgelehnt, auch noch die restlichen 30 Prozent der MAN-Tochter zu übernehmen.

Schließlich würde nach diesem Denkmodell VW seine MAN-Aktien an Scania verkaufen und dafür auf Basis des aktuellen Börsenkurses etwa drei Milliarden Euro erhalten. Dieses Vorgehen wäre auch für VW ein gutes Geschäft. Damit Scania den Kleinaktionären von MAN das beim Überschreiten von 30 Prozent Anteil fällige Übernahmeangebot machen kann, wäre bei Scania eine Kapitalerhöhung fällig.

VW würde dabei auch die restlichen Aktionäre mit ins Boot holen. Sie dürften die Schaffung des Weltkonzerns mitfinanzieren, der bereits im Jahr 2018 Toyota als Weltmarktführer ablösen will, hätten aber nichts zu sagen.

Der Deal würde sich weitgehend selbst finanzieren, wenn Piëch entgegen früheren Ankündigungen doch die MAN-Sparten Dieselmotoren und Turbomaschinen aus dem Nutzfahrzeug-Konzern lösen und veräußern würde. Ein solches Vorgehen kommt Volkswagen nach Einschätzung von Insidern billiger als ein eigenes Übernahmeangebot für die freien MAN-Aktionäre. Dafür wären etwa acht Milliarden Euro aufzuwenden.

Der Kauf der Scania-Aktien von MAN könnte bereits bei der Sitzung des Aufsichtsrates von VW am Donnerstag eine Rolle spielen. Auch eine Sondersitzung des Kontrollgremiums von MAN noch vor Weihnachten ist nicht auszuschließen, war im Kreis der Aufseher selbst zu erfahren. Vorsitzender beider Gremien ist Ferdinand Piëch, der damit seine Vorbereitungen für einen VW-Nutzfahrzeug-Konzern zielstrebig fortsetzt.

Die Aussicht, als Anhängsel von Scania zu enden und aus dem Deutschen Aktien-Index zu verschwinden, löst naturgemäß keine Begeisterung aus bei den Managern des 252 Jahre alten Traditionsunternehmens MAN. Sie hielten sich am Wochenende bedeckt und wollten zu "Marktgerüchten" keine Stellung nehmen. Entsprechend lautete die Sprachregelung bei den beteiligten VW-Firmen.

MAN-Finanzvorstand Frank Lutz hatte am Samstag noch der Börsen-Zeitung ein Interview gegeben. Darin sagte er zum Buchwert der MAN-Beteiligung an Scania, dessen Börsenwert wegen guter Geschäftsergebnisse deutlich gestiegen ist : "Wenn die Wirtschaftsprüfer am Ende des Jahres feststellen, dass der Anteil eine Zuschreibung erfahren muss, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mich dagegen verschließen kann." Die Kleinaktionäre von MAN werden also sehr genau hinsehen, ob ein Verkauf der Scania-Beteiligung an VW zum niedrigen Buchwert oder erst nach der Zuschreibung erfolgen wird.

© SZ vom 15.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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