Ryanair:Verdacht der Scheinselbstständigkeit - Razzien an Ryanair-Standorten

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An insgesamt sechs Standorten in Deutschland dursuchten die Fahnder Räume des Billigfliegers Ryanair und befragten auch Piloten. (Foto: dpa)
  • Ermittler haben gleich an sechs deutschen Standorten Räume der Billigfluggesellschaft Ryanair durchsucht.
  • Die Behörden vermuten, dass Piloten scheinselbständig für die irische Gesellschaft arbeiten.
  • Die Ermittlungen wegen mutmaßlichen Steuer- und Sozialversicherungsbetrugs richten sich aber nicht gegen Ryanair selbst, sondern gegen zwei britische Personalfirmen.

Von Klaus Ott, München

Es gibt wohl kaum einen Firmenchef in Europa, der so sehr aneckt wie Michael O'Leary von Ryanair. Piloten seien "glorifizierte Taxifahrer", sagte der irische Geschäftsmann vor Jahren mal. Und kündigte gleich an, irgendwann werde das "Flugzeug ohne Piloten" kommen. Die Kapitäne der Lüfte würden dann nur noch benötigt, "um zu schauen, dass die Tür zur Bezahl-Toilette nicht klemmt".

Noch aber braucht Europas größte Billigfluglinie jede Menge Piloten, immer mehr sogar, um die inzwischen rund 100 Millionen Passagiere pro Jahr sicher ans Ziel zu bringen. Schon seit langem freilich wird in Branchenkreisen vermutet, nicht nur wegen O'Learys Sprüchen, dass Ryanair die Piloten lediglich als lästigen und überflüssigen Kostenfaktor betrachtet. Jetzt gibt es neue Hinweise auf fragwürdige Geschäftsmethoden, die das Erfolgsmodell von Ryanair möglich machten: Günstige Tickets, niedrige Kosten, immer höhere Gewinne.

Ordner wurden beschlagnahmt, Piloten befragt

Polizei- und Zollbeamte haben in den vergangenen Tagen Piloten-Räume an gleich sechs deutschen Standorten von Ryanair durchsucht: Köln, Berlin-Schönefeld, Frankfurt-Hahn, Baden-Baden, Karlsruhe und Niederrhein-Weeze. Die Ermittlungen wegen mutmaßlichem Steuer- und Sozialversicherungsbetrug richten sich nach Angaben der für den Fall zuständigen Staatsanwalt in Koblenz aber nicht gegen die Billig-Fluglinie. Sondern gegen zwei britische Personalfirmen, die zahlreiche Piloten unter Vertrag genommen und an Ryanair ausgeliehen haben. Die Behörden gehen dem Verdacht der Scheinselbstständigkeit nach. Laut Oberstaatsanwalt Hans Peter Gandner wird darüber hinaus auch gegen eine "Vielzahl" von Flugkapitänen ermittelt; wegen möglicher Beihilfe zum Steuer- und Sozialversicherungsbetrug. In Deutschland stationierte Piloten sollen ihre Steuern und Abgaben entgegen den Vorschriften nicht hierzulande abgerechnet haben.

Polizei und Zoll haben bei der Razzia nicht nur Dateien und Ordner beschlagnahmt, sondern auch gleich Piloten vernommen. Von wem sie denn ihr Geld bekämen, wer sie zur Arbeit einteile und ob sie auch bei Urlaub und Krankheit bezahlt würden, lauteten die Fragen. Die Razzia war nicht die erste Aktion in dieser Causa. Im Wege der Rechtshilfe seitens britischer Behörden waren früher bereits die beiden Personalfirmen durchsucht worden. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Gandner läuft das Verfahren schon seit sechs Jahren. Jetzt hätten sich "neue Gesichtspunkte" ergeben, deshalb nun die Razzia. Die Staatsanwaltschaft hoffe, die Ermittlungen in diesem Jahr abschließen zu können.

Viele Piloten arbeiten als Ich-AG - zumindest offiziell

Träfe der Verdacht zu, dann wären die beiden britischen Personalfirmen die Haupttäter. O'Learys Billigfluglinie wäre wohl fein heraus. Man ist ja, streng formal betrachtet, nicht der Dienstherr der Piloten. Ryanair erklärte, man habe sich mit den deutschen Behörden getroffen und "zugestimmt, diese bezüglich ihrer Nachforschungen zu einigen Vertragspiloten" zu unterstützen. "Contractor Pilots" heißen diese Flugkapitäne im Branchenjargon. Die Billiglinie teilte weiterhin mit, man verlange von all den Piloten, "dass sie sich stets entsprechend ihrer steuerlichen Pflichten verhalten". Das gelte sowohl für Flugkapitäne, die direkt bei Ryanair angestellt seien, wie auch für die Vertragspiloten. "Sollten die deutschen Behörden weitere Unterstützung benötigen, bieten wir diese gerne an." Klingt großzügig. Eine der Kernfragen indes lautet: Wären die Verfahren überflüssig, wenn die Kapitäne der Lüfte großzügiger oder einfach nur etwas besser bezahlt würden?

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Vertragspiloten, das sind gewissermaßen Ich-AGs. Also Beschäftigte, die offiziell selbständig sind und deren einziger Firmenzweck darin besteht, die eigene Arbeit, also sich selbst zu verkaufen. Auch andere Billig-Fluglinien und andere Unternehmen nutzen solche Geschäftsmodelle. Ryanair ist da kein Einzelfall, steht jetzt aber im Fokus. Nicht juristisch, aber unternehmenspolitisch. Für den Präsidenten der Europäischen Pilotengewerkschaft ECA, Dirk Polloczek, ist es unverständlich, dass zwar gegen Flugkapitäne, nicht aber gegen Ryanair selbst ermittelt wird. Es könne nicht sein, dass immer wieder die Piloten im Zentrum der Ermittlungen stünden, während das Unternehmen außen vor bleibe, sagte Polloczek dem WDR.

Piloten befürchten durch die Ermittlungen den Verlust ihrer Lizenzen

Der Flugkapitän James Phillips von der Pilotenvereinigung Cockpit hat mit mehreren der betroffenen Piloten gesprochen. Viele seien sehr aufgebracht und hätten jetzt Angst um ihre Zukunft. "Einige befürchten sogar, dass sie durch die Ermittlungen ihre Fluglizenz verlieren könnten", sagte Philipps dem WDR.

Ein Insider hatte schon vor einem Jahr berichtet, die Piloten müssten sich für den Fall der Berufsunfähigkeit selbst absichern und hätten keinen Anspruch auf Betriebsrente. Sie trügen zudem ein hohes Risiko, was das monatliche Gehalt angehe, denn Ryanair garantiere keine Mindestflugstunden. "Man wird nur bezahlt, wenn man fliegt. Man bekommt einen Dienstplan vorgegeben, und wenn man es aus irgendeinem Grund nicht schafft, einen Dienst wahrzunehmen, wenn man zum Beispiel krank ist, dann bekommt man diese Stunden auch nicht bezahlt."

Ob das stimmt, oder nicht, und was von dem Verdacht auf Steuer- und Sozialversicherungsbetrug oder Beihilfe hierzu zu halten ist, das müssen die weiteren Ermittlungen zeigen. An den guten Geschäftszahlen von Ryanair dürfte das wenig ändern. Die Passagiere sind in der Regel nur daran interessiert, wie billig die Tickets sind. Und nicht, bei wem der Pilot beschäftigt ist. Und auch an O'Learys Auftreten dürfte sich nichts ändern. Der Ryanair-Chef hat schließlich Erfolg mit seiner Masche. "Die Umwelt interessiert mich einen Dreck", sagte O'Leary vor Jahren in einem SZ-Interview. "Jede Firma, die eine Umweltstrategie verfolgt, verarscht die Leute nur."

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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