Rüstungsindustrie: Bundeswehr spart:Not schweißt zusammen

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Die Waffenhersteller fürchten den Sparzwang und den neuen Kurs von Verteidigungsminister Guttenberg. Sie hoffen auf eine aktive Unterstützung der Regierung - um schneller zu exportieren.

K.-H. Büschemann

Das tat weh. Die Eurojet Turbo GmbH im bayerischen Manching, die Triebwerke für Kampfflugzeuge baut, ist in Indien der Konkurrenz unterlegen. Der Auftrag für 99 Kampfjet-Turbinen, den das europäische Konsortium aus Neu-Delhi haben wollte, ging vor wenigen Tagen an die Konkurrenz General Electric. Damit ist der Gemeinschaftsgesellschaft, der Triebwerkbauer aus vier EU-Ländern angehören, ein Großauftrag von 800 Millionen Dollar durch die Lappen gegangen.

Die Bundeswehr schrumpft und damit auch die Geschäfte der Waffenindustrie. Exporte sollen den Verlust ausgleichen, aber Verhandlungen mit Indien laufen ebenfalls schlecht. Das Bild zeigt Verteidigungsminister Guttenberg in Kundus (Archivaufnahme). (Foto: dpa)

Aber nicht nur das. Mit der Entscheidung der Inder für ein Triebwerk aus Amerika sind auch die Chancen der Europäer gesunken, mit den Indern weitere Großgeschäfte abzuschließen. Indien will 126 Kampfjets kaufen - und der europäische EADS-Konzern bietet seinen Eurofighter an. Der Wert des Geschäfts beträgt attraktive elf Milliarden Dollar. Darauf gibt es kaum noch Hoffnungen

Die Aussichten der deutschen Rüstungsindustrie, die sich selbst lieber wehrtechnische Industrie nennt, werden zunehmend trüber. Die Bundeswehr muss drastisch sparen. Die Pläne der Regierung zur Zukunft der deutschen Armee treiben den Waffen-Managern die Schweißperlen auf die Stirn. Die Truppenstärke der Bundeswehr soll von heute 240.000 Mann auf 160.000 Mann verringert werden.

Doch eine verkleinerte Armee braucht auch weniger Panzer, Schiffe und Flugzeuge. Sie benötigt weniger Munition und weniger Dienstleistungen für die Wartung des Waffenparks. Deutschland rüstet ab und die Waffenindustrie fürchtet um ihre Geschäfte. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht abgekoppelt werden", warnt Christian-Peter Prinz zu Waldeck vom erst vor einem Jahr gegründeten Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie im Gespräch mit der SZ. Die Sparpläne der Regierung könnten die gesamte Industrie gefährden. Man sehe ein, so der Verbandsmann, dass die Regierung ihre Ausgaben senken müsse, aber das dürfe nicht zu weit gehen, warnt er. "Deutschland darf nicht auf Spitzentechnologie verzichten." Auch in Zukunft müsse es eine überlebensfähige Waffenindustrie in diesem Land geben.

Unternehmen wie Gewerkschaften stehen bereits Schulter an Schulter im Kampf gegen die Kürzung der Waffenaufträge. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer befürchten kurzfristig den Verlust von 15.000 der heute noch 80.000 Arbeitsplätze in den Waffenschmieden. Langfristig seien sogar 30.000 Jobs gefährdet. Offen beklagt die IG Metall, mit der Sparpolitik der Regierung mehrten sich "die Belastungsfaktoren für diese Branche". Am Dienstag demonstrierten 2000 Beschäftigte des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS im bayerischen Manching gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung.

Seit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine deutsche Rüstungsindustrie entstand, gibt es einen ständigen Kampf zwischen Regierung und Managern um den Kauf von Waffen. Aufträge des Bundes erstrecken sich meist über lange Zeit und sorgen in der Industrie für bequeme Geschäfte. In der Regel sind auch die Preise gut. Man kennt sich, man schätzt sich. Manager und Militärs haben ähnliche Interessen: Beide wollen für die Bundeswehr das Beste und Teuerste. Oft bilden sie eine starke Front gegen die Steuerzahler und die knauserigen Politiker, die neben der Sicherheit des Landes auch ihre Haushalte im Auge halten müssen.

Doch die Branche schrumpft. Das gilt besonders seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Der Wegfall der Bedrohung aus dem kommunistischen Osten sorgte in der Rüstungsindustrie für einen drastischen Schrumpfkurs. Von 1,5 Millionen Arbeitsplätzen in den Waffenfirmen Europas sind nur noch etwa die Hälfte übrig geblieben.

Von 400.000 Rüstungsarbeitsplätzen vor 20 Jahren gibt es heute nur noch ein Fünftel. Diese Entwicklung wird weitergehen. Deutschland gab 2009 noch 48 Milliarden Euro für Waffen, Wartung und Verbrauchsmaterial aus. Die sollen aber um weitere acht Milliarden Euro gekürzt werden.

Der Branchenverband geht deshalb auf die rhetorische Barrikade. Die Industrie stehe vor einem politischen Novum. Bisher sei die Bundeswehr nach den Kriterien der Sicherheitspolitik ausgerüstet worden. Jetzt werde Sicherheitspolitik nach Kassenlage betrieben. "Das gilt es zu verhindern", heißt es im BDSV.

Der Ton wird schärfer. Manche Äußerungen von Verteidigungminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kommen bei den Managern schlecht an. Der schneidige Minister ärgert sich über die gängige Praxis der Lieferanten, die Schiffe, Flugzeuge oder Panzer teurer und später zu liefern als angekündigt. Der Minister kündigt deshalb gar "eine andere Gangart gegenüber der Industrie an".

Guttenberg will sich mit dem nicht abfinden, was seine zahllosen Vorgänger akzeptierten. Es gebe "groteske Verträge" des Verteidigungsministeriums mit der Waffenindustrie. Das werde sich ändern, und zwar bald. Guttenberg will alle Aufträge der Bundeswehr überprüfen. Offenbar will er nicht mehr alles kaufen, was schon bestellt wurde.

"Wir erwarten aktive Unterstützung"

Das macht die Branche unruhig. Bisher galten unterschriebene Verträge als sichere Bank und Beschäftigungsgarantie. "Wir haben verstanden", sagt der Verbandsvertreter zu Waldeck scheinbar versöhnlich. Aber geschlossene Verträge, so meint der Verbandsvertreter, könnten nun einmal nur "im Dialog geändert werden".

Damit meint er offenbar, dass die Regierung einen Ausgleich zahlen müsste, falls sie Bestellungen storniere. "Wir erwarten eine Kompensation." Die Gegenleistung der Regierung könne auch darin bestehen, dass sie die Genehmigungen für die Ausfuhr von Waffen schneller gebe. "Wir erwarten eine aktivere Unterstützung der Exporte."

© SZ vom 11.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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