Rückholaktion der Bundesbank:Schwarz, Rot, Gold

Lesezeit: 3 min

Die Queen beim Besuch des Tresors der Bank of England - betrachtet sie auch deutsches Gold? (Foto: Eddie Mulholland/AFP)

Stehen in den Gold-Tresoren etwa nur bemalte Pappkartons? Bei der hysterisch geführten Debatte um die "Heimholung" der deutschen Goldreserven geht es nicht mehr um Ökonomie, sondern um die Seele einer Nation. Nach der Krise sehnen sich die Deutschen nach angeblich bleibenden Werten - das kann gefährlich werden.

Ein Kommentar von Nikolaus Piper

Es gibt sicher gute Gründe für die Deutsche Bundesbank, einen Teil ihres Goldschatzes aus New York und Paris nach Frankfurt zu verlagern. Der wichtigste dürfte sein, dass sie auf diese Weise eine der absurdesten Possen der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte zu beenden hofft: die Debatte um die "Heimholung" des deutschen Goldes. Agitiert vom CSU-Haudegen Peter Gauweiler und anderen glauben tatsächlich etliche Deutsche, das deutsche Gold in den Tresoren der Federal Reserve Bank of New York, der Bank of England und der Banque de France sei nicht mehr sicher. Unter Umständen sei es sogar gar nicht mehr da, und die Bundesbank vertusche dies hinterhältigerweise.

Man kann versuchen, mit praktischer und ökonomischer Vernunft zu kommen: Glauben Gauweiler und seine Freunde allen Ernstes, Amerikaner, Briten und Franzosen hätten nichts Gescheiteres zu tun, als den Deutschen ihr Währungsgold zu klauen und dafür bemalte Pappkartons in die Tresore zu stellen? Soweit feststellbar, ertragen zumindest die Leute bei der Federal Reserve in New York die deutschen Kapriolen mit Humor; schließlich sind sie Ähnliches von der extremen Rechten im eigenen Land gewohnt.

Die Deutschen misstrauen ihren Portemonnaies

Man mag auch fragen, welchen Sinn es haben soll, das Gold mit hohen Kosten für Transport und Versicherung nach Frankfurt zu bringen, nur um es im unwahrscheinlichen Fall einer schweren Währungskrise wieder dorthin transportieren zu müssen, wo Währungen gehandelt werden, nämlich nach London und New York. Unverständlich, nebenbei, dass der Rechnungshof bei diesem Spiel mitgemacht hat. Aber bei der ganzen Debatte geht es ja nicht um Ökonomie, sondern um die Seele einer verunsicherten Nation.

Nach über drei Jahren Euro-Krise misstrauen die Deutschen den Geldscheinen in ihren Portemonnaies, und sie hören zu, wenn ihnen jemand erklärt, diese Scheine seien ja gar kein richtiges Geld. Sie bräuchten die 3391 Tonnen Gold aus dem Schatz der Bundesbank als Sicherheit, und das müsse man jeden Tag anfassen können. Das hat System weit über Währungsfragen hinaus: Anleger lassen sich überreden, ihre Ersparnisse in Gold zu investieren, weil dies ja, im Gegensatz zum Euro, "hart" und "sicher" sei. Tatsächlich gehören, bei einem Preis von über 1670 Dollar für die Feinunze, Anlagen in Gold zu den riskantesten Rohstoffspekulationen überhaupt.

Der Ökonom John Maynard Keynes bezeichnete schon 1923 das Konzept, Währungen an Gold zu binden, als "barbarisches Relikt". Das stimmt bis heute: Die Tatsache, dass Gold überhaupt als Währungsreserve dient, lässt sich nur durch dessen Schönheit und die Magie erklären, die es auf die Menschen in früheren Zeiten ausübte. Mit Gold kann man Altäre auskleiden, Halsketten und Zahnkronen herstellen; Angebot und Nachfrage haben jedoch nichts mit den Erfordernissen einer modernen Volkswirtschaft zu tun.

Das hat die Geschichte gezeigt: Zwischen 1873 und 1914 war Gold in den meisten Industrieländern das Maß des Geldes. Die Zeit wird heute oft verklärt, tatsächlich litten vor allem die unteren Schichten unter dem Goldstandard. In den Vereinigten Staaten waren die Jahre durch eine lange Reihe von Finanzkrisen gekennzeichnet. Deutschland litt unter den Folgen des Gründerkrachs von 1873; dieser wiederum war ein Ergebnis der fünf Milliarden Goldfranken an Reparationen, die das Deutsche Reich nach dem Krieg von 1870/71 Frankreich abgepresst hatte, und die danach eine große Spekulationsblase finanzierten.

Gold statt Scheine

Heute hat Deutschland, nach den USA, die zweithöchsten Goldreserven der Welt. Für die Währungspolitik braucht man das Gold nicht. Es verursacht Lagerkosten und bringt keine Rendite, sofern man nicht auf einen unablässig steigenden Preis setzt. Immer wieder haben Politiker darüber nachgedacht, ob man die Reserven nicht verkaufen und den Erlös für etwas Vernünftiges verwenden könnte. Jedes Mal hat sich gezeigt, dass man über Gold in Deutschland nicht rational diskutieren kann.

Letztlich drückt sich im Gold-Wahn tiefes Misstrauen gegen die Institutionen der Wirtschafts- und Währungsordnung aus, in diesem Fall die Europäische Zentralbank und die Bundesbank selbst. Mehr noch: Es ist ein Vorbehalt gegen die Demokratie selbst, der man nicht zutraut, eine stabile Geldordnung zu schaffen. Das ist das Beunruhigende an der Debatte. Der Bundesbank kann man nur raten, schnell zur alten Praxis zurückzukehren und sich statt mit Gold mit Wichtigerem zu befassen. Ihre Heimholungsaktion ist - hoffentlich - ein Befreiungsschlag.

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Länder mit den höchsten Goldreserven
:Faustpfand der Welt

In Krisenzeiten glänzt Gold besonders hell: In diesem Jahr haben sich viele Investoren in die nach wie vor als sicher geltende Anlage geflüchtet. Der Goldpreis stieg um etwa acht Prozent. Welche Länder der Welt verfügen über die meisten Goldreserven? Ein Überblick in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: