Reform des Baugesetzes:Bund will mit einem Trick mehr Wohnraum schaffen

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Der neue Typ des "Urbanen Gebiets" setzt auf eine Mischung aus Wohnen und Gewerbe.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

Damit mehr Wohnungen entstehen, sollen Städte "urbane Gebiete" ausweisen dürfen. In denen darf es ruhig mal lauter werden.

Von Benedikt Müller

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat es eilig: In den nächsten Monaten werden viele anerkannte Asylbewerber eine ganz normale Wohnung suchen. Doch schon jetzt konkurrieren Familien und junge Leute heftig um Wohnraum in den Großstädten.

Damit künftig mehr Wohnungen gebaut werden, arbeitet Hendricks' Ministerium an einer Reform des Baugesetzes. So soll eine neue Kategorie bei den Baugebieten entstehen: Neben reinen Wohn- und Gewerbegebieten sollen die Städte künftig "Urbane Gebiete" ausweisen dürfen. In dieser Mischform soll es ganz normal sein, dass etwa ein Mietshaus neben einem Einkaufszentrum entsteht. Oder ein neues Wohnheim direkt an einem Krankenhaus.

Wo kann so neuer Wohnraum entstehen?

Vor allem in Großstädten, beispielsweise auf Freiflächen neben Gewerbebetrieben, Schulen oder Sportplätzen. Bislang war es für die Städte schwierig, dort neue Wohnhäuser zu genehmigen. Denn die Verordnungen schreiben Mindestabstände und Lärm-Obergrenzen für Wohnsiedlungen vor. Das gleiche Problem tritt auf, wenn leer stehende Bürogebäude in Wohnungen umgewandelt werden sollen. Im Urbanen Gebiet dagegen ist das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und öffentlichen Einrichtungen ausdrücklich erlaubt, wenn die Gewerbeeinrichtungen die Anwohner "nicht wesentlich stören". So steht es im Gesetzentwurf des Bauministeriums.

Wie dicht werden Urbane Gebiete bebaut?

Deutlich dichter als normale Wohngebiete. Laut dem Entwurf dürfen bis zu 60 Prozent der Grundstücksfläche bebaut werden; in reinen Wohngebieten sind bislang 40 Prozent die Grenze. Zudem dürfen die Häuser ziemlich hoch werden. Die Fläche aller Geschosse zusammengerechnet darf dreimal so groß sein wie das Grundstück. Diesen Faktor erreicht bislang nur die klassische Block-Bebauung in Innenstädten.

Und wie laut darf es dort werden?

Auch beim Lärmschutz sind die Urbanen Gebiete ein Mittelding aus Wohn- und Gewerbegebiet. Tagsüber soll die Obergrenze bei 63 Dezibel liegen, nachts bei 48 Dezibel. In den Stadtkernen sind bislang höchstens 60 Dezibel erlaubt, nachts 45 Dezibel. Zum Vergleich: In einer durchschnittlichen Wohnung liegt der Lärmpegel bei 50 Dezibel; ein Staubsauger ist in einem Meter Entfernung etwa 70 Dezibel laut.

Wie viele neue Wohnungen ermöglicht die Reform?

Die Regierung sieht große Potenziale, beziffert sie aber nicht näher. Denn es kommt darauf an, wie viele Urbane Gebiete die Städte ausweisen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung lobt die Reform als sehr sinnvoll. "Sie eröffnet Möglichkeiten genau in den Ecken, in denen die Nachfrage sehr hoch ist", sagt DIW-Forscher Claus Michelsen. Gerade in Städten mit engen Wohnungsmärkten, etwa Frankfurt, stehen besonders viele Büroflächen leer. "Auch wenn ein reines Wohngebiet zum Urbanen Gebiet erklärt wird, erleichtert das die Nachverdichtung", sagt Michelsen. Mithin können auf Dächern und Brachflächen leichter neue Wohnungen entstehen, ohne dass weiteres Land versiegelt würde.

Wann soll das Gesetz in Kraft treten?

Die Bundesregierung diskutiert zurzeit über den Entwurf: Etwa darüber, ob der Staat einen Mindestanteil an Wohngebäuden in Urbanen Gebieten festlegen sollte. Hendricks geht aber davon aus, dass das Gesetz noch im laufenden Jahr in Kraft treten kann. Das hofft auch die Immobilienwirtschaft, die sich von der Reform neue Bauvorhaben erwartet - auch wenn ihr die Lärmschutz-Auflagen immer noch zu weit gehen. Denn wie sagte Ministerin Hendricks dereinst: Wenn man in ein Urbanes Gebiet zieht, "dann weiß man ja, was auf einen zukommt".

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