Reaktorneubau:Amerika wagt Renaissance der Kernenergie

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Deutschland verabschiedet sich aus der Atomtechnologie, die USA steigen wieder ein: Erstmals seit mehr als 30 Jahren genehmigt die amerikanische Atomaufsicht wieder den Bau neuer Reaktoren. Pläne für 20 weitere Kernkraftwerke liegen schon in der Schublade - Bill Gates treibt dabei ein futuristisches Projekt voran.

Benjamin Romberg

Als im März 1979 der Reaktor des Kernkraftwerks Three Mile Island schmolz, verschwanden auch Pläne für weitere US-Atomreaktoren in der Schublade. Seitdem wurde kein neues Werk genehmigt. Das hat sich nun geändert: Die amerikanische Atomaufsicht erteilte jetzt die Genehmigung für den Bau von zwei Reaktoren im Bundesstaat Georgia.

Das Atomkraftwerk Vogtle im US-Bundsstaat Georgia vefügt derzeit über zwei alte Reaktoren. Die amerikanische Aufsichtsbehörde hat nun die Genehmigung für den Bau von zwei neuen Reaktoren erteilt - erstmals seit 30 Jahren. (Foto: dpa)

Die Entscheidung war indes nicht einstimmig: Vier Kommissionsmitglieder der Aufsichtsbehörde stimmten dafür, nur der Vorsitzende sprach sich gegen den Bau aus. Der Chef der Atomaufsicht, Gregory Jaczko, ist bekannt für seine kritische Haltung zur Atomenergie. "Ich kann die Ausstellung der Lizenz nicht unterstützen, als ob Fukushima niemals passiert wäre", sagte Jaczko.

Derzeit sind in den USA 100 Reaktoren in mehr als 60 Anlagen am Netz, die etwa ein Fünftel der Elektrizität in den USA produzieren. Der Atomkonzern Southern Company darf nun die ersten neuen Reaktoren in den USA seit über 30 Jahren bauen. Der Chef von Southern, Thomas Fanning, sprach von einem historischen Tag. Die beiden neuen Reaktoren würden "den Standard für Sicherheit und Effizienz in der Atomindustrie setzen".

Präsident Obama gilt als Unterstützer nuklearer Technologien. Southern Company hat von der US-Regierung acht Milliarden Dollar Garantien für Kredite erhalten. Obama sieht in der Kernkraft vor allem eine Alternative zu fossilen Brennstoffen - und somit eine Chance, sich aus der Abhängigkeit von Ölimporten zu lösen. Die Kohleenergie ist durch zunehmende Regulierungen im Umweltbereich nicht mehr attraktiv.

Neue Atomkraftwerke sind schon in Planung

Bei der Atomaufsichtsbehörde liegen derzeit 20 weitere Anträge für neue Reaktoren, die auf Zustimmung warten. Der jetzt genehmigte Ausbau des Kraftwerks Vogtle in Georgia gilt gewissermaßen als Test: Das 14 Millarden Dollar teure Projekt soll 2016 abgeschlossen sein - dann gehen die beiden neuen 1100-Megawatt-Blöcke ans Netz.

Kritiker befürchten allerdings, dass die Kosten für die Anlage wesentlich höher ausfallen könnten. Die Wahrscheinlichkeit für höhere Kosten sei groß, sagt die Southern Alliance for Clean Energy in der New York Times. Gemeinsam mit acht weiteren Gruppen möchte die Interessenvertretung versuchen, die Entscheidung der Kommission zu blockieren.

Atomkritiker und Aufsichtschef Jaczkko versucht, härtere Sicherheitsstandards durchzusetzen. "Ich denke, dass die Veränderungen nach der Katastrophe von Fukushima in der Lizenz berücksichtigt werden müssen", sagte Jaczkko.

Die Befürworter des Projekts verweisen darauf, dass die neuen Reaktoren dank neuer Technologien sicherer wären - und eine Kernschmelze wie in Fukushima nicht mehr passieren könnte. Die von der Firma Westinghouse produzierten Reaktoren werden derzeit in China gebaut, sie sollen auch vor Erdbeben und Flugzeugeinschlägen sicher sein.

Ein AKW, das mit Müll funktioniert

Dass die Nukleartechnologie in den USA wieder in Mode kommt, zeigt auch das ehrgeizige Unterfangen einer Investorengruppe um Microsoft-Gründer Bill Gates, die das Projekt Terrapower finanziert. Dahinter steckt ein Konzept für eine neue Generation von Reaktoren, die mit Atommüll betrieben werden. Derzeit suchen Gates und seine Mitstreiter nach einem geeigneten Standort für den Bau eines Testreaktors - auch außerhalb der USA.

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