Anton Schlecker:Schlecker-Prozess: Ein Patriarch vor Gericht

Lesezeit: 4 min

  • Der Gründer der Drogeriemarktkette Schlecker hat am ersten Verhandlungstag alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
  • Es geht um fragwürdige Millionengeschäfte und kurzfristige Blitzüberweisungen unmittelbar vor der Firmenpleite im Jahr 2012.

Aus dem Gericht von Stefan Mayr, Stuttgart, und Klaus Ott

Der Weg des Anton Schlecker und seiner Familie führt an diesem Montagmorgen nach unten: Der Sitzungssaal 18, in dem der erste von 26 angesetzten Verhandlungstagen stattfinden wird, befindet sich im Untergeschoss des Stuttgarter Landgerichts. Die Decke über dem Zuhörerraum hängt tief. "Wie in einer Schleckerfiliale", scherzt einer der zahlreichen Zuhörer, die am Montag bereits eine Stunde vor Prozessbeginn in der Schlange stehen.

Anton Schlecker, der ehemalige Firmenpatriarch, trägt einen schwarzen Pulli mit dunkelblauem Nadelstreifen-Sakko. Das Haar des 72-Jährigen ist weiß, die Gesichtsfarbe nicht viel farbiger. Bei seinem Anblick sagen Schleckerfrauen im Gerichtssaal: "Oi, oi, oi, armer Anton." Eine sagt: "Warum tut mir das jetzt auch noch weh?" Anton Schlecker nimmt in der ersten Reihe zwischen seinen Verteidigern Platz. Auch Ehefrau Christa, 69, Sohn Lars, 45, und Tochter Meike, 43, haben jeweils zwei Anwälte dabei.

Drogerie
:Schlecker: Eine Familie vor Gericht

Die Gründer des Drogerie-Imperiums sollen kurz vor der Pleite noch Millionen beiseite geschafft haben haben. Jetzt kommt es zum Prozess.

Von Stefan Mayr und Klaus Ott

Die Schleckers, sie sprechen an diesem ersten Verhandlungstag nicht. Noch nicht. Sie wollen sich im Laufe des Prozesses äußern. Am Montag verlesen dann zunächst die Anwälte die Erklärungen ihrer prominenten Mandaten. Und umgehend kommt es zum ersten Schlagabtausch mit der Staatsanwaltschaft. Der Grund: Anton Schleckers Anwalt Norbert Scharf weist alle erhobenen Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurück. "Die Vorwürfe sind unzutreffend", sagte er.

Dubiose Verträge, merkwürdige Grundstücksgeschäfte, anstößige Blitzüberweisungen: Mit solchen Vorwürfen hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Familie Schlecker auf die Anklagebank gebracht. Vater Anton, Mutter Christa, Sohn Lars und Tochter Meike. Die Vorwürfe reichen von vorsätzlichem Bankrott über Beihilfe hierzu bis zur Insolvenzverschleppung und Veruntreuung von Firmenvermögen. Angeklagt sind auch zwei Wirtschaftsprüfer, die ihre Berichtspflichten verletzt haben sollen.

Anton Schlecker - gerissen oder naiv?

Der Kernvorwurf gegen Anton Schlecker, der das Drogerie-Imperium erst aufgebaut und dann in die Pleite geführt hat, lautet: vorsätzlicher Bankrott. Der Patriarch soll absichtlich über zwei Jahre hinweg Vermögen beiseitegeschafft haben, wohl wissend, dass seine Unternehmensgruppe zusammenbrechen werde.

Natürlich war Schlecker im Bilde gewesen, wie schlecht es um seine Läden stand, in denen er Deos, Kosmetik, Babynahrung, Arzneien, Putzmittel und Tausende weitere Artikel verkaufte. Das belegen Vermerke ("Es ist 5 vor 12!!!") und Zeugenaussagen.

Die Schriftstücke und Vernehmungsprotokolle zeigen aber auch, wie der Patriarch selbst nach jahrelangen Verlusten bis zum Schluss um das wirtschaftliche Überleben kämpfte. Wie er versuchte, Unternehmensteile zu verkaufen, um Rechnungen zahlen zu können.

Ein früherer Finanzvorstand der Schlecker-Gruppe sagte bei den Ermittlern als Zeuge aus, Anton Schlecker habe seine Lage im Grunde genommen nicht wahrhaben wollen. Er habe gedacht, er finde immer noch Wege, um den Engpass zu überbrücken.

Im September 2011, vier Monate vor der Pleite, soll der Patriarch sogar versucht haben, seine Unternehmensgruppe zu verkaufen. Eine Insolvenz sei von der Familie vehement abgelehnt worden, sagte ein Wirtschaftsprüfer aus, der bei der erhofften Veräußerung helfen sollte.

Der Nachweis eines vorsätzlichen Bankrotts könnte also schwierig werden.

Millionengeschäfte kurz vor der Pleite

Gar nicht gut sehen allerdings Geschäfte aus, die Anton Schlecker und seine Kinder Lars und Meike kurz vor der Pleite des Konzerns am 23. Januar 2012 schnell noch erledigt haben. Sechs Tage vorher verkaufte der Patriarch laut Anklage drei Grundstücke einer österreichischen Schlecker-Gesellschaft für sieben Millionen Euro an die beiden Kinder. Der Kaufpreis soll 2,1 Millionen Euro unter dem Verkehrswert gelegen haben.

Zudem zahlte der Vater noch 322 000 Euro Grunderwerbsteuern und Notarkosten, was eigentlich Sache der Kinder gewesen wäre. Anton Schlecker habe diesen Betrag dem Zugriff der Gläubiger entziehen wollen, glaubt die Staatsanwaltschaft. Der Patriarch und seine Kinder hätten aus überzogenem, rücksichtslosem und sittlich anstößigem Erwerbsinteresse gehandelt. Ein heftiger Vorwurf.

Um noch weit mehr Geld geht es bei der Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft (LDG), die Lars und Meike Schlecker gehörte. Die LDG kümmerte sich um die Verteilung der Waren auf die vielen Tausend Drogerien. Nach Erkenntnissen der Ermittler kassierte die LDG von der Schlecker-Gruppe weit überhöhte Preise und entzog damit dem Konzern über die Jahre hinweg mehrere zehn Millionen Euro.

Die LDG machte der Anklage zufolge von 2003 bis 2011 hohe Gewinne, die zum "größten Teil" an Lars und Meike Schlecker ausgeschüttet worden seien. Hinzu kamen mehr als fünf Millionen Euro, die wenige Tage vor der Konzernpleite per Blitzüberweisung auf den Privatkonten von Lars und Meike Schlecker eingegangen seien. Plus die darauf fällige Steuer, die der Fiskus erhielt. Insgesamt sieben Millionen Euro.

Die LDG wäre demnach ein reiner Selbstbedienungsladen der Familie Schlecker gewesen, auf Kosten des Konzerns und der Belegschaft. Die Blitzüberweisung wenige Tage vor der Pleite muss Meike Schlecker wohl vergessen haben, als sie wenige Tage nach der Insolvenz über das Vermögen der Familie sagte, "es ist nichts mehr da".

Es war schon noch einiges da. Sonst hätten Lars und Meike Schlecker die sieben Millionen Euro später nicht an Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zurückzahlen können. Insgesamt holte sich Geiwitz 10,1 Millionen Euro von der Familie Schlecker.

Tennisplatz in Ehingen

Nach der Pleite musste Anton Schlecker dem Amtsgericht Ulm seine Vermögensverhältnisse offenlegen. Der Patriarch gab einiges an. Das familieneigene Grundstück im schwäbischen Ehingen habe er 2009 unentgeltlich an seine Frau übertragen. Im selben Jahr habe er den Kindern Lars und Meike einen Tennisplatz ebenfalls in Ehingen auch unentgeltlich überlassen (angeklagt sind aber nur Vorgänge ab 2010). Und so weiter.

Schlecker versicherte dem Gericht an Eides statt, er habe sämtliche Auskünfte richtig und vollständig erteilt; nach bestem Wissen und Gewissen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft dem Patriarchen vor, er habe zehn Vorgänge verschwiegen, bei denen den Kindern Vermögen in Höhe von insgesamt mehreren Millionen Euro zugutegekommen sei.

Die eidesstattliche Versicherung, so die Ermittler, sei falsch. Das wäre strafbar.

Beraterverträge für die Mutter

Im Vergleich dazu nehmen sich die beiden Beträge, wegen derer Christa Schlecker auf der Anklagebank sitzt, bescheiden aus. Sie soll von zwei Firmen, die vor allem ihren Kindern gehörten, im Juni 2012 Honorare in Höhe von insgesamt 71 400 Euro erhalten haben; für gar nicht erbrachte Beraterdienste. Das war nach der Pleite des Konzerns und kurz bevor diese beiden Firmen ebenfalls Insolvenz anmeldeten.

Deshalb sitzt Christa Schlecker mit auf der Anklagebank. Der Vorwurf gegen die Ehefrau lautet: zwei Vergehen der Beihilfe zum Bankrott. Insgesamt, bei der ganzen Familie, geht es um 42 angebliche Verfehlungen. Angeklagt sind auch zwei Wirtschaftsprüfer, die ihre Berichtspflichten verletzt haben sollen.

Der erste Verhandlungstag im Schlecker-Prozess endete am späten Vormittag. Nächsten Montag soll es dann weiter gehen. Mit den 26 anberaumten Terminen, das zeigte sich bereits zu Beginn des Prozesses, wird man wohl nicht auskommen. Die Räumlichkeiten, so der Richter, sollen schonmal für weitere Termine reserviert werden.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivSchlecker
:Der Superreiche und der letzte Kredit

Lidl-Milliardär Dieter Schwarz und Drogerie-Pleitier Anton Schlecker verbindet ein merkwürdiges Geschäft - über 30 Millionen Euro.

Von Klaus Ott

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: