Opel und Fiat:Sex mit dem Ex

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Wahre Liebe sieht anders aus: Bei Opel und Fiat belastet die Erinnerung an eine frühere zerbrochene Partnerschaft die mögliche Allianz.

Harald Schwarz und Ulrike Sauer

Der elegant gekleidete Mittfünfziger erinnert sich genau, wie vor neun Jahren die Partnerschaft der Autohersteller Opel und Fiat begann, die 2005 dann zerbrach. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, grinst und sagt, damals seien "viele Zauberlehrlinge" unterwegs gewesen.

Die Beziehung zwischen Opel und Fiat gab es schon einmal. Die Beteiligten denken nicht unbedingt gerne daran zurück. (Foto: Foto: ddp)

Es ging um den gemeinsamen Einkauf von Teilen und um die Entwicklung von Diesel- und Ottomotoren sowie die Schaffung von Plattformen, also jenen Grundstrukturen, auf denen Autos aufgebaut werden. Dies führte unter anderem dazu, dass die heutigen Corsa- und Punto-Modelle auf identischen Plattformen unterwegs sind.

Es ist eine Spätfolge der Kooperation, denn bis Autos es vom Reißbrett auf die Straße schaffen, vergehen einige Jahre. Der Mann im feinen Zwirn beteuert, beide Seiten hätten von der Liaison technisch profitiert. Ansonsten habe es "immer gehakt".

Blick zurück mit Skepsis

Der Mann, der damals bei Opel im mittleren bis oberen Management viel mit den Italienern zu tun hatte, steht mit dieser Einschätzung nicht alleine da. Zahlreiche andere Opelaner blicken ebenfalls mit Skepsis auf die Partnerschaft zurück. Eine Partnerschaft, die bei einem Einstieg von Fiat neu aufgelegt würde. Und hört man sich in Italien um, ist Opel dort auch nicht gerade als Traumpartner von Fiat in Erinnerung geblieben. Wahre Liebe sieht anders aus.

In einem spartanisch eingerichteten Zimmer in einem Bau auf dem Gelände des Rüsselsheimer Opel-Werks sitzen zwei Männer, die nicht so fein gekleidet sind wie der Mann im Zwirn. Sie tragen Jeans, Hemd und Pullover. Sie wollen unbedingt inkognito bleiben.

Beide sind Experten in der Entwicklung und im Bau von Motoren. Der Grauhaarige der beiden sagt: "Wir hatten hier Kompetenz. Aber sie wurde von Fiat nicht genutzt." Sein Kollege nickt und ergänzt: "Auf dem Papier stand Zusammenarbeit. Aber die wurde nicht mit Leben erfüllt."

"Lug und Trug"

Viele "Diskrepanzen" habe es gegeben. Ebenso stundenlange Meetings. Und Absprachen, die danach von den Italienern nicht eingehalten worden seien. "Das machte einige von uns hier schon richtig sauer und wütend", erinnert sich der Mann mit den dunklen Haaren. Einmal, erzählen sie, ging es um die Auswahl eines Motors für ein Auto.

Ein deutsches und ein italienisches Produkt konkurrierten. Da gab es "Lug und Trug", klagt der Grauhaarige. Denn Tests und Messergebnisse seien so lange verändert worden, bis der Motor der Italiener gesiegt habe und in das Auto eingebaut worden sei. "Die haben ihren Vorteil immer wieder mit ihrer Schlitzohrigkeit durchzudrücken versucht."

Internationale Zusammenarbeit sind die beiden gewohnt - etwa mit Schweden, Amerikanern und Japanern. Doch das mit den Italienern habe halt nicht geklappt, sagen sie. Die Motoren-Experten finden das schade, denn den Fiat-Ingenieuren bescheinigen sie, dass diese "sehr kompetent" gewesen seien. Aber sie seien auch "autoritätshörig". Dass bei einer Übernahme von Opel durch Fiat diesmal alles besser würde als früher, das glauben die Opelaner nicht.

"Das war damals ja nur ein Gemeinschaftsunternehmen. Wenn Fiat hier der Boss wird, dann wird alles nur noch schlimmer", sagt der Dunkelhaarige. Eine Kollegin der beiden kommt ins Zimmer, hört sich kurz an, über was gesprochen wird, und sagt: "Auf Arbeitsebene vor Ort hat das mit Fiat funktioniert. Alles andere war kritisch."

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Bei Fiat in Italien verbindet sich mit der Opel-Partnerschaft immer auch die Erinnerung an die härtesten Jahre der jüngeren Firmengeschichte. John Smith, der Präsident der Opel-Mutter General Motors (GM), rief die Allianz zwischen GM und Fiat im März 2000 als "formidable Union zwischen zwei der ältesten Unternehmen der Welt" ins Leben. Doch diese Union mündete direkt im Überlebenskampf des italienischen Automobilherstellers.

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Und die Zusammenarbeit mit GM und Opel lief auch nicht glatt, das sehen die Fiat-Mitarbeiter genauso wie ihre Opel-Kollegen. "Unter einem Dach in Trennung lebende Ehepartner"- so charakterisierte Giorgio Airaudo von der Metallgewerkschaft Fiom damals die Liaison. Schon ein Jahr bevor sich Fiat und GM 2005 trennten, konstatierte Airaudo: "Es herrscht der weit verbreitete Eindruck, dass die Beziehung am Ende ist." Die im Jahr 2000 in Aussicht gestellten Einsparungen von zwei Milliarden Euro existierten immer nur auf dem Papier.

Heute winkt Flavia Aiello ab. "Das waren furchtbar schwierige Jahre für Fiat", sagt die Gewerkschaftssekretärin der UILM im Piemont. Beim Turiner Traditionskonzern hätten damals die Nerven blank gelegen. Die Partnerschaft war verbunden mit einem GM-Einstieg bei Fiat. Die Amerikaner erwarben 20 Prozent an dem Konzern und das Vorkaufsrecht für die restlichen 80 Prozent.

Große Unzufriedenheit

Dies schürte "die Angst vor einem Ausstieg der Agnellis", erzählt Aiello. Fiat-Patron Gianni Agnelli war sehr krank, er verstarb und bald darauf auch sein Bruder Umberto. In den Köpfen der Fiat-Beschäftigten drohte die Allianz mit GM so zur Abschiedsvorstellung Italiens in der Autobranche zu werden. "Vorteile der Zusammenarbeit machten sich nicht bemerkbar, daher war die Unzufriedenheit groß", erinnert sich Aiello.

Ein Allianz-Befürworter der ersten Stunde war Giorgio Rossetto. Der UIL-Gewerkschafter aus Turin revidierte sein positives Urteil allerdings später. "Die Wirklichkeit hat die Erwartungen widerlegt. Wir hatten es mit zwei Herstellern von ähnlichen Modellklassen zu tun, die miteinander konkurrierten statt sich zu integrieren", sagt Rossetto. Paradoxe Züge habe die Kooperation angenommen, etwa als die Italiener den Dieselmotor Jtd entwickelt hatten "und Opel ihn ein Jahr früher in seine Modelle eingebaut hat als Fiat", berichtet er.

Doch anders als in Deutschland rufen Fiats Verhandlungen zur Übernahme von Opel nun nicht vor allem die schlechten Erinnerungen wach. "Das ist heute eine Chance für beide Seiten", sagt Gewerkschafterin Aiello. Eine Fusion würde schließlich die europäische Autoindustrie stärken. Auch der Gewerkschafter Bruno Vitali findet: "Wenn Fiat zum zweitgrößten Autohersteller der Welt aufsteigt, ist das eine gute Sache."

Unvorstellbare Zustände in Turin

Das sieht man in Rüsselsheim anders: Im Internationalen Technischen Entwicklungszentrum (Itez) von Opel sitzt ein Mann am Computer. Zahlenkolonnen und Kurven stehen auf dem Bildschirm. Mit Fiat hatte der Entwickler seinerzeit nichts zu tun. Aber: "Ich habe von Kollegen von Zuständen in Turin gehört, die man sich nicht vorstellen kann", sagt er und schüttelt den Kopf.

Für viele bei Opel, auch bei den Plattform-Entwicklern, sei das eine "große Belastung" gewesen. Er sei froh, sagt er, da nicht dabei gewesen zu sein. Das sei ihm alles so negativ erschienen. "Da habe ich dann irgendwann abgeschaltet, wenn diese Geschichten erzählt wurden."

Aus Sicht von vielen Opel-Mitarbeitern war die Fiat-Liaison also ein grandioses Missverständnis, das in einer zerrütteten Beziehung endete. Dies ist auch der Grund, weshalb der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz sagt: "Die Erfahrungen aus der ersten Ehe sind nicht die Grundlage, um erneut zu heiraten." Fiat als Opel-Investor ist für ihn ein "Horror-Szenario".

Der elegant gekleidete Mittfünfziger, der während der ersten Ehe in den oberen Opel-Etagen mitmischte, kennt die Erfahrungen der Entwickler und Ingenieure mit Fiat. Aber der Mann im Zwirn erklärt: "Das sind alles alte Geschichten. Opel muss schauen, dass das Unternehmen eine Zukunft hat." An eine Liebesheirat zwischen den Rüsselsheimern und den Turinern glaubt er allerdings nicht. Zum Abschied sagt er: "Wenn Fiat bei Opel einsteigt, sitzen eindeutig die Italiener an den Hebeln der Macht. Gut, dass ich da nicht mehr dabei bin."

© SZ vom 20./21.05.2009/kaf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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