Opel: Debatten um Investor Magna:Heiße Reifen

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Vor der Opel-Übernahme durch Magna wächst die Kritik: Die Risiken sind groß - denn die künftige Rolle des Zulieferers ist nicht klar definiert.

Thomas Fromm

Siegfried Wolf gehört zu jenen Menschen, die die Dinge so einfach erklären können, dass man sie anschließend für selbstverständlich hält. Auch wenn sie beim zweiten Hinsehen vielleicht gar nicht so einfach und selbstverständlich sind. Zum Beispiel vor ein paar Tagen im russischen Nischni Nowgorod, am Standort des künftigen Opel-Partners Gaz. Da sagte der Co-Chef des österreichisch-kanadischen Autozulieferers Magna, Gaz habe "beachtliche Erfolge bei der Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit seiner Produkte erzielt". Ein Ort wie geschaffen für die Opel-Fertigung.

Das Lob konnte verwundern. Die heimischen Autobauer Avtovaz und Gaz liegen am Boden, Zehntausende Arbeiter werden entlassen. Und nicht wenige Kritiker glauben, dass Magna gemeinsam mit der russischen Sberbank Opel nur übernimmt, um den Konzern technologisch auszuschlachten. Zum Wohle Russlands. Aber so ist es mit Wolf: Er braucht wenige Worte, um Fragen so zu beantworten, dass sie danach eine ganze Weile nicht mehr gestellt werden.

Das war auch Mitte September so, als Wolf in Frankfurt gefragt wurde, wie er mit dem Interessenskonflikt umgehen will, demnächst als Zulieferer und als Autoproduzent am Markt aufzutreten. Wolf weiß, dass dies ein großes Problem ist für seine Kunden, und er hätte sich bei dieser unbequemen Frage aus der Affäre stottern können. Stattdessen aber antwortete er souverän und eloquent. Kundengeheimnisse blieben bewahrt, da beide Unternehmensbereiche ja "undurchlässig" gemacht würden. "Magna lügt nicht", sagt er, wenn er etwas klarstellen will. Wolf ist der ideale Magna-Chef in einem Spiel, in dem es noch immer mehr Fragen als Antworten gibt.

Zulieferer rechnen mit Absatzeinbruch

Wochen und Monate hatte der Zulieferer zusammen mit der russischen Sberbank für den 55-Prozent-Anteil an Opel gekämpft. Und die Staatshilfen von 4,5 Milliarden Euro, die mit dem Deal fließen werden. In der nächsten Woche soll der Kaufvertrag unter Dach und Fach gebracht werden. Magna plant langfristig: Beim Absatz rechnen die Zulieferer in diesem Jahr mit einem Einbruch auf nur noch 1,16 Millionen Fahrzeuge - nach 1,55 Millionen Einheiten 2008. Von 2010 an soll der Opel-Absatz dann wieder steigen. Man könnte sagen: Er muss steigen. Denn sollte Magnas Wette auf Opels Zukunft nicht aufgehen, könnte der Deal dem drittgrößten Zulieferer der Welt am Ende das Genick brechen.

Schon im vergangenen Jahr brach der Gewinn des 1957 gegründeten Konzerns von 663 Millionen Dollar auf 71 Millionen ein. Der Konzern, der sich selbst als der am "stärksten diversifizierte Autozulieferer der Welt" bezeichnet, hat wie alle anderen auch massive Probleme, in der Autokrise seine Komponenten an die Hersteller zu bringen. Da hilft es wenig, 247 Produktionsstätten in 25 Ländern auf fünf Kontinenten zu haben. Die Autokrise ist global. Allein in den USA gingen zuletzt 85 Prozent des Geschäfts auf das Konto der drei Großen GM, Chrysler und Ford. Jeder Absatzeinbruch schlägt sofort voll durch. In den USA, in Europa, in Asien.

Gerade deshalb schmerzen die Drohungen einiger Großkunden besonders. Bislang war Magna vor allem Autozulieferer. Für einige Kunden baut er auch fertige Fahrzeuge am Groß-Standort Graz, unter anderem für Mercedes, Chrysler und Saab. Mit Opel nun tritt Magna selbst als Produzent auf. Es war voraussehbar, dass die Kunden Sturm laufen würden.

Sie befürchten, dass ihr Zulieferer Insiderkenntnisse wettbewerbsverzerrend einsetzen könnte. Fiat will künftig keine Fahrzeuge seiner Autotochter Chrysler mehr von Magna bauen lassen. Porsche könnte die für 2012 geplante Fertigung des Boxsters stornieren. "Wir mögen es nicht, wenn aus unseren Zulieferern plötzlich Konkurrenten werden", drohte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch jüngst. Anstatt bei Magna in Graz könnte der Porsche nun bei Karmann in Osnabrück vom Band gehen.

Entscheidende Fragen

Eine der unbequemsten Fragen, welche die Magna-Führung daher quälen dürfte: Was, wenn tatsächlich viele Großkunden aus der Autoindustrie dem Konzern den Rücken kehren und sich neue Zulieferer suchen; gleichzeitig aber das neue Geschäft mit Opel-Autos nicht in Gang kommt? Wie lange würde Magna einen solchen Zwei-Fronten-Krieg überstehen? "Eigentlich müsste sich Magna schnell entscheiden", sagt der Vorstand eines großen europäischen Autoherstellers. " Wollen sie Zulieferer bleiben oder Autohersteller werden? Beides dürfte langfristig nicht funktionieren." Worum es bei den Ängsten der Kunden auch geht: Sie fürchten, dass ihre technologische Expertise über den Umweg Opel/Magna nach Russland geleitet wird.

Den Anfang macht eine General-Motors-Fabrik in St. Petersburg, wo neue Astra-Modelle billig hergestellt werden sollen. Und Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin lässt seit Monaten keinen Zweifel daran, worum es bei Opel geht: Der Hersteller soll vor allem die marode russische Autobranche anschieben. Das könnte gut für Opel sein. Muss aber nicht.

Magna-Co-Chef Siegfried Wolf mag in diesen Tagen oft an eine der Grundregeln der Autozulieferei denken. Jenes Axiom, wonach man als Zulieferer nur so erfolgreich sein kann wie die Kunden, die man beliefert. Und er wird überlegen, was all das bedeutet, wenn man beide Parts spielt. Den des Zulieferers UND den des Herstellers.

© SZ vom 10.10.2009/gits - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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