Oettinger zum Energiestreit:"Atomkonzerne müssen zahlen"

Im Streit mit der Atomwirtschaft bekommt die Bundesregierung Rückendeckung von EU-Kommissar Oettinger: Als Gegenleistung für Laufzeitverlängerungen müssten die Konzerne einen Großteil ihrer Gewinne abgeben.

C. Gammelin und C. Hulverscheidt

Im Konflikt um die Zukunft der deutschen Atomwirtschaft erhält die Bundesregierung Rückendeckung von der EU-Kommission. Energiekommissar Günther Oettinger sagte der Süddeutschen Zeitung, die Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall müssten als Gegenleistung für eine Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten einen Großteil der dadurch entstehenden Gewinne an den Staat abführen. Führende deutsche Manager warnten hingegen davor, die Atomindustrie mit zu hohen Energiesteuern zu belasten.

Nebel um Atomkraftwerk soll Anschlag verhindern

Streit um den richtigen Weg: Atomlobby und Regierung sind sich uneinig über Steuern für die Betreiber von Kernkraftwerken.

(Foto: dpa)

Oettinger sagte, er halte bei den Atommeilern eine Abschöpfung der Zusatzgewinne von "mindestens 50 Prozent für angemessen". Schließlich seien die Kraftwerke steuerlich längst abgeschrieben, was sie besonders rentabel mache.

Der Kommissar warf der Bundesregierung allerdings vor, über die Atomdebatte andere zentrale Energieprojekte zu vernachlässigen. Deutschland sei auch anderweitig gefordert, etwa bei internationalen Großvorhaben wie dem Solarstromprojekt Desertec. Es sieht vor, langfristig Sonnenstrom aus der Wüste Nordafrikas nach Europa zu transportieren.

Atomlobby setzt Merkel unter Druck

Gut einen Monat vor der Veröffentlichung des Energiekonzepts der Koalition verstärkte die Atomlobby zum Wochenende den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel. In einer ganzseitigen Anzeige, die auch in der Samstagsausgabe der SZ erscheint, machen mehr als 40 Manager und Prominente Front gegen Merkels Plan, eine Brennelementesteuer oder eine andere Kernkraftabgabe einzuführen.

Zu den Unterzeichnern zählen Vorstandsvorsitzende der Atomindustrie und anderer Konzerne. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat sich beteiligt, ebenso die ehemaligen SPD-Minister Wolfgang Clement und Otto Schily sowie DFB-Manager Oliver Bierhoff. "Eine Politik, die darauf setzt, den Haushalt mit neuen Energiesteuern zu sanieren, blockiert die notwendigen Investitionen in die Zukunft", heißt es in der Anzeige. Ein vorzeitiger Ausstieg aus der Kernenergie würde zudem "Kapital in Milliardenhöhe vernichten - zulasten der Umwelt, der Volkswirtschaft und der Menschen in unserem Land".

Regierung streitet weiter

Im Umfeld der Unterzeichner war von einem "Schuss vor den Bug" der Regierung die Rede. Merkel selbst reagierte jedoch demonstrativ gelassen auf die Anzeige. So wie sich die Kernkraftgegner öffentlich äußerten, sei auch der Appell der Befürworter "ein vollkommen erlaubter Diskussionsbeitrag", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. In Regierungskreisen hieß es, von einem "Aufstand der Wirtschaft gegen Merkels gesamte Wirtschaftspolitik" könne keine Rede sein, weil die einzelnen Unterzeichner unterschiedliche Motive hätten.

Regierungsintern ging derweil der Streit über die Verwendung der Atomabgabe weiter. Seibert machte deutlich, dass die veranschlagten Einnahmen aus der Brennelementesteuer in Höhe von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr in vollem Umfang zur Haushaltssanierung verwendet würden - egal, auf welchem Wege das Geld am Ende an den Staat fließe.

Das Umweltministerium erklärte daraufhin, zusätzlich zu der Steuer müsse eine zweite Abgabe erhoben werden. Mit den Einnahmen solle der Ausbau erneuerbarer Energien weiter gefördert werden. Eine zweite Abgabe lehnen mehrere andere Ministerien ab.

Das Interview mit Günther Oettinger im Wortlaut lesen Sie in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung.

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