Norwegischer Staatsfonds:Öl für Moral

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Debatte um norwegischen Staatsfonds: Eine Statfjord A-Ölplattform vor der Küste Norwegens (Foto: ag.dpa)

Dank seines Ölreichtums hat Norwegen mit 650 Milliarden Euro den weltweit finanzstärksten Staatsfonds. Das Geld soll nur in ethisch korrekte Anlagen fließen - doch was das bedeutet, muss in Krisenzeiten neu diskutiert werden.

Von Silke Bigalke, Oslo

Der Eingang ist unscheinbar, man läuft fast daran vorbei: Zwei Stahltüren in der Bankplassen 2 im Zentrum von Oslo. Es ist die Adresse der norwegischen Zentralbank und des größten Staatsfonds der Welt. Von hier aus verwaltet Yngve Slyngstad den etwa 5460 Milliarden norwegische Kronen schweren Fonds, umgerechnet sind das 650 Milliarden Euro. Sein Job macht ihn zu einem der mächtigsten Männer der Welt, das US-Magazin Forbes setzte ihn zuletzt auf Platz 70 dieses Rankings.

Auch jetzt schaut man auf Slyngstad - wegen der Milliarden, die der Fonds in Russland angelegt hat. Norwegen gehört nicht der EU an. Außenminister Børge Brende hat sich jedoch dafür ausgesprochen, den europäischen Sanktionen gegen Moskau zu folgen. Welche Auswirkungen das auf sein Portfolio hätte, darüber möchte Slyngstad nicht sprechen. Der Fonds halte sich jederzeit an die Gesetze und Regeln, die für ihn maßgeblich sind - mehr erfährt man nicht.

Der Fonds ist nicht dafür gedacht, Politik zu machen. Seine Milliarden sollen die Norweger versorgen, wenn ihr natürlicher Reichtum erschöpft ist: das Öl in der Nordsee. Deswegen heißt er auch Pensions- oder Ölfonds. Öl hat das Land so reich gemacht, dass jeder Norweger mittlerweile Millionär wäre - wenn man den Wert des Ölfonds in norwegischen Kronen auf die etwas mehr als fünf Millionen Einwohner aufteilen würde. Doch vor dem Öl war es ein armes Land von Fischern und Bauern. Vielleicht spart es deswegen so diszipliniert: Vier Prozent der Erträge des Fonds darf die Regierung ausgeben, der Rest wird angelegt.

Beteiligungen an mehr als 8000 Firmen

Eine große Verantwortung für den 52-Jährigen, von dem man nicht viel mehr weiß als dass er Jura in Oslo, Wirtschaft in Kalifornien und Politik in Paris studiert hat. Slyngstad antwortet nicht auf persönliche Fragen, und auf alle anderen nur sehr bedacht und leise. Er flüstert fast: "Wir halten uns grundsätzlich aus der politischen Diskussion heraus", sagt er etwa zur Debatte über den Ethikrat. Diesen wollte Finanzministerin Siv Jensen als unabhängiges Gremium abschaffen, Prozesse vereinfachen. Der Rat soll dafür sorgen, dass der Fonds nur in moralisch korrekte Anlagen investiert. Wenn er Unternehmen für die schwarze Liste vorschlägt, auf der bereits Namen wie EADS und Boeing, Philip Morris und Walmart stehen, erregt das weltweit Aufmerksamkeit. Jensen war für ihren Vorschlag daher viel kritisiert worden. Der Ethikrat bleibt nun.

In Zukunft soll der Fonds und nicht das Ministerium über seine Vorschläge entscheiden. "Die Arbeit des Ethikrats ist nicht weit entfernt von dem, was wir sowieso tun", sagt Slyngstad dazu. Es ist fast ein Politikum, wenn der Fonds gezielt nicht investiert - denn eigentlich investiert er in fast alles. Zum Jahresende war er an 8213 Firmen beteiligt. Als Slyngstad Anfang 2008 die Leitung übernahm waren es etwa ein Drittel so viele. Seither hat er das Risiko erhöht, durch einen höheren Anteil an Beteiligungen und Aktien, mehr kleineren Firmen, Investitionen in Ländern wie Oman, Jordanien und Kenia. Zuletzt sind Immobilien als Anlage dazu gekommen.

Ausgeschlossen sind per Parlamentsentscheid Tabakprodukte und Waffen. Derzeit wird diskutiert, ob man wegen des Klimawandels auch aus der Öl- und Kohlegewinnung aussteigt - eine wichtige Frage für Norwegen als großem Ölproduzent. "Öl ist eine wesentliche Investition für uns", sagt Slyngstad. "Die öffentliche Diskussion in Norwegen hat sich bisher vor allem darum gedreht, dass wir wirtschaftlich dem Öl in der Nordsee bereits ausgesetzt sind und warum wir uns dem Öl dann auch noch an der Börse aussetzen sollten."

Neben dem Ethikrat schließt der Fonds auch selbst Unternehmen aus. Dafür gehe er systematisch durch spezielle Industrien mit besonderen umweltpolitischen Herausforderungen, so Slyngstad. "Wo diese sehr groß sind, haben wir uns von bestimmten Unternehmen zurückgezogen." Zum Beispiel investiert er nicht in die Palmölproduktion in Malaysia und Indonesien, in einige Kohle- und Goldminen.

Ziel ist nicht "eine norwegische Weltsicht zu verbreiten"

Allein die Androhung des mächtigen Investors, Geld aus einer Firma abzuziehen, kann Druck auf deren Politik erzeugen - auch wenn Slyngstad betont, dass man die Unternehmen unterstützen wolle. Er schaut dabei jedoch auf das große Ganze: "Wenn die Aktionen eines Unternehmens die der anderen einschränken, müssen wir auf die gemeinsame Profitabilität der gesamten Geschäftswelt achten", sagt er. Auf drei Dinge achtet er besonders: Klimawandel, Wasserverschmutzung, und die Rechte von Kindern. "Es ist nicht unser Ziel in Oslo zu sitzen und eine norwegische Weltsicht zu verbreiten", sagt Slyngstad. Es geht ihm um allgemein anerkannte Prinzipien.

Wenn er mit einem Vorstand die Rechte von Kindern diskutiert, wird dieser kaum widersprechen. "Aber unsere Frage ist: Habt ihr in der Praxis tatsächlich überwacht, dass sie auch in der gesamten Organisation, für die ihr verantwortlich seid, ausgeführt werden?" Er möchte mehr Transparenz von den Unternehmen, die diese Fragen in ihre Geschäftsberichte aufnehmen sollen. "Denn dann beginnen sie, Auswirkungen zu messen. Sie messen zum Beispiel den Verbrauch von Wasser, oder den Grad der Wasserverschmutzung, den sie verursachen. Das führt hoffentlich dazu, dass sie ihre Geschäftspraxis ändern."

© SZ vom 08.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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