Neue EU-Kraftstoffstrategie:Kommission fordert Hunderttausende Ladestationen für Elektroautos

Lesezeit: 2 min

Ladestationen für Elektroautos sind noch immer rar.  (Foto: dpa)

Die EU hat eine Strategie für alternative Kraftstoffe ersonnen - samt neuen Tankstellen. Denn an denen mangelt es. Am Donnerstag will Brüssel das Papier veröffentlichen, die Eckpunkte liegen der SZ vor. Mit dieser neuen Kraftstoffstrategie soll das Henne-Ei-Problem der alternativen Kraftstoffe gelöst werden.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, Cerstin Gammelin, Brüssel, und Markus Balser

Was es so schwer macht, vom Öl wegzukommen? Richtig: die Tankstelle. Tankstellen finden sich an jeder größeren Straße und selbst auf dem Dorf, sie gehören zur Autobahn wie der Pannenstreifen.

Mit Ladestationen für Elektroautos sieht das schon anders aus, ebenso bei Zapfsäulen für komprimiertes Erdgas - es ist das Henne-Ei-Problem der alternativen Kraftstoffe. "Im Augenblick gibt es da einen Teufelskreis", heißt es in einem Papier der EU-Kommission, das an diesem Donnerstag veröffentlicht werden soll. Niemand investiere in eine neue Infrastruktur, weil die nötigen Fahrzeuge fehlen. Keiner kaufe die Fahrzeuge, weil die Infrastruktur fehle. Und weil es damit an Nachfrage mangele, gebe es für Hersteller auch wenig Anreiz, die neue Technologie voranzubringen. So bleibt alles beim alten Erdöl - zumindest bisher.

Denn mit einer neuen Kraftstoffstrategie will die EU-Kommission den Teufelskreis durchbrechen. An diesem Donnerstag will Brüssel die Strategie öffentlich machen, die Eckpunkte liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Danach soll überall in Europa in den nächsten Jahren die nötige Infrastruktur entstehen, um den neuen Antrieben und Kraftstoffen zum Durchbruch zu verhelfen. Allein in Deutschland sollen demnach bis 2020 rund 150.000 öffentlich zugängliche Ladestationen zur Verfügung stehen - derzeit sind es gut 2000. Italien käme demnach auf 125.000 Stationen, Frankreich auf 97.000. Europaweit könnten Besitzer von Elektroautos damit, würde die Strategie der Kommission befolgt, an einer halben Million öffentlicher Orte ihr Fahrzeug am Stromnetz aufladen.

Wie genau die Stationen aussehen sollen, lässt die Kommission offen. So experimentieren Stromversorger wie RWE mit eigenen Elektro-Zapfsäulen. Eine Berliner Firma entwickelt derzeit aber auch ein System, mit dem Straßenlaternen zu Stromspendern am Straßenrand werden könnten. Immerhin einen ersten Standard will Brüssel an diesem Donnerstag festlegen: den des Steckers. Der in Deutschland bereits verwandte "Typ 2" solle europaweit zur Norm werden, heißt es in dem Papier.

Auch für Erdgas hätte die EU gerne eine neue Infrastruktur. So schlägt die Kommission spezielle Tankstellen für flüssiges Erdgas vor, wie es vor allem Lastwagen verwenden. Bislang gibt es europaweit ganze 38 dieser Tankstellen. Bis 2020 dagegen sollen "entlang den Straßen des Kernnetzes des transeuropäischen Straßennetzes" alle 400 Kilometer entsprechende Zapfsäulen entstehen. So könnten Spediteure künftig mit Erdgas von Helsinki nach Palermo fahren. Für Schiffe soll es ein vergleichbares Netz künftig in allen großen See- und Binnenhäfen geben. Nicht anders auch beim komprimierten Erdgas, das für Autos interessant ist. Derzeit gibt es in der EU eine Million Autos, die damit fahren - aber eine überschaubare Zahl von Tankstellen. Das neue Ziel der EU: Mindestens alle 150 Kilometer soll eine entstehen.

Motivation für den Vorstoß gibt es genügend. Die herkömmlichen Motoren belasten nicht nur das Klima, sondern häufig auch die Atemluft. Und nach Einschätzung der EU läuft der Kontinent nicht nur auf ein ökologisches, sondern auch auf ein ökonomisches Problem zu: die wachsende Abhängigkeit von fossilen und immer teureren Ressourcen. So hänge der Transport in Europa bislang zu 94 Prozent vom Öl ab. Doch 84 Prozent dieses Erdöls würden teuer importiert, schreiben die Experten der Kommission. "Es ist klar, dass die EU ihre Energie-Ressourcen diversifizieren muss", heißt es in dem Papier weiter.

MeinungElektroautos in Deutschland
:So wird das nichts

Auch wenn die Autoindustrie es anders sieht: Das Elektroauto ist eine gute Idee. Doch bei dem ehrgeizigen Projekt, mehr Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, gibt es Probleme. Die Unternehmen arbeiten nicht genug zusammen, der Staat tut zu wenig. Dabei steht für Deutschland viel auf dem Spiel.

Karl-Heinz Büschemann

Eine Einsicht, die auch der deutschen Bundesregierung nicht fremd ist: Sie werkelt seit Monaten in Expertenrunden und öffentlichen Konsultationen an einer eigenen Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie. Bis zum Frühjahr soll das Kabinett sie beschlossen haben. Sie werde zeigen, "welchen Beitrag der Verkehr zur Energiewende liefern kann", heißt es im Bundesverkehrsministerium. Ohnehin kommt in der Strategie der EU-Kommission nun vieles auf Mitgliedstaaten und Wirtschaft zu: Denn bezahlen soll die neue Infrastruktur zunächst einmal der Privatsektor. Dazu reichten "Vorschriften auf lokaler Ebene", heißt es in dem Papier. Schließlich gehe es für Europas Wirtschaft um wachsende Märkte weltweit.

© SZ vom 24.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: