Netzausbau:Telekom wirft Konkurrenz vor, schnelleres Internet zu behindern

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Konzernchef Timotheus "Tim" Höttges auf der Telekom-Hauptversammlung. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Kritik entgegnet man am besten mit Kritik. Das weiß auch Telekom-Chef Tim Höttges. Mit anderen Betreibern ist er sich nur in einer Sache einig.

Von Varinia Bernau

Tim Höttges fläzt auf einem Sofa, ein Tablet in der Hand. Er schaut damit nach, welche Fernsehsendung gerade die meisten Menschen interessiert. Dann schaltet er sich in den Vorgarten eines vernetzten Musterhauses, um nachzusehen, ob dort auch alles in Ordnung ist. So demonstriert der Chef der Deutschen Telekom seinen Aktionären die schöne neue digitale Welt.

Aber ist Deutschland dafür wirklich gerüstet? Derzeit tobt ein heftiger Streit über das sogenannte Vectoring. Mit der Technologie lassen sich die alten Kupferleitungen aufbessern. Das ist schneller und billiger, als neue Glasfaserkabel zu verlegen. Allerdings kann dabei nur ein Unternehmen die Hoheit über wichtige Verteilstationen im Netz haben. Sonst kommt es zu Störungen. Die Telekom hat von der Bundesnetzagentur die Genehmigung zum Einsatz von Vectoring erhalten - auch, weil sich nur so das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel halten lässt, bis 2018 alle deutschen Haushalte mit Internetanschlüssen mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) zu versorgen.

Höttges reagiert mit Kritik auf Kritik

Kritiker fürchten aber, dass nun ausgerechnet jene Wettbewerber behindert werden, die sich zuletzt beim Ausbau des Glasfasernetzes ins Zeug gelegt haben. Kupferkabel gelten ihnen als eine veraltete Technologie, die Zukunft gehöre der Glasfaser. Die Europäische Kommission hat sich deshalb die von der Bundesnetzagentur erteilte Genehmigung zu einer vertieften Prüfung vorgenommen.

Nun nutzt Telekom-Chef Höttges die Hauptversammlung, um sich dieser Kritik zu stellen - und seinerseits mit scharfen Worten seine Wettbewerber auf Versäumnisse hinzuweisen. "Jammern baut kein Netz", schmettert er ihnen von der Bühne in Köln entgegen. "Besser investieren als kritisieren."

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Die Deutsche Telekom fühlt sich für das schnelle Netz verantwortlich

Auch wenn Kabelnetzbetreiber wie 1&1, Unity Media oder das inzwischen zu Vodafone gehörende Kabel Deutschland zuletzt Marktanteile gewonnen haben, ist die Deutsche Telekom noch immer der größte Internetanbieter im Land. Mehr als 40 Prozent der Deutschen haben einen Internetanschluss bei dem einstigen Staatskonzern. Damit wächst auch die Verantwortung bei der Versorgung mit einem schnellen Netz.

Höttges ist sich dieser Verantwortung bewusst. "Deutschland braucht schnelle Netze. Und zwar heute und nicht morgen", betont er - und bekommt dafür viel Applaus.

Das Netz der Zukunft, da ist sich der Telekom-Chef mit seinen Kritikern einig, basiere auf Glasfaser. Aber es gehe bei diesem Netz um viel mehr als die Frage, wie schnell Daten hin- und hergeschickt werden.

Es gehe auch um Zuverlässigkeit, um den Wechsel zwischen Mobilfunk und Festnetz und um schnelle Reaktionszeiten. Nur so sei es möglich, selbstfahrende Autos auf deutsche Straßen zu schicken, Aufzüge zu warten, ehe sie ausfallen - oder mit Sensoren, die auf dem Feld zeigen, ob genug Regen fällt und wann die Ernte reif ist, Bauern die Arbeit zu erleichtern.

Höttges nervt, dass die Debatte um den Netzausbau darauf reduziert wird, ob es nun Glasfaser oder Kupferkabel sein soll. Und es nervt ihn, dass sein Konzern als Blockierer dasteht, obwohl er so viel für den Netzausbau tue wie kein anderer.

"Kein Unternehmen in Deutschland hat mehr Glasfaser verlegt als wir", sagt Höttges. Derzeit habe die Telekom 400 000 Kilometer Glasfaser verlegt, der nächstgrößte Wettbewerber komme gerade einmal auf 50 000 Kilometer. "Kein Unternehmen investiert so viel wie wir: mehr als vier Milliarden Euro im vergangenen Jahr." Und in diesem Jahr plane das Unternehmen, die Investitionen noch einmal aufzustocken.

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Kein Geben und Nehmen

Alle deutschen Haushalte ans Glasfasernetz anzuschließen, darin sind sich alle einig, wird teuer - und es dauert. Auch deshalb setzt die Telekom auf einen Technologiemix. "Es gibt keine guten oder schlechten Technologien", betont er. "Es gibt versorgte und nicht versorgte Gebiete."

Der Wettbewerb, schimpfte Höttges, habe groteske Züge angenommen. Die Rivalen jammerten in einer Tour. "Mal haben wir angeblich die falsche Technik, dann ist der Ausbau angeblich zu langsam. Aber sobald wir ausbauen, nehmen genau diese Kritiker sofort unser Netz." Das liege auch daran, dass für den einstigen Staatskonzern noch immer strengere Regeln gelten als für die Wettbewerber. So muss er seine Netze auch Wettbewerbern gegen Miete zur Verfügung stellen. Er habe höchsten Respekt vor lokalen Anbietern, die ein eigenes Netz aufbauen, sagte Höttges. "Aber ich habe wenig Respekt vor denen, die nichts investieren und ihre Gewinne auf fremden Netzen einstreichen."

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Die Wettbewerber reagierten schnell

Die Antwort der Wettbewerber auf Höttges Schelte ließ nicht lange auf sich warten: Die beiden Verbände BREKO und VATM, in dem sich nahezu alle Telekom-Konkurrenten fürs Festnetz zusammengeschlossen haben, verschickten eine gemeinsame Erklärung. Darin betonten die Geschäftsführer der beiden Verbände, Stephan Albers und Jürgen Grützner: "Ohne das Engagement der alternativen Netzbetreiber wird der flächendeckende, direkte Glasfaserausbau in Deutschland nicht gelingen. Das weiß auch Timotheus Höttges sehr genau." Denn die Glasfaser bis zum Gebäude oder sogar bis hinein in die Wohnung, die verlegten zumeist die kleineren Netzbetreiber. All die Kilometer an verlegter Glasfaser, auf die die Telekom verweise, sei nämlich nur die halbe Geschichte. Das letzte Ende der Leitungen bis zum Kunden sei dann doch ein getuntes Kupferkabel.

"Anders als die Telekom versuchen wir - wo immer es wirtschaftlich möglich ist - die Glasfaser gleich bis ins Haus zu legen", betonte BREKO-Chef Albers. Die Wettbewerber fürchten, dass sich diese Investitionen in Zukunft kaum noch rechnen, wenn die Telekom dank der Genehmigung der Vectoring-Technologie dort mit deutlich günstigeren Internetanschlüssen um Kunden werben kann. Höttges hingegen hatte auf der Hauptversammlung sein Unverständnis darüber bekundet, dass die EU-Kommission sich diese Genehmigung nun genauer ansehen will - und so der dringend notwendige Netzausbau zulasten der Kunden um Monate hinausgezögert wird.

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