Nebenwirkungen:Antibabypillen von Bayer unter Verdacht

Nebenwirkungen: "Es geht uns nicht um den Schadenersatz. Wir wollen andere Frauen ermutigen, an die Öffentlichkeit zu gehen.", sagt Kathrin Weigele.

"Es geht uns nicht um den Schadenersatz. Wir wollen andere Frauen ermutigen, an die Öffentlichkeit zu gehen.", sagt Kathrin Weigele.

(Foto: oh)
  • Mehrere Frauen klagen gegen den Bayer-Konzern wegen von ihm vertriebener Antibabypillen - betroffen sind Präparate wie Yasmin, Yasminelle, Yaz, Aida und Petibelle.
  • Der Konzern spricht von Einzelfällen. Dabei haben die Risiken der Pillen auch bereits außerhalb Deutschlands für Aufsehen gesorgt. In den USA hat Bayer bereits 1,9 Milliarden Dollar Entschädigungen gezahlt, aber sich dennoch keine Schuld eingestanden.
  • Zudem steht ein weiteres Produkt der Firma in der Kritik.

Von Helga Einecke

Kathrin Weigele, 33, gibt nicht auf. Zusammen mit ihrer Mitstreiterin Felicitas Rohrer wird sie sich an diesem Mittwoch wieder einmal bei der Hauptversammlung der Bayer AG zu Wort melden - es ist bereits ihr sechster Auftritt. Wieder wird es um die gesundheitlichen Gefahren gehen, die mit der Einnahme von Antibabypillen mit dem Wirkstoff Drospirenon verbunden sind, Antibabypillen, die Bayer verkauft. Weigele, Rohrer und sieben weitere Betroffene haben Klagen gegen den Konzern eingereicht - aber eine gerichtliche Auseinandersetzung zu den Fällen lässt auf sich warten.

In Regensburg bildet sich Weigele zur Logopädin aus. Ihr großer Traum, Juristin zu werden, ist geplatzt. Denn kurz vor dem Examen erlitt sie 2006 eine lebensbedrohliche Lungenembolie, für sie eindeutig die Folge der Einnahme der Antibabypille von Bayer. Nun ist sie lebenslang auf Blutverdünner angewiesen, gerät schnell außer Atem und war rein körperlich nicht in der Lage, das juristische Examen durchzustehen. Die Angst vor einer weiteren Embolie verlässt sie nicht. "Man lebt mit einer Grundangst", sagt sie. Umso wütender wird Weigele, wenn sie an den vermuteten Verursacher ihrer prekären Lebensumstände denkt - die Bayer AG. Denn in Leverkusen bleibt man in Sachen Antibabypille hart. "Wir gehen nach wie vor von einem positiven Risiko-Nutzen-Profil aus", lautet die regelmäßige Antwort auf die Vorbehalte gegen drospirenonhaltige Pillen. Weigele, Rohrer und die Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter werden als Einzelfälle bezeichnet.

"Es geht uns nicht um Schadensersatz"

Davon kann deshalb keine Rede sein, weil die Risiken für Thrombosen und Embolien von Pillen mit den Namen Yasmin, Yasminelle, Yaz, Aida und Petibelle auch in anderen Ländern Wellen schlagen. In den USA hat Bayer Entschädigungen in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar gezahlt, kein Pappenstiel. Doch diese Entschädigungen waren nicht mit einem Schuldeingeständnis verbunden, und so läuft der Verkauf weiter. Mit Antibabypillen erzielte der Pharmakonzern 2014 einen Umsatz von 768 Millionen Euro, früher waren es mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. Die sinkenden Umsätze hängen weniger mit den Klagen als mit auslaufenden Patenten zusammen.

Weigeles größter Wunsch wäre es, dass es zum Prozess kommt. "Es geht uns nicht um den Schadenersatz", sagt sie. Das erlittene Leid könne ohnehin nicht wieder gut gemacht werden. Sondern: "Wir wollen ein Statement setzen und andere Frauen ermutigen, an die Öffentlichkeit zu gehen." Das Ziel ist, dass Bayer die Präparate vom Markt nimmt.

Erin Brockovich gegen Bayer

Der anhaltende Protest lässt Bayer-Chef Marijn Dekkers nicht kalt. "Sorge bereitet mir die wachsende Anzahl kritischer Stakeholder, deren Ansichten und Forderungen eher auf Emotionen und Glaubenssätzen gründen als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen", schrieb er an die Aktionäre in diesem Frühjahr. Dabei geht es nicht nur um die Pille. Ein weiteres Bayer-Produkt, die Sterilisierungsspirale Essure, sorgt in den USA für Aufsehen. Erin Brockovich, deren erfolgreicher Kampf gegen den Energieriesen Pacific Gas and Electric Company mit Julia Roberts verfilmt wurde, unterstützt die Essure-Opfer. Sie sammelt Unterschriften, hat eine Homepage eingerichtet, tritt in Talkshows auf.

Dekkers und Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning müssen sich also weiter auf protestierende Frauen aus Europa und Übersee einstellen. 2014 kam es zu einem Eklat, als einer Rednerin das Mikrofon abgedreht wurde, weil sie Englisch redete. Die Sprache der Hauptversammlung aber ist Deutsch, auch wenn Bayer selbst weltweit mit dem Slogan "Science for a better life" wirbt.

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