Nahaufnahme:Der Vermittler

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"Schauen Sie sich doch die katastrophalen Bedingungen an, unter denen chinesische Firmen in Italien produzieren." Khawaja Murtaza Mashooqullah. (Foto: oh)

Khawaja Murtaza Mashooqullah versorgt internationale Modemarken mit Textilien. Einige scheren sich einen Dreck um die Produktionsbedingungen.

Von Caspar Dohmen

Lebhaft erinnert sich Khawaja Murtaza Mashooqullah, 58, an das Leben im Haus seines Großvater, den "letzten Prinzen von Dhaka" nennt er ihn. Maler und Schriftsteller seien ebenso wie Bittsteller ein und ausgegangen. Ständig sei die Familie von Dienern umsorgt worden. Das feudale Leben endete mit der Abspaltung Bangladeschs von Pakistan. Seine Eltern flohen in den Kriegswirren 1971 mit den Kindern nach Pakistan. Die Familie ließ sich in Karachi nieder, in der Industriemetropole am Arabischen Meer gehe es etwas toleranter zu als in großen Teilen des Landes. Sein Vater hing bis zum Tod an dem royalistischen Lebensstil, erzählt der Sohn. Seine Mutter habe den Kindern jedoch von Anfang an klar gemacht, dass damit Schluss sei, schon weil das Geld dafür fehlte. 14 Jahre alt war Khawaja Murtaza Mashooqullaher da.

So wurde aus ihm ein Unternehmer. Sein Name erschien ihm allerdings zu kompliziert für das Geldverdienen. "Nennen sie mich Mr. Monty", sagt er beim Kennenlernen. Monty stieg in das Geschäft mit Textilien ein, das hat eine lange Tradition in Pakistan, weil dort auch der Rohstoff wächst, die Baumwolle. Monty produzierte Heimtextilien, vor allem Handtücher. Zu seinen ersten Abnehmern gehörte in den Achtzigerjahren das Versandhaus Quelle. Die Fabrikation gab er vor zehn Jahren auf.

Heute will er weder eine Fabrik betreiben noch sich an einer beteiligen. Vor allem zwei Dinge schrecken ihn ab: korrupte Beamte und die Kontrakter. Auf diese Vermittler seien Produzenten angewiesen um genügend Arbeiter zu finden. Sieben Kontrakter habe er zuletzt in seiner Fabrik gehabt, sie sprachen verschiedene Sprachen und hatten einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund. Wenn es in ihrem Dorf Probleme gab, blieben sie und ihre Arbeiter von einem auf den anderen Tag weg, und "die Produktion stand still". 2005 hatte Monty genug davon.

Der Branche ist er treu geblieben. Heute betreibt er gemeinsam mit seinem Bruder die Firma Synergies Worldwide. Sie vermittelt Geschäfte zwischen Textilfabriken aus Pakistan, Bangladesch, China und Indien mit internationalen Marken wie Zara, Mango oder US-Polo. 500 Leute beschäftigen die Brüder. Für die Kunden überwacht die Firma auch, ob die Qualität der Waren stimmt. Dafür gibt es eigene Labore. Die Kunden schauten heute genauer hin. "Die Zeit, wo sich der Chefeinkäufer eines großen deutschen Einzelhändlers in Karachi in einer Suite einmietet und dort die Fabrikvertreter empfängt, ohne einen Schritt in deren Werk zu setzen, sind vorbei." Schwere Fabrikunglücke haben die Öffentlichkeit für die Ausbeutung von Menschen in den Textilfabriken in Asien sensibilisiert. Allein in Rana Plaza starben mehr als 1130 Menschen, in Karachi kamen bei dem Brand der Fabrik Ali Enterprises 259 Menschen um. Trotzdem seien vielen internationalen Firmen die Produktionsbedingungen immer noch gleichgültig. Auch renommierte Marken kümmere es einen Dreck, wer wie produziere, "einzig der Preis zählt". Miserable Zustände seien jedoch nicht nur in Asien ein Problem, sondern längst auch in Europa. "Schauen Sie sich doch die katastrophalen Bedingungen an, unter denen chinesische Firmen in Italien produzieren - und der Staat dort schaut weg," sagt Monty kopfschüttelnd.

Mashooqullaher ist viel in der Welt unterwegs, kehrt aber gern nach Karachi zurück. Er liebt die wuchernde Stadt trotz der Gewalt und des religiösen Fanatismus', manches Viertel beherrschen die Taliban. Monty kennt die Orte, an denen sich gut leben lässt, wie das italienische Restaurant, wo man Wein zum Essen mitbringen kann, der sonst öffentlich nicht ausgeschenkt werden darf. Und er steuert auch selbst seinen Wagen, einen 13 Jahre alten Mercedes, dorthin.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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