Nahaufnahme:Ärger im Steuerparadies

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Benito Wheatley ist Diplomat und vertritt die Britischen Jungferninseln in der EU. Kein leichter Job: Der Karibikstaat steht wegen vieler Briefkastenfirmen in der Kritik.

Von Björn Finke

Hinter ihm, an der Wand des Besprechungszimmers, hängt eine Landkarte mit den mehr als 60 Inseln, die seinen Staat ausmachen. Benito Wheatley antwortet langsam und wohlgesetzt: "Die Veröffentlichung der Panama Papers hat viele Fragen aufgeworfen: bei uns und im Ausland. Damit musste sich auch unser Büro beschäftigen." Der 39-Jährige leitet das London Office der Britischen Jungferninseln. Dieses Büro, untergebracht in einem altehrwürdigen Gebäude im teuren Stadtteil Mayfair, ist die Vertretung des winzigen Karibikstaates im Mutterland Großbritannien sowie für die EU.

Die Panama Papers bescherten dem britischen Überseegebiet mit seinen etwa 30 000 Insulanern unerfreuliche Schlagzeilen. Die Süddeutsche Zeitung und andere Medien werteten interne Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca aus und publizierten die Ergebnisse im April. Die Kanzlei ist darauf spezialisiert, Briefkastenfirmen zu eröffnen, und am liebsten machte sie das auf den Jungferninseln, wie die Dokumente zeigen. Mithilfe solcher Briefkastenfirmen können Reiche aus aller Welt verschleiern, welche Aktienpakete oder Bankkonten ihnen gehören. Das ist attraktiv - auch für Verbrecher, korrupte Potentaten und Steuerhinterzieher.

Die Inselgruppe, die Wheatley in London vertritt, erhebt keine Steuern auf Gewinne oder Einkommen. Zudem können sich die wahren Besitzer der Briefkastenfirmen hinter Vertretern verstecken, die von den Anwaltskanzleien eingesetzt werden. Diplomat Wheatley bestreitet jedoch, dass die Regeln zu lax seien. Der Absolvent der London School of Economics zählt lieber die vielen Regierungen und internationalen Organisationen auf, die den Jungferninseln bescheinigen, Standards für Transparenz zu genügen und mit ausländischen Finanzämtern zusammenzuarbeiten.

Stellten Ermittlungsbehörden aus dem Ausland Anfragen, würden diese beantwortet. Von kommendem Sommer an sei das sogar "innerhalb von 24 Stunden" möglich - dank eines Internetportals für solche Auskunftsersuchen, das gerade entwickelt wird. Die Behörden der Jungferninseln würden nicht nur die Namen der offiziellen Vertreter der Briefkastenfirmen herausrücken, sondern auch die der tatsächlichen Eigner, beteuert Wheatley.

In dem Überseegebiet, das ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung hat, sind 430 000 Firmen registriert. Die Gebühren dafür machen 60 Prozent der Staatseinnahmen aus. Das Geld, das dieser umstrittene Wirtschaftszweig bringt, habe die Lebensverhältnisse in den vergangenen Jahrzehnten "sehr stark verbessert", sagt der Politologe, der das Elf-Mann-Büro in London seit 2014 leitet. Zuvor war er dort stellvertretender Chef. Früher hatte Wheatley bei einer Finanzaufsichts-Behörde in Washington gearbeitet.

Die Inseln erfüllten eine wichtige Rolle in der Weltwirtschaft, sagt er. Als britisches Überseegebiet böten sie politische Stabilität und Rechtssicherheit: etwas, das in manchen Schwellenländern fehle. Wer in solchen Ländern investieren wolle, lasse das gerne über eine Gesellschaft auf den Jungferninseln laufen, erläutert Wheatley. Das liefere dem Unternehmer die nötige Rechtssicherheit - und "den Schwellenländern die Investitionen, die diese brauchen". Asiaten sind die bedeutendste Kundengruppe der Inseln; sie stehen für 40 Prozent der Firmenanmeldungen.

Allerdings schrecken die Enthüllungen der Panama Papers offenbar manche Reichen ab. Im zweiten Quartal 2016 wurden fast 40 Prozent weniger Unternehmen registriert als im Vorjahreszeitraum: lediglich 6767. Sieht so aus, als müsste Botschafter Wheatley noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten.

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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