Nach der Trennung:Allein erziehen, nur wie?

Social Projects Address Needs Of Struggling Families

Plötzlich allein: Es vergehen viele Monate, bis sich die Väter oder Mütter in der neuen Situation zurechtfinden. Finanzielle Hilfe gibt es von Behörden.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Wie das Kind ernähren, wo wohnen, wie leben? Wenn sich Eltern trennen, muss plötzlich vieles geklärt und geregelt werden. Der bürokratische Aufwand ist enorm.

Von Hanna Maier

Sophie hatte nicht erwartet, dass Verantwortung so schwer wiegen kann. "Es ist besser, wenn wir uns trennen", hat er gesagt. Und: "Ich liebe dich nicht mehr." "Dann nehme ich das Kind mit", erwiderte sie in heller Panik. Und so verabschiedeten sie sich voneinander, und von der Idee einer Bilderbuchfamilie.

Sophie ist Studentin, ihr Ex auch. Plötzlich stellen sich viele Fragen: Wie soll sie ein Kind ernähren, wo wohnen, wie leben? Sie gehört nun zu den 30 Prozent der Alleinerziehenden, die monatlich weniger als 1300 Euro Netto zur Verfügung haben.

Sophie fühlt sich gestrandet, hat Angst vor der Zukunft. Doch die Trennung lässt wenig Zeit für Gefühle, sie muss organisieren, funktionieren. Es gilt, vor allem drei Dinge zu klären: die Frage der Wohnung, des Geldes und des Umgangs.

Hartz IV statt Studium?

"Wenn es gut läuft, vergeht ein halbes Jahr, bis sich der neue Lebensabschnitt als alleinerziehender Elternteil eingerichtet hat", sagt Sabine Kamola. Sie arbeitet beim Münchner Verband alleinerziehender Mütter und Väter, dem VAMV. Hier landen viele nach der Trennung, weil sie rechtliche oder psychosoziale Beratung benötigen.

Sophie will auf jeden Fall ausziehen, geht zum Jobcenter. Das erlaubt ihr, noch sechs Monate in der eigentlich zu teuren Wohnung zu bleiben, bis sie eine passende gefunden hat. Die Kommunen legen maximale Wohnungsgrößen und Mietobergrenzen fest, also beschränkt sich die Suche.

Kurz überlegt sie, ob sie das Studium unterbrechen soll und Hartz IV beziehen. Dann hätte sie eine Verschnaufpause und könnte ihr Leben erst einmal sortieren. In jedem Fall hat sie Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung. Doch dann hat sie Glück und findet eine andere Alleinerziehende, mit der sie zusammen in eine Wohnung zieht. Weil Sophie doch kein Arbeitslosengeld II beziehen möchte, stellt sie einen Antrag auf Wohngeld. Dafür muss sie alle Einkünfte und Ersparnisse beim Wohnungsamt offenlegen. Sophie erhält Wohngeld für sich und den Sohn. Der erste Schritt ins neue Leben ist gemacht.

Zwanzig Prozent aller Familien bestehen aus nur einem Elternteil mit Kind oder Kindern

"Alleinerziehende empfinden diese Familienform als Prozess und als Phase", schreibt das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Laut Mikrozensus von 2013 leben 2,7 Millionen Menschen alleinerziehend in Deutschland. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Knapp zwanzig Prozent aller Familien bestehen aus nur einem Elternteil mit Kind oder Kindern, 90 Prozent davon sind Frauen. Sophie gehört nun zu einer großen gesellschaftlichen Gruppe.

Der Umzug ist geschafft, die Grundsicherung steht, das Kind geht in die Krippe. Die Kosten übernimmt die wirtschaftliche Jugendhilfe, das musste Sophie früh beantragen. Es dauerte vier Monate, bis sie die Kindergartenbeiträge zurückbekam.

Sendepause zwischen den Eltern

Zwischen dem Ex-Freund und ihr ist bis auf sporadischen Kontakt Sendepause. Er wohnt jetzt in einer anderen Stadt. Eigentlich ist Sophie froh darüber, doch sie weiß nicht, wie sie mit ihm über den Unterhalt sprechen soll. Sie befürchtet, dass dann alte Wunden aufreißen. Offenbar muss auch der Ex sich erst mal sammeln, sonst würde er ja zahlen. Doch Verständnis hilft jetzt nichts, den Unterhalt benötigt Sophie dringend.

Ihr wird geraten, Unterhaltsvorschuss zu beantragen und gleichzeitig eine Beistandschaft einzurichten. Der große Vorteil ist, dass damit alles, was mit Geld zu tun hat, nicht mehr über ihren Schreibtisch läuft. Stattdessen fordert und verhandelt die Beistandschaft mit dem Ex. Kann der nicht zahlen, übernimmt das Jugendamt anteilig die Unterhaltszahlungen. Vorläufig, später muss er zurückzahlen.

Unterhaltsvorschuss gibt es nur 72 Monate, und das auch nur bis zum zwölften Lebensjahr

Der Nachteil ist, dass das Kind den Unterhaltsvorschuss nur 72 Monate bekommt, und das auch nur bis zum zwölften Lebensjahr. Die Zahlungen können unterbrochen werden, wenn sie gerade nicht so nötig sind. Wenn der Ex sich bis dahin aus dem Staub gemacht hat oder nicht gut genug verdient, enden die Unterhaltsvorschuss-Zahlungen trotzdem. Dann müsste Sophie das Geld einklagen, schlimmstenfalls wird der Ex dann gepfändet.

Kann der Vater zahlen, richtet sich die Summe nach der Düsseldorfer Tabelle. Im Fall von Sophies Sohn wären das 317 Euro. Im Vergleich zu den 133 Euro Unterhaltsvorschuss ist das viel. Da der Staat den Unterhalt vorschießt, verrechnet er die Summe mit dem Kindergeld. Das wird schon als staatlicher Unterhalt gewertet. 133 und 184 Euro Kindergeld ergeben zusammen genau 317 Euro. Wenn Sophie arbeitet, kann sie sich in die Lohnsteuerklasse zwei einstufen lassen; diese Steuerklasse ist extra für Alleinerziehende mit Kind eingerichtet worden. Sie können einen Entlastungsbetrag von 1308 Euro pro Jahr von der Summer ihres Einkommens abziehen, wenn zum Haushalt mindestens ein Kind gehört.

Der VAMV ist nicht nur eine Beratungsstelle, sondern auch die bundesweite Lobby-Vereinigung der Alleinerziehenden. Man kennt dort die schwierige Lage von Alleinerziehenden, doch ohne Druckmittel ist auch die größte Lobby schwach. "Es wird sehr viel gefordert, aber wenig gefördert", sagt Kamola, und meint damit vor allem die finanzielle Dimension. Etwa 40 Prozent der Alleinerziehenden und ihre Kinder beziehen staatliche Hilfen, über eine Million Bürger. Dabei arbeiten Alleinerziehende überdurchschnittlich oft, und das auch als Vollzeitkräfte.

Der VAMV ist der Ansicht, dass gegen die Alltagslasten und die Abhängigkeit der Alleinerziehenden von staatlichem Geld zu wenig getan wird. Kritisiert wird beispielsweise, dass die Unterhaltszahlungen an das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Oder die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsvorschusses und dessen Verrechnung mit dem Kindergeld.

Einzig der Umgang funktioniert nicht

An die Anträge gewöhnt man sich, sagt Sophie, die Trennung ist nun ein halbes Jahr her. Alle wichtigen Unterlagen, Geburtsurkunde, Einkünfte, hat sie in dreifacher Kopie abgeheftet. Das wenige Geld vom Unterhaltsvorschuss langt auch irgendwie. Was jedoch nicht so gut funktioniert, ist die Sache mit dem Umgang. Sie hasst dieses Wort. Der Vater kommt sporadisch aus der anderen Stadt, um sein Kind zu sehen. Für Sophie ist es schwierig, zu ihm zu reisen. Bei beiden hat das finanzielle Gründe.

Sophies Ex hat gleichermaßen das Recht und die Pflicht, die Beziehung zu seinem Sohn zu pflegen. Schließlich haben sie sich für das gemeinsame Sorgerecht entschieden. Aber sie wird ihm das Kind nicht hinterherfahren. Bis Sophie das alles geregelt hatte und in die Tat umsetzen konnte, knallten Telefonhörer. "Den Verhandlungen um die Besuchszeiten sind die meisten Eltern am längsten ausgesetzt", sagt Kamola. Es ist oft bitter, nach einer Trennung noch engen Kontakt halten und Absprachen treffen zu müssen. Trotzdem: "Eltern sollten Beratungsstellen aufsuchen, wenn es mit der Kommunikation gar nicht mehr klappt. Allein der Versuch kann schon Heilung bringen."

Die Weichen für einen guten Umgang mit der Trennung werden im ersten Jahr gelegt. Kinder erleben diese Phase immer mit - egal, in welchem Alter es passiert. Statt Konflikte und Emotionen zu verstecken, sollten sie zugelassen werden. So, dass sie nachvollziehbar werden. Eltern müssen aber abgegrenzte Verhandlungsräume schaffen, in die das Kind nicht vordringt.

Sophie und ihr Exfreund sind in einer Gesprächsberatung. Hier kommen auch diejenigen hin, die sich bis vors Gericht zerstreiten. Die meisten Familiengerichte wollen vor allem eines erreichen: Kommunikation zwischen den Eltern, zum Wohl des Kindes.

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