Nach Abgasaffäre:Jetzt packt der erste VW-Mann aus

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Für VW wird es in den USA nun auch strafrechtlich erstmals richtig ernst. (Foto: dpa)
  • Der 62-jährige Ingenieur L. hat sich im Abgasskandal schuldig bekannt und den US-Behörden seine Zusammenarbeit zugesagt.
  • Damit erreicht nicht nur der Skandal an sich eine neue Dimension - auch für das Top-Management des Konzerns dürfte es nun ungemütlich werden.

Von Claus Hulverscheidt, New York

  • Im Skandal um manipulierte Diesel-Abgastests wird es für den Volkswagen-Konzern nun auch strafrechtlich ernst. Wie das US-Justizministerium am Freitagabend mitteilte, bekannte sich ein langjähriger VW-Angestellter schuldig, direkt an der Entwicklung und dem Einbau einer Betrugssoftware in die Abgassteuerungsanlage mehrere Pkw-Modelle beteiligt gewesen zu sein.

James L. räumte demnach ein, Teil einer fast zehn Jahre währenden Verschwörung gewesen zu sein mit dem Ziel, die Kunden sowie die Umwelt- und die Kfz-Zulassungsbehörden hinters Licht zu führen. Fortan wolle L. das Ministerium jedoch bei dessen weiteren Ermittlungen unterstützen. Wird er schuldig gesprochen, droht ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.

Der Druck auf das VW-Management steigt nun immens

Mit dem Schuldbekenntnis und der Einleitung des ersten Strafverfahrens gegen einen Mitarbeiter erreicht der Abgasskandal für Volkswagen nicht nur eine neue Dimension, vielmehr steigt auch der Druck auf das frühere wie das aktuelle Top-Management. In dem anstehenden Verfahren gegen L. vor einem Gericht in Detroit dürfte es neben dessen persönlicher Verantwortung vor allem um die Frage gehen, welche Vorgesetzten bis hinauf zum ehemaligen Konzernchef Martin Winterkorn von den Tricksereien wussten und ob der Einbau der Betrugssoftware von oben angeordnet war. Die VW-Führung hat sich bisher darauf zurückgezogen, dass eine kleine Gruppe von Ingenieuren die Tricksereien allein ausgetüftelt hat. Die Manager selbst wussten angeblich nichts von den Vorgängen, was amerikanische US-Ermittler bezweifeln.

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Die Ermittler haben offenbar Beweise dafür, dass VW im Abgasskandal "kriminelles Verhalten" gezeigt hat. Es geht erneut um Milliarden.

Der Konzern hatte vor knapp einem Jahr gegenüber den US-Behörden einräumen müssen, die Kunden und die zuständigen Ämter jahrelang über den tatsächlichen Schadstoffausstoß seiner Diesel-Pkw belogen zu haben. Weil es den VW-Ingenieuren nicht gelungen war, die strengen Emissionsvorschriften in vielen Ländern und die Kostenvorgaben der Firmenleitung gleichzeitig einzuhalten, hatten sie eine Software entwickelt, die dafür sorgte, dass die Motoren bei amtlichen Tests drastisch weniger Stickoxide ausstießen als später auf der Straße. Weltweit sind elf Millionen Wagen betroffen.

Allein in den USA hat VW bereits einem Vergleich mit den Kunden zugestimmt, der das Unternehmen bis zu 15 Milliarden Dollar für Entschädigungen, Rückkäufe und Reparaturen kosten könnte. Alle bisherigen gerichtlichen Vereinbarungen waren jedoch zivilrechtlicher Natur gewesen und drehten sich allein um die Verantwortung des Unternehmens. Mit dem geständigen Ingenieur ziehen die Behörden nun erstmals eine konkrete Person auch strafrechtlich zur Verantwortung.

Kooperiert er, könnte L. Gefängnis erspart bleiben

L.s Name war bereits in einer Klageschrift aufgetaucht, die der New Yorker Generalstaatsanwalts Eric Schneiderman im Juli dieses Jahres bei einem Gericht in seinem Bundesstaat eingereicht hatte. Demnach gehörte L. bereits 2006 zu einer Gruppe von Ingenieuren am VW-Stammsitz in Wolfsburg, die "direkt an der Entwicklung der defeat device" - also der Betrugssoftware - beteiligt war. Insgesamt wird L. in der 90-seitigen Klageschrift sechs Mal erwähnt. Daneben werden zahlreiche weitere Namen genannt.

Der 62-Jährige L., der deutscher Staatsbürger ist, arbeitet seit 1983 für Volkswagen. 2008 wechselte er dem Vernehmen zur Konzerntochter Volkswagen Group of America, wo er Schneiderman zufolge für Abgasmessungen und Softwareentwicklung verantwortlich war. Nachdem die kalifornische Umweltbehörde CARB VW auf die Schliche gekommen war, beauftragten seine Chefs L. in den Jahren 2014 und 2015 damit, in Oxnard nordwestlich von Los Angeles Emissionstests durchzuführen. Diese sollten offiziell beweisen, dass VW keinerlei Betrugssoftware einsetzt, dienten aber wohl tatsächlich dazu, die Manipulationen weiter zu verschleiern.

L. werden Betrug sowie Verstöße gegen die US-Umweltgesetze zur Last gelegt. Sollte er wesentlich zur Aufklärung des Falls und zum Auffinden weiterer Tatbeteiligter beitragen, könnte ihm am Ende das Gefängnis erspart bleiben. Die Strafanzeige gegen ihn datiert bereits vom 1. Juni, wurde aber erst jetzt im Zuge der Einigung mit den Behörden öffentlich gemacht. VW wollte sich nicht zu dem Fall äußern.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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