Musik: Rockkonzerte:Total gaga

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Dutzende Trucks, Hunderte Angestellte - aber nur drei Konzerte: Musik-Stars betreiben einen gigantischen Aufwand und machen sich zugleich rar. Veranstalter verknappen die Auftritte, denn das bringt viel mehr Geld.

Kristina Läsker

Wer Paul McCartney einmal live auf der Bühne erleben wollte, hatte im letzten Jahr eher Pech. Zumindest, wenn er im Süden des Landes lebt. Zu ganzen vier Konzerten hat sich der britische Sänger 2009 hierzulande bequemt. In Hamburg, Berlin und Köln. Fans aus München oder Stuttgart mussten schon eine längere Reise unternehmen, um den Ex-Beatle zu hören.

Musikstars wie Lady Gaga machen sich rar: Sie treten innerhalb eines Landes nur noch in wenigen Städten auf. (Foto: AP)

Was nach Einzelschicksal klingt, ist längst ein unschöner Trend. In Deutschland sind Veranstalter dazu übergegangen, die Auftritte von Superstars wie Tina Turner, Bruce Springsteen, AC/DC oder Madonna künstlich zu verknappen. "Früher sind die Künstler auf Tourneen bei zehn Konzerten und mehr aufgetreten", meint Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft. "Heute geben sie noch zwei bis drei Konzerte und ein Zusatzkonzert."

Schuld daran sei die Sorge um die Rendite: Veranstalter wie Marek Liebermann oder Deag Deutsche Entertainment reagieren auf rückläufige Besucherzahlen, indem sie die Zahl der Auftritte ausdünnen. Statt sich in der Krise zu amüsieren, waren die Deutschen im Abschwung lieber daheimgeblieben und besuchten weniger Konzerte, Lesungen oder Musicals. Die Zahl der Besucher schrumpfte 2009 um sechs Prozent auf 30,7 Millionen. Das ergab die jährliche Umfrage des Veranstalterverbands.

Gigantischer Aufwand

Mit den Stubenhockern bleiben auch die Umsätze weg: Seit 2008 ist ein Fünftel der Erlöse weggebrochen. 2009 setzte die Branche nur noch 3,2 Milliarden Euro um.

Doch auch den Künstlern komme es zupass, sich rarzumachen und mit einigen wenigen Konzerten gute Gagen zu verdienen, meint Stefan Zarges, Chefredakteur der Zeitschrift Musikmarkt. Früher seien Bands auf Tournee gegangen, um Platten und CDs zu vermarkten. Heute sei es umgekehrt. "Künstler verkaufen weniger Tonträger und wollen mehr Geld mit Konzerten verdienen", sagt Zarges. Die Folge: Die Superstars touren mit gigantischem Aufwand. "Die Stars reisen heute mit 20 bis 30 langen Trucks durch die Lande mit 100 bis 200 Angestellten", sagt Verbandschef Michow.

Doch das kann teuer kommen: Wer - wie zuletzt Lady Gaga - auch mal vor halbleeren Rängen spielt, hat schnell ein Problem. Damit sinkt der Wille, für ein zusätzliches Konzert in einer mittelgroßen Stadt ins Risiko zu gehen.

Noch rangeln Veranstalter und Künstler darum, wer dafür künftig finanziell gerade steht. Eines ist klar: Am Markt lassen sich höhere Ticketpreise und damit mehr Umsätze derzeit kaum durchsetzen. Seit drei Jahren kostet eine Eintrittskarte laut Umfrage im Schnitt etwa 30 Euro - und das wird sich auch so schnell nicht ändern, meint Michow. Weder Veranstalter noch die großen Musiklabels samt ihrer Künstler wollen es schließlich riskieren, dass noch mehr Fans wegbleiben.

Eine Strategie hat sich die Musikindustrie schon ausgedacht, um im verschärften Wettbewerb mit den Veranstaltern zu bestehen: Sie steigt, wie zuletzt Sony, einfach selbst in das Konzertgeschäft ein und organisiert Auftritte. Auch deutsche Bands wie die Fantastischen Vier machen das längst so und betreiben eine eigene Konzertagentur.

Ausbaden werden diese Streits aber auch künftig die Fans. Etwa, wenn sie weit in die Metropole reisen müssen, um den verehrten Star live zu erleben. "Wir werden irgendwann französische Verhältnisse haben", prophezeit Verbandspräsident Michow. "Da finden fast alle Konzerte in Paris statt."

© SZ vom 05.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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