Mode:"Es gibt kein Happy End"

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Gerade noch Kult, jetzt vor dem Ende: die Marke American Apparel. (Foto: Saul Loeb/AFP)
  • Im November hatte die kalifornische Klamottenkette schon zum zweiten Mal einen Antrag auf Gläubigerschutz gestellt.
  • Der kanadische Wäschehersteller Gildan Activewear übernimmt für 88 Millionen Dollar die Markenrechte und die Produktionsanlagen und kauft das Inventar auf.

Von Kathrin Werner und Michael Kläsgen, New York/München

Der Laden in Brooklyn hat Probleme mit der Beleuchtung, seit Jahren schon. Erst leuchtete nur "merican Apparel", dann "rican Appe". Bald leuchtet gar nichts mehr. Der Laden wird Ende April schließen, so wie alle 110 American-Apparel-Geschäfte im Land. Im November hatte die kalifornische Klamottenkette bei einem Gericht im Bundesstaat Delaware einen Antrag auf Gläubigerschutz gestellt, schon zum zweiten Mal. Nun hat der kanadische Wäschehersteller Gildan Activewear für 88 Millionen Dollar die Markenrechte und die Produktionsanlagen übernommen und das Inventar aufgekauft. Die Läden werde man nicht weiterführen. 3400 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.

In Deutschland arbeiten noch maximal 90 Leute für die Marke. Auch sie stehen vor dem Aus. Womöglich werden alle Läden schließen. Insolvenz hat die Kette in Deutschland bereits angemeldet, am Montagnachmittag sollte eine entscheidende Sitzung mit Geschäftsführung, Insolvenzverwalter und Betriebsrat stattfinden, die aber kurzfristig vertagt wurde. Die Hoffnungen der verbliebenen Beschäftigten richten sich jetzt auf Gilden aus Kanada. Der Wäschehersteller hat bislang keinerlei Interesse an Europa signalisiert. Aber noch ist offiziell nicht entschieden, ob und wie viele Läden schließen werden. Europa-Geschäftsführerin Sarah Haith äußerte sich auf Anfrage nicht dazu, ob die Marke in Europa und Deutschland ganz oder nur zum größten Teil abgewickelt wird.

Nach Deutschland gelangen keine Kleidungsstücke mehr

In den USA hatte American Apparel schon vor dem Jahreswechsel zahlreiche Geschäfte geschlossen, ebenfalls nahezu alle in Großbritannien. Der längst entmachtete Gründer Dov Charney, Auslöser von Sexskandalen in der Firma, hatte im September in einem Interview gesagt: "Die Firma ist tot. Verloren. Sie kommt nie zurück. Sie wird nicht auferstehen. Es gibt kein Happy End. Sie haben sie zerstört." Er hat recht behalten.

Charney hatte das Unternehmen 1997 gegründet und später mit Skandalen um Sex und den Umgang mit Firmengeld in die Schlagzeilen gebracht. "Ich bin ein dreckiger Typ, aber die Leute mögen das", sagte er mal. Im Herbst 2014, nach einer Vielzahl von Klagen wegen sexueller Belästigung, musste er gehen, überzog die Firma mit Klagen und forderte 40 Millionen Dollar Entschädigung. Bei den Kunden kam das nicht gut an - außerdem entsprach schlichte, aber teure Kleidung nicht mehr dem Geschmack der Massen, auch nicht in Deutschland.

Dort gab es mal 20 Stores, jetzt sind es noch sieben. Die Mitarbeiterzahl schrumpfte entsprechend. Wie viele aktuell noch für die Marke arbeiten, weiß selbst der Betriebsratsvorsitzende Patric Reisige nicht zu sagen. Denn wer gehen kann, der geht. In München sei die Fluchtbewegung besonders extrem, sagte er. Keiner soll eine Abfindung erhalten haben. Aus der Insolvenzmasse zahlte American Apparel hingegen, so wie es in Deutschland vorgeschrieben ist, zuletzt noch Lohn und Gehalt. Eine Befürchtung der Mitarbeiter in Deutschland bestätigte sich aber: Dass die Läden langsam ausgeblutet werden sollen. So gilt der Lieferstopp, den American Apparel Ende vergangenen Jahres verhängte, bis heute. Aus den USA, wo die Kette ausschließlich fertigt, kommen seit November keine Kleidungsstücke mehr in Deutschland an. Dass die Kette dennoch über Weihnachten öffnen konnte, war dem Insolvenzverwalter Wolf-R. von der Fecht zu verdanken. Er hatte in Lagerhallen noch Restbestände aufgetan und sie aufgekauft.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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