Mobilfunk:Warum Vodafone in Deutschland in der Krise steckt

Vodafone Düsseldorf

Umsätze und Gewinne sinken: Deutschland ist der zweitwichtigste Markt für Vodafone - und seit Jahren in der Krise.

(Foto: dpa)
  • Überraschend ist der Deutschland-Chef von Vodafone, Jens Schulte-Bockum, zurückgetreten.
  • Vodafone hat seit Jahren Probleme in Deutschland: Die Umsätze sinken, der Konkurrent Telekom hat das bessere Netz.
  • Die Erwartungen der Konzernzentrale in London konnte Schulte-Bockum nie erfüllen.

Von Varinia Bernau

Jens Schulte-Bockum, 48, ist gebürtiger Westfale. Dass er später fast zehn Jahre in Hamburg gelebt hat, dort also, wo man sich ebenfalls eher zurückhaltend gibt, macht es nicht besser. Seine Worte wählt Schulte-Bockum somit sorgfältig. Zumeist garniert er sie noch mit ein paar Begriffen aus dem Wortschatz eines glatt geschliffenen Managers.

Auch an diesem Dienstagmorgen, an dem er für viele völlig überraschend seinen Rückzug von der Spitze der deutschen Tochter des britischen Mobilfunkkonzerns Vodafone mitteilt. Ihm sei dieser Abschied nach zwölf Jahren im Unternehmen nicht leichtgefallen, schreibt Schulte-Bockum in einer Mail an Kollegen. "In den vergangenen Monaten wurde mir jedoch zunehmend klar, dass ich meinen Kurs der nachhaltigen Verbesserung des Unternehmens nicht umfassend umsetzen kann." Um 10.01 Uhr drückt er auf "Senden".

Das letzte Wort hat die Zentrale in London

Nachhaltige Verbesserung? Nicht umfassend umzusetzen? Das war eine wenig verblümte Umschreibung für die Frustration, die sich bei Schulte-Bockum in den vergangenen zweieinhalb Jahren, die er auf dem Posten saß, eingestellt haben dürfte. Darüber, dass die Zahlen, so sehr er sich auch abmühte, nicht wirklich besser wurden. Und wohl auch darüber, dass, so sehr er sich auch mit eigenen Ideen einbrachte, das letzte Wort stets die Manager in der Konzernzentrale im fernen London hatten.

Alleine 32 Millionen Mobilfunkkunden hat Vodafone in Deutschland, darunter auch eine ganze Reihe von Geschäftsleuten, bei fast zehn Milliarden Euro liegt der Umsatz. Aber schon lange läuft es nicht mehr gut: Etwa eineinhalb Stunden, bevor der Manager seine Mail abgeschickte, hatte die deutsche Vodafone-Tochter die Zahlen für das abgelaufene Jahr veröffentlicht. Ebenfalls per Mail. Sie zeigen, warum Schulte-Bockum nicht zufrieden sein kann: Der operative Gewinn brach um mehr als ein Zehntel ein - auf 3,4 Milliarden Euro. Schon das vorangegangene Jahr war das schlechteste in der Geschichte der deutschen Vodafone-Gesellschaft. Das lag einerseits an einem schwierigen Markt: Hierzulande nämlich unterbieten sich die Anbieter mit immer neuen Niedrigpreisen, was es schwieriger macht als anderswo, Geld zu verdienen. Aber es lag eben auch an Jens Schulte-Bockum und seinem Management, der sich in diesem schwierigen Markt besonders schwer tat.

Mobilfunk: Jens Schulte-Bockum arbeitete zunächst bei McKinsey. 2003 wechselte er zu Vodafone in London, 2012 wurde er Deutschland-Chef. Er hat vier Töchter.

Jens Schulte-Bockum arbeitete zunächst bei McKinsey. 2003 wechselte er zu Vodafone in London, 2012 wurde er Deutschland-Chef. Er hat vier Töchter.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Deutschland ist eine wichtige Stütze für den Konzern

Ausgerechnet Vodafone, der Anbieter, der aus der milliardenschweren Übernahme des D2-Netzes von Mannesmann-Mobilfunk, die vor 15 Jahren so hohe Wellen schlug, entstanden ist und der wie kein anderer der Deutschen Telekom, dem Ex-Staatskonzern, zugesetzt hatte. Auf einmal war es andersrum. Auf einmal trumpfte die Telekom mit all dem auf, wofür zuvor Vodafone gestanden hatte. Das bessere Netz, die coolere Marke, der freundlichere Kundendienst. Bei den meisten Mitarbeitern stieg der Frust - und der Druck auf Schulte-Bockum wurde größer. Denn auch in anderen Ländern laufen die Geschäfte für Vodafone nicht besser: Der Konzern musste insgesamt im abgelaufenen Jahr sowohl einen sinkenden Umsatz als auch einen schrumpfenden Gewinn verbuchen.

Nur noch Nummer Drei

Gut 15 Jahre es nun her, da legte der damalige Vodafone-Chef Chris Gent viel Milliarden hin, um den deutschen Mobilfunkkonzern Mannesmann/D2 zu übernehmen. Vorausgegangen war eine der heftigsten Übernahmeschlachten der deutschen Wirtschaftsgeschichte, das deutsche Management von Mannesmann wehrte sich und unterlag. Vodafone ist seitdem eine große Nummer in Deutschland und wurde zum ärgsten Konkurrenten der Deutschen Telekom, das Unternehmen war lange erfolgreich und lag zeitweise sogar deutlich vor den Bonnern. Doch zuletzt hatte die Briten in Deutschland das Glück verlassen, es läuft nicht mehr. Erst rutschte Vodafone gegenüber der Telekom ab. Dann fusionierten die beiden kleinen Mobilfunkanbieter O2 und E-Plus und stiegen - zumindest nach der Zahl Kunden gerechnet - zum Marktführer auf. Vodafone ist seitdem nur noch die Nummer Drei. Vor knapp zwei Jahren übernahm Vodafone für knapp elf Milliarden Euro Kabel Deutschland, Deutschlands größten Anbieter von Kabelanschlüssen. Ziel: Gemeinsam sollte der Telekom nun im Festnetzgeschäft Konkurrenz gemacht werden. Mit Erfolg: Der Umsatz von Kabel Deutschland stieg zuletzt deutlich, getrieben von schnellen Internetanschlüssen. Caspar Busse

Die Erwartungen der Briten an Jens Schulte-Bockum und seine insgesamt 14 000 Mitarbeiter sind hoch. Die deutsche Gesellschaft sorgt für etwa ein Fünftel des Konzernumsatzes und ist damit eine besonders wichtige Stütze. Damit sie stabil bleibt, hatte die Zentrale den Deutschen zuletzt auch einiges zugestanden: Im vergangenen Jahren wurden die Investitionen, vor allem in Netze, von 1,3 Milliarden Euro auf 1,9 Milliarden Euro erhöht. Vodafone sicherte sich für knapp elf Milliarden Euro Kabel Deutschland, und damit ein eigenes Festnetz. So kann das Unternehmen auch schnelle Internetanschlüsse anbieten.

Die Zuversicht ist offenbar weg

Schulte-Bockum war zuletzt nicht unumstritten. Schon im März vergangenen Jahres, hieß es, sein Stuhl wackele. Vodafone-Weltchef Vittorio Colao beteuerte damals, an seinem Mann in Deutschland festzuhalten. "Jens stemmt gerade die sehr nötige Wende", sagte der Italiener der SZ, machte aber auch deutlich, dass er hohe Erwartungen an ihn hat. Damals sagte er: "In den wirtschaftlichen Kennzahlen ist das noch nicht ablesbar, aber wir gewinnen wieder, und das Netz wird besser. Ich bin zuversichtlich, dass es aufwärts geht."

Diese Zuversicht ist offenbar weg. Zum Abschied lobte Colao zwar die Leistungen des Mannes, der als sein Wunschkandidat galt - damals, als Vorgänger Friedrich Joussen (heute bei TUI) hingeworfen hatte. Doch Worte des Bedauerns äußerte er nicht. Denn die wirtschaftlichen Kennzahlen, auf die auch andere Manager in London hofften, sie wurden einfach nicht besser. Im Gegenteil: In Deutschland, so teilte Vodafone nun mit, habe man den Umsatzrückgang zwar "weiter eingedämmt". Das sind nur schöne Worte für eine ziemlich hässliche Tatsache: Die Umsätze sinken weiter. Hässlich, weil die Telekom gerade erst ein weiteres Umsatzplus verkünden konnte und selbst Telefónica Deutschland, der Anbieter, der seit der Übernahme von E-Plus hierzulande die meisten Kunden hat, seine Erlöse steigern konnte.

Noch kein Nachfolger benannt

Selbst die Kollegen, mit denen sich Schulte-Bockum das Großraumbüro teilte, waren am Dienstag vom plötzlichen Rückzug des Managers überrascht. Keine Wände, keine Papierberge hatten den Manager im 17. Stock des deutschen Vodafone-Hochhauses in Düsseldorf abgeschirmt. Jens Schulte-Bockum nannte das mal die "Vorstandskommune". Doch den Entschluss zu seinem Rückzug, den hatte er offenbar allein gefasst.

Noch in der vorbereiteten Mitteilung zu den Jahreszahlen steht einer dieser typischen Jens-Schulte-Bockum-Sätze: "In diesem Jahr wollen wir unsere Kunden nachhaltig begeistern." Er selbst wird nicht mehr allzu viel dazu beitragen. Bis Ende Juni, so schrieb der Manager in seiner Mail, werde er den Chefposten abgeben. Es sei an der Zeit, sich Neuem zuzuwenden. Einen Nachfolger gibt es noch nicht.

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