Milliarden-Desaster der BayernLB:Doch nur 75 Millionen Euro veruntreut

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Es ging zunächst um 624 Millionen Euro, jetzt nur noch um 75 Millionen. Ein Gutachten entlastet den alten Vorstand der BayernLB, der bei der Übernahme der Hypo Alpe Adria ein Milliarden-Desaster verursacht hat. Doch den Angeklagten droht weiterhin mächtig Ärger.

Klaus Ott

3,7 Milliarden Euro verzockt, noch dazu Steuermittel, also das Geld der Bürger. Man wollte ja unbedingt in der Champions League mitspielen, angeblich ohne Rücksicht auf Risiken. Und man hat offenbar sogar noch einen Regierungschef bestochen. Was aber gar nicht nötig gewesen wäre. Denn der Deal hätte ohnehin geklappt.

So viel Misswirtschaft, Größenwahn und Dummheit gehört einfach bestraft. Also ab ins Gefängnis mit dem alten Vorstand von Bayerns Landesbank, weil der so blöd war, die skandalumwitterte Hypo Alpe Adria für einen Irrsinnspreis und ohne Garantien zu kaufen. Die Anklage liegt ja längst vor. Nun braucht es nur noch einen Prozess. Und ein hartes Urteil. Das wäre vielen Bürgern recht so. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Der großen Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft gegen acht frühere Vorstände der BayernLB rund um Ex-Chef Werner Schmidt wird wohl kein ganz so großer Prozess folgen. Diese Vermutung legt ein vom Münchner Landgericht eingeholtes Gutachten nahe, das die Grundlage für das weitere Verfahren bildet.

Auf 121 Seiten plus Anlagen befasst sich der Leipziger Finanzprofessor Bernhard Schwetzler mit der Übernahme der österreichischen Hypo Alpe Adria im Frühjahr 2007 durch die Landesbank in München für 1,7 Milliarden Euro. Die Expertise untermauert gerade nicht den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die BayernLB habe beim Kauf der Mehrheitsanteile des Kärntner Finanzinstituts 624 Millionen Euro zu viel bezahlt - und der Vorstand um Schmidt hätte das erkennen können, ja müssen.

Das Gutachten stützt aber eine andere Anschuldigung. Dass nämlich beim späteren Erwerb weiterer Hypo-Aktien 75 Millionen Euro zu viel ausgegeben worden seien.

"Große Anklage, kleiner Prozess"

"Große Anklage, kleiner Prozess", so wird im Kreise der Verteidiger beschrieben, was nach dem Gutachten nun folgen werde. Wobei einigen Angeklagten dann immer noch viel Ärger drohen würde. Wegen Veruntreuung von 75 Millionen Euro sind Manager in anderen Fällen schon ins Gefängnis gewandert. Hinzu kommt der Vorwurf der Korruption. Vorstandschef Schmidt hatte nebenbei ein Fußball-Sponsoring für Kärntens damaligen (inzwischen verstorbenen) Landeshauptmann Jörg Haider in Höhe von fünf Millionen Euro auf den Weg gebracht. Als Gegenleistung für den Hypo-Verkauf. Das soll Bestechung eines Amtsträgers gewesen sein.

Schmidt bestreitet alles, ebenso wie alle anderen sieben Angeklagten. Aber auf ein Gerichtsverfahren wegen der 75 Millionen Euro und der angeblichen Korruption müssen sich einige von ihnen einstellen. So wird die Lage in Anwaltskreisen eingeschätzt. Und Schmidts Nachfolger als Bankchef, Michael Kemmer, muss weiter um seinen Job als Geschäftsführer des deutschen Bankenverbandes bangen. Einen verurteilten Manager als Cheflobbyisten könnte sich das Finanzgewerbe nicht leisten.

Schwetzler stellt in seinem Gutachten darauf ab, dass es vermutlich nicht genüge, den Milliarden-Deal der BayernLB mit der Hypo Alpe Adria "ausschließlich unter finanzwirtschaftlichen Aspekten zu beurteilen". Strategische Überlegungen wie Ausbau und Sicherung der Landesbank, um nicht im Wettbewerb verdrängt zu werden, seien offenbar ein "zentrales Motiv" für den Kauf der Austria-Bank gewesen. Und diese Aspekte seien schwer in Cent und Euro zu bewerten.

Mit anderen Worten: Die damalige Spitze der Landesbank unter Führung des patriarchalisch agierenden Schmidt hat ihre unternehmerische Freiheit mit dem Hypo-Erwerb wohl nicht überschritten. Eine Konzernleitung habe auch die Interessen der Eigentümer zu berücksichtigen, schreibt Schwetzler.

Das weiß-blaue Kabinett von Edmund Stoiber hatte vehement auf eine Expansion der Landesbank gedrängt, um so deren Überleben zu sichern. Der Freistaat Bayern als Heimatmarkt, in dem ohnehin die Sparkassen dominierten, sei auf Dauer zu klein für ein eigenständiges Institut, lautete der Befund der CSU-Regierung. Gutachter Schwetzler verweist passend dazu auf die "strategische Sackgasse" der Staatsbank, über die in der bayerischen Politik diskutiert worden war. Vorteil also für Schmidt & Co.

Andere Passagen in den 121 Seiten dürften den Angeklagten aber noch schwer zu schaffen machen. Die BayernLB hatte nach dem Erwerb von etwas mehr als der Hälfte der Hypo-Aktien im Mai 2007 ein halbes Jahr später weitere Anteile hinzugekauft. 3,33 Prozent für 109 Millionen Euro. Und das in etwa zum gleichen Preis pro Aktie wie beim großen Deal, obwohl sich die Lage des Finanzgewerbes dramatisch verschlechtert hatte.

Übernahme aus mehreren Gründen "kritisch zu beurteilen"

Zwischenzeitlich hatte, wie der Gutachter notiert, die Bankenkrise in den USA auch Deutschland erreicht. Geldinstitute wie die IKB oder die SachsenLB waren in Not geraten. Die Geschäftsaussichten hatten sich "deutlich eingetrübt". Das hätte, so Schwetzler, zum Anlass genommen werden müssen, den Wert der Hypo Alpe Adria neu zu beziffern. Dass dies vor dem Erwerb weiterer Hypo-Anteile offenbar nicht erfolgte, sei aus mehreren Gründen "kritisch zu beurteilen".

Auch deshalb, weil die Kärntner Bank ihre Ziele für 2007 zum Zeitpunkt des Zukaufs schon deutlich verfehlt habe, so der Gutachter. Das wiederum hätte Anlass sein müssen, die Kalkulationen bei der Hypo Alpe Adria für die Folgejahre zu hinterfragen. Hier seien Vorwürfe "gerechtfertigt".

Was nun? Ein Deal zwischen den Hauptangeklagten, Staatsanwaltschaft und Gericht, um einen langen Prozess zu vermeiden? Mit einem Geständnis, mit dem sich Schmidt womöglich vor dem Gefängnis rettet? Patriarch Schmidt hatte die Übernahme der Hypo Alpe Adria wie kein anderer Vorstand betrieben und mit Haider das Fußball-Sponsoring vereinbart; er hat am meisten zu befürchten. Absprachen sind dennoch eher unwahrscheinlich.

Schmidt gilt als "sturer Hund", der einen Prozess durchziehen werde. Und sein Nachfolger Kemmer kann wegen des Jobs beim Bankenverband schlecht einen Deal machen, bei dem zu viel an ihm hängenbliebe. Also läuft es auf ein Gerichtsverfahren hinaus, im nächsten Jahr, in dem in Bayern wieder gewählt wird. Auf einen kleineren Prozess, als von den Anklägern erhofft. Auf einen Prozess, der aber immer noch groß genug wäre, um spannend zu sein.

© SZ vom 25.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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