Massenankauf von Staatsanleihen:EZB will mit Doppelstrategie gegen Schuldenkrise kämpfen

Die Europäische Zentralbank könnte dauerhaft in die eigentlich verbotene Staatsfinanzierung einsteigen: Setzt sich EZB-Präsident Mario Draghi durch, wird die Zentralbank nervösen Händlern wieder Staatsanleihen abkaufen. Dafür zeichnet sich im Rat der EZB eine Mehrheit ab. Auch der Rettungsschirm ESM soll Staaten in Not beispringen.

Markus Zydra, Frankfurt, und Claus Hulverscheidt, Berlin

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, will die Schuldenkrise mithilfe einer Doppelstrategie eindämmen. Der Plan, den Draghi an diesem Donnerstag vorstellen will, sieht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine konzertierte Aktion der EZB und des künftigen Euro-Rettungsschirms ESM vor.

File photo shows ECB President Draghi smiling during the monthly news conference in Frankfurt

Mit einer konzertierten Aktion will EZB-Präsident Mario Draghi die Schuldenkrise in den Griff bekommen.

(Foto: REUTERS)

Beide Institutionen sollen dem Vernehmen nach den Kauf von Staatsanleihen etwa aus Spanien oder Italien koordinieren, um so die Zinslast dieser Länder zu senken. Dabei würde der ESM den Regierungen in kleinerem Umfang direkt Anleihen abkaufen, während die Notenbank zugleich Papiere erwirbt, die bereits auf dem Markt gehandelt werden.

Die EZB hat bereits 211 Milliarden Euro in Anleihen schwächelnder Euro-Länder investiert. Das Kaufprogramm ist umstritten, seit diesem Frühjahr ruht es. Vor allem die Bundesbank hält wenig davon, weil es die profitierende Regierung nicht dazu verpflichtet, im Gegenzug für die Hilfen wirtschaftliche Reformen einzuleiten und den Haushalt zu sanieren. Wäre künftig auch der ESM beteiligt, müsste das entsprechende Land zunächst einen offiziellen Hilfsantrag stellen, der an die Erfüllung von Auflagen geknüpft wäre und dem auch der Bundestag zustimmen müsste.

Im EZB-Rat, der sich an diesem Donnerstag in Frankfurt zu einer regulären Sitzung trifft, zeichnet sich eine Mehrheit dafür ab, die Käufe wieder aufzunehmen und sie mit den Regierungen zu koordinieren. Einen offiziellen Beschluss dazu wird der Rat wohl noch nicht fassen. Wahrscheinlicher ist, dass Draghi seine Aussage aus der vergangenen Woche, wonach die EZB alles tun wird, um den Euro zu retten, konkretisiert. Eine endgültige Entscheidung würde dann nach dem 12. September fallen. An diesem Tag will das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Errichtung des ESM verkünden. Der Fonds soll den provisorischen Schutzschirm EFSF ersetzen.

Vertrauen der privaten Investoren stärken

Draghis Plänen zufolge könnte sich der ESM direkt an den Anleiheauktionen der betroffenen Länder beteiligen. Das würde den Zinssatz mindern, der in der Versteigerung ermittelt wird. Aufgabe der EZB wäre es, im Vorfeld der Auktionen über den Ankauf schon gehandelter Anleihen den Zinssatz auf ein erträgliches Niveau zu drücken und ihn dort auch langfristig zu fixieren.ESM muss vielleicht gar nicht eingreifen

Die Hoffnung ist, mithilfe dieser Konstruktion das Vertrauen der privaten Investoren in den Anleihemarkt zu stärken. Der ESM müsste vermutlich nur relativ wenig Geld in die Hand nehmen oder könnte sogar in letzter Minute ganz auf ein Gebot verzichten, wenn der Zinssatz auch ohne sein Zutun ein erträgliches Niveau erreicht.

Der schonende Umgang mit den ESM-Mitteln wäre ein Vorteil, weil der Fonds sein Volumen von 700 Milliarden Euro erst schrittweise erreichen wird und der bisherige Topf EFSF nur noch 148 Milliarden Euro umfasst. Das hieße aber zugleich, dass die EZB die Hauptlast übernehmen müsste und letztlich dauerhaft in die ihr eigentlich verbotene Staatsfinanzierung einstiege. Es ist deshalb äußerst fraglich, ob die Bundesregierung Draghis Doppelstrategie zustimmt. Auch die Bundesbank dürfte die Idee ablehnen.

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