Lebensmitteldiscounter:Aldi bäckt auf Knopfdruck

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Fünf Jahre hat Aldi Süd getestet - jetzt bekommen fast alle Filialen Backautomaten. Den bedienen die Kunden sogar selbst. Die Bäckerbranche ist in Aufruhr.

Stefan Weber

Der Backwarenmarkt in Deutschland steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Aldi Süd hat sich nach einer mehr als fünfjährigen Testphase dazu entschlossen, in fast allen seiner knapp 1800 Märkte Backautomaten aufzustellen. Dort können Kunden Brot und Brötchen per Knopfdruck bestellen; dann wird die bestellte Ware in einem für sie nicht einsehbaren Ofen frisch aufgebacken. Bezahlt wird an der Kasse.

Bei Aldi gibt es künftig Brötchen auf Knopfdruck. (Foto: Foto: AFP)

"Die Entscheidung von Aldi Süd, ofenfrische Backwaren zu verkaufen, wird an vielen Orten zu einer Neuverteilung von Marktanteilen führen", prognostiziert Lutz Henning, Vorstandsvorsitzender der Bäko-Zentrale Nord in Duisburg. Das Unternehmen ist zusammen mit dem Schwesterverband Bäko Süd der bundesweit größte Lieferant für die Backbranche. Aldi Süd dagegen bezieht die Rohlinge nach Angaben aus der Branche vom Düsseldorfer Backwarenhersteller Lieken. Die Automaten stammen vom schwäbischen Bäckereimaschinenhersteller Werner & Pfleiderer.

Auf dem deutschen Backwarenmarkt, der noch stark von Handwerksbetrieben geprägt ist, herrscht schon jetzt starker Verdrängungswettbewerb. Denn es gibt nahezu kein Wachstum. Der Appetit der Bundesbürger auf Brot und Brötchen lässt sich kaum mehr steigern.

Bäcker befürchten Preisdruck

Sie verzehren in jedem Jahr pro Kopf etwa 85 Kilogramm Backwaren und gehören damit zu den fleißigsten Brot- und Brötchenessern in Europa. Gleichzeitig drängen ständig neue Anbieter auf den Markt. Lebensmittelhändler installieren in ihren Filialen Backstationen, an denen tiefgekühlte Ware aufgebacken und den Kunden präsentiert wird. Billiganbieter erweitern ihr Sortiment mit abgepackten Backwaren. Zudem locken vor allem in den Fußgängerzonen großer Städte Backdiscounter wie Backwerk oder Backfactory mit Niedrigpreisen für ein eher überschaubares Angebot.

Unter Druck stehen vor allem Handwerksbäcker, die oft noch mit Nachfolgeproblemen zu kämpfen haben. Etwa 9000 Backbetriebe haben nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks in den vergangenen zehn Jahren geschlossen. Damit ist das Netz der Meisterbetriebe auf 15.000 geschrumpft. Bäckereigeschäfte gibt es dagegen 46.000. Nur sind die meisten reine Verkaufsstellen, die von zentralen Backorten mehrmals täglich beliefert werden oder Brötchen im Laden bräunen.

Über die Pläne von Aldi Süd im Backwarengeschäft ist bisher wenig bekannt. Das Unternehmen selbst äußert sich dazu nicht. Nach Angaben aus der Branche hat der Discounter lange gezögert, bis er sich entschieden hat, Backautomaten in allen Märkten zu installieren. "Das ging mehrere Jahr hin und her", berichtet ein Insider.

Ein Knackpunkt sei der Platzbedarf gewesen. Die Automaten benötigen etwa sechs Quadratmeter Stellfläche - Platz, der sonst als Verkaufsfläche genutzt werden könnte. Marktkenner erwarten, dass der Discounter zwei bis drei Jahre benötigen wird, bis sämtliche Filialen mit den Geräten ausgestattet sind. Die Kosten für Backautomat und Umrüstung einer Filiale werden auf bis zu 100.000 Euro geschätzt. Somit wird Aldi Süd der Einstieg in das Geschäft mit ofenfrischen Backwaren knapp 200 Millionen Euro kosten.

Dass sich Aldi Süd trotzdem dazu entschlossen hat, groß ins Geschäft mit ofenfrischem Brot und Brötchen einzusteigen, dürfte zum einen mit den in diesem Bereich möglichen hohen Margen zusammenhängen. Zum anderen soll der Verkauf von Backwaren auch neue Kunden in die Läden locken, die dann möglicherweise auch andere Artikel kaufen.

Ohnehin hat Aldi sein Angebot an frischen Artikeln in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt erweitert - von kühlungsbedürftigen Waren bis hin zu frischem Obst und Gemüse. In einer Münchner Filiale testet der Discounter derzeit den Verkauf von gekühlten Konditoreiwaren.

Angesichts des aggressiven Auftretens von Aldi könnten die Preise für Brot und Brötchen sinken, sobald der Discounter flächendeckend aktiv ist, wird in der Backwarenbranche befürchtet. In den Testmärkten ist Aldi dagegen nicht mit Kampfpreisen aufgefallen: Ein Weizenbrötchen kostete dort 15 Cent, eine Laugenbrezel 39 Cent und ein Baguette 79 Cent.

Nachahmer erwartet

"Zu diesen Preisen bieten auch wir unsere Waren an", sagt Dirk Schneider, geschäftsführender Gesellschafter des Backdiscounters Backwerk, der bundesweit etwa 270 Verkaufsstellen betreibt. Er erwartet, dass die Entscheidung von Aldi Süd bald Nachahmer unter den Billiganbietern finden wird: "In spätestens drei Jahren werden alle Discounter frische Backwaren anbieten." Lidl und Penny experimentieren schon heute in einigen Filialen mit Backautomaten. Andere Billiganbieter präsentieren frische Backwaren im Regal.

Bäko-Nord-Chef Henning rät den Handwerksbäckern, sich auf keinen Preiskampf mit den Discountern einzulassen. "Traditionelle Betriebe haben nur eine Chance, wenn sie auf Qualität setzen, ein individuelles Angebot präsentieren und von den Kunden als Marke wahrgenommen werden", findet Henning.

© SZ vom 21.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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