Leben in Griechenland:"Woher sollen wir wissen, was richtig ist?"

Wie geht es den Griechen? Wir haben bei einigen nachgefragt. Michalis Baitsis, 24 Jahre, ist einer von ihnen. Er lebt in Naoussa, im Norden Griechenlands, und arbeitet dort in der Apotheke seiner Eltern.

Protokoll von Pia Ratzesberger

"Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll. Ich weiß nicht, ob ich in diesem Referendum für oder gegen die Reformen stimmen werde.

Überall und zu jeder Zeit ist man hier mit den Nachrichten konfrontiert, ich lese nahezu jeden Artikel, auch aus der internationalen Presse. Die einen schreiben, ich solle mit Ja stimmen - und sie haben gute Argumente. Und die anderen schreiben wiederum, ich solle mit Nein stimmen - und ja, auch sie haben gute Argumente.

Aber letztlich weiß keiner, was in den jeweiligen Fällen passieren wird. Noch nie hat ein Land die Euro-Zone verlassen.

Gerade tendiere ich dazu, Nein zu sagen, auch wenn ich noch nicht hundertprozentig sicher bin. In den vergangenen Jahren haben die Sparmaßnahmen nicht geholfen, also warum sollten sie es jetzt tun? Viele meiner Freunde haben einen Abschluss, aber keine Arbeit. Sie versuchen sich mit Teilzeit-Jobs zu finanzieren und selbst die sind schwer zu bekommen.

Froh, in Griechenland geblieben zu sein

Ich habe sechs Jahre Pharmazie studiert; meine Eltern besitzen eine Apotheke, in der ich momentan mithelfe. Auch wir verdienen weniger Geld als vor der Krise, aber immerhin reicht es uns.

Früher einmal habe auch ich darüber nachgedacht, das Land zu verlassen, jetzt aber finde ich es gut und wichtig, dass ich geblieben bin. Ich bin froh, dass ich hier mit anderen über die Zukunft Griechenlands diskutieren kann und dass ich abstimmen kann.

Auch wenn ich es generell als schwierig erachte, dass die Regierung uns Griechen entscheiden lässt. Wir sind alle keine Ökonomen, woher also sollen wir wissen, was richtig für das Land ist? Politisch und strategisch war es von Premier Tsipras sicher eine kluge Entscheidung - aber war es auch die richtige? Ich habe etwas Angst vor dem, was uns erwartet."

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