Ansteckung in der Euro-Zone:Griechenland in Quarantäne

Ansteckung in der Euro-Zone: Steckt Griechenland mit einem Austritt aus dem Euro andere Krisenländer an? Die EZB glaubt das offenbar nicht.

Steckt Griechenland mit einem Austritt aus dem Euro andere Krisenländer an? Die EZB glaubt das offenbar nicht.

(Foto: AFP)
  • Die Europäische Zentralbank hält einen Grexit nicht mehr nur für möglich - sie hält ihn für beherrschbar.
  • Sie glaubt, dass er nur Griechenland mitreißt, andere Krisenstaaten aber nicht.
  • Eine Ansteckung ist tatsächlich unwahrscheinlich. Das hat vor allem drei Gründe.

Von Alexander Hagelüken

Notenbanker reden anders als normale Menschen. Wer einen Notenbanker fragt, welche Farbe sein Hemd hat, wird ihn zögern sehen. So eintätowiert ist das Bewusstsein, wie sehr ein unbedachter Satz aus der mächtigen Zentralbank Währungen und ganze Volkswirtschaften gefährden kann. Insofern klingt es wie eine Sensation, wenn der europäische Top-Notenbanker Benoît Cœuré nun sagt, was alle sagen: Ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro ist möglich.

Ein Grexit, ja, natürlich, denkt der Zeitungsleser. Aber das verkennt eben, wie vorsichtig Notenbanker reden. Vor Cœuré nahm kein Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) das G-Wort je in den Mund. Tut es nun der Franzose, könnte das vor allem eines bedeuten: Die Frankfurter halten einen Grexit nicht nur für möglich, sie halten ihn für beherrschbar. Sie glauben, er wird niemanden mitreißen als die armen Griechen selbst - vor allem keine anderen Krisenstaaten wie Spanien oder Portugal. Das wäre eine erstaunliche Entwicklung.

Rückblende: Die EZB werde tun, "was immer auch nötig ist", um den Euro zu erhalten, kündigte ihr Präsident Mario Draghi vor drei Jahren in London an. Damals grassierte in Euro-Land die Ansteckungspanik. Fällt das erste Land aus der gemeinsamen Währung, so die Sorge, folgen die nächsten - bis zu Spanien oder Italien, deren Exit den ganzen Euro sprengen würde, mit dramatischer Wirkung auf ganz Europa. Die Rendite portugiesischer Staatspapiere schoss über 15 Prozent, Spaniens ging auf acht Prozent zu.

Warum ist eine Ansteckung unwahrscheinlich?

Am Dienstag, dem zweiten Börsentag seitdem der Grexit so wahrscheinlich ist wie nie, war die Lage ganz anders. Ja, die griechischen Anleihen fielen weiter, die Rendite stieg weit über 15 Prozent. Aber bei den Papieren aus Portugal, Spanien und Italien tat sich: nichts. Manche legten nach den Verlusten von Montag sogar zu, nirgendwo steht die Rendite viel höher als drei Prozent. Keine Ansteckung, nirgends. "Die Lage ist nicht vergleichbar mit den ersten Jahren der Euro-Krise, als die Probleme auf andere Länder überschwappten", betont der Fondsmanager Eckhard Sauren. "Der Markt geht davon aus, dass es keinen Flächenbrand gibt. Sonst wären die Reaktionen heftiger."

Aber warum erscheint eine Ansteckung so unwahrscheinlich? Griechenland ist heute isolierter als vor ein paar Jahren - und die anderen Akteure haben sich von Griechenlands Chaos isoliert.

Nummer eins, die Geldhäuser: Ein Grexit schreckt ausländische Banken nicht mehr. Vor ein paar Jahren hielten sie noch Forderungen von 300 Milliarden Euro gegen das Land, schon Ende 2014 aber nur noch weniger als 50 Milliarden. Griechische Verluste verbreiten sich also nicht so weiter, wie sich die Pleite der Bank Lehman Brothers 2008 auf andere Banken verbreitete und einen kollektiven Schock auslöste. Und: Die Geldhäuser sind insgesamt widerstandsfähiger.

Nummer zwei, die Volkswirtschaften: "Die Währungsunion ist wirtschaftlich stärker als seit vielen Jahren", findet nicht nur UBS-Investmentstratege Mark Haefele: "Kredite und Konsumausgaben nehmen zu." Vor allem stehen die anderen Staaten besser da: Die spanische Volkswirtschaft wuchs zu Jahresbeginn so stark wie keine andere in Euro-Land. Die anderen Nationen sind das Krisen-Etikett losgeworden, indem sie hart reformierten. Warum also sollte das Chaos in Griechenland, das nach der Hoffnung 2014 wieder in eine Rezession stürzt, sie jetzt hinabziehen?

Natürlich spielt, Nummer drei, Draghis "Was immer auch nötig ist" eine große Rolle: Die Rettungsversprechen der EZB schreckten Spekulanten ab, gegen Euro-Staaten zu wetten. Ihre Geldspritzen stabilisierten Banken und Staaten - und kauften ihnen Zeit, sich zu reformieren. Auch jetzt richten sich wieder die Blicke auf die Zentralbank, eine Ansteckung anderer Staaten zu verhindern. Und sie ist dazu bereit: "Der EZB-Rat ist entschlossen, alle verfügbaren Instrumente im Rahmen seines Mandats einzusetzen", erklärte die Zentralbank am Wochenende. Was immer auch nötig ist.

Spanien nutzte die Zeit, sonst stünde es jetzt auch schlechter da

Griechenland steht heute isoliert da, nicht nur durch den irrlichternden Kurs seiner Regierung - sondern dadurch, dass sich die anderen Länder wirtschaftlich abgesetzt haben. Der griechische Absturz zeigt aber auch, dass es gefährlich wäre, einfach auf die Zentralbank zu setzen. Die EZB alleine wird eine Ansteckung anderer Staaten nicht verhindern können. Der Satz "Was immer auch nötig ist" kaufte Spanien, Portugal und den anderen Ländern Zeit, ihre Volkswirtschaften und Banken zu verändern. Hätten sie diese Zeit nicht genutzt, stünden sie genauso schlecht da wie heute Griechenland. Alle Feuerkraft der Zentralbank könnte wenig ausrichten.

Deshalb atmen alle zu früh auf, die schon glauben, dass ein Grexit oder eine Fortsetzung der griechischen Krise andere Euro-Staaten gar nicht mehr anstecken kann. Wählen Spanier oder Portugiesen dieses Jahr eine Regierung à la Syriza, sind auch sie wieder gefährdet. Schon ein Stagnieren bei den Reformen, auch in Frankreich oder Italien, könnte die Ansteckungsdebatte neu entflammen.

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