"Bei Neuwahlen gibt es sonst einen Vorlauf von mindestens drei Wochen, doch bei diesem Referendum ist alles sehr hektisch. Insgesamt kümmern sich 1336 Angestellte der Stadt darum, dass alles klappt - viele waren rund um die Uhr da oder haben ihre Kinder mitgebracht, damit diese nicht alleine zuhause sind.
In der Stadt Athen gibt es 871 Wahllokale, die meisten befinden sich in Schulen. Innerhalb von einer Woche mussten wir organisieren, dass Klassenzimmer leer geräumt wurden, dass dort Wahlkabinen stehen und es Strom für die Faxgeräte gibt. Außerdem mussten wir alle Bürger informieren, wo sie ihre Stimme abgeben können. Auf die Formulierung der Fragen, die auf dem Abstimmungszettel stehen, hatten wir natürlich keinen Einfluss: Das hat das Innenministerium entschieden.
Banken kurz vor dem Kollaps, die Wirtschaft in Angststarre, die Bürger zwischen Schock und Aufruhr: Griechenland steht vor einer historischen Entscheidung.
Bei griechischen Wahlen gibt es einige Besonderheiten: In jedem Wahllokal sitzt ein Anwalt, der prüft, ob alles rechtmäßig abläuft. Dafür erhält er für den Wahltag 370 Euro. Er hat einen Assistenten und außerdem hilft ein Wahlkommittee aus Bürgern bei der Organisation.
Normalerweise dauert die Auswahl der Juristen sehr lang, aber wir setzen nun einfach alle wieder ein, die bei der vergangenen Wahl im Januar dran waren. Sie erhalten von uns die Liste mit allen Wählern ihres Stimmbezirks, die Stimmzettel, einen offiziellen Stempel sowie ein Smartphone, damit die Ergebnisse übermittelt werden können.
Manche halten den Bürgermeister für einen Verräter
Wie überall in Griechenland wird auch natürlich auch in der Stadtverwaltung erhitzt über das Thema debattiert. Bürgermeister Giorgios Kaminis, der mich zum Generalsekretär und damit zum Chef der Stadtverwaltung ernannt hat, wirbt überall für ein "Ja". Er gehört keiner Partei an und engagiert sich beim "Nai"-Bündnis. Auch ich werde mit Ja stimmen, das ist keine Frage.
Griechenlands Ministerpräsident Tsipras schwört seine Anhänger bei einer Massenkundgebung in Athen auf ein "Nein" zum Sparprogramm ein. Es gehe um ein Leben in Würde in Europa, sagt er. Auch die Befürworter gehen auf die Straße.
Viele aus den Gewerkschaften halten uns deswegen für Verräter. Obwohl es eigentlich verboten ist, Wahlplakate in einem öffentlichen Gebäude anzubringen, lassen wir die "Nein"-Poster der Gewerkschaften hängen, damit die Stimmung nicht noch angespannter wird.
Es kann lange dauern, bis ein Ergebnis vorliegt
Ich rechne nicht damit, dass aus Diskussionen in den Wahllokalen Rangeleien oder Schlimmeres werden könnte. Allerdings ist die Situation wirklich neu, keiner weiß, was passieren wird.
Ich wage auch keine Prognose, wann am Sonntag erste Ergebnisse veröffentlicht werden. Üblicherweise ist das zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale der Fall, also gegen 21 Uhr. Aber bei dieser Abstimmung ist nichts normal. Theoretisch könnten die Abstimmungszeit bis 21 Uhr verlängert werden - und wenn es so knapp ist, wie die Umfragen andeuten, dann kann es richtig lange dauern.
