Kurswechsel bei Lufthansa:Ordentlich reicht nicht

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Der neue Lufthansa-Chef Christoph Franz hat ambitionierte Ziele. Dafür muss er alte Strukturen kappen und den Konzern von Grund auf erneuern.

Jens Flottau

Christoph Franz ist immer für Überraschungen gut. In der vergangenen Woche versammelte er die Führungskräfte von Lufthansa und verkündete ihnen ihr neues Renditeziel. Eine operative Marge von acht Prozent sollen sie im Passagiergeschäft schaffen.

Ein ambitioniertes Ziel: Der neue Lufthansa-Chef Christoph Franz will acht Prozent Marge im Passagiergeschäft erwirtschaften. (Foto: dpa)

Es ist ein Ziel, von dem die Fluggesellschaft meilenweit entfernt ist und das auf der Welt sowieso nur eine Handvoll Airlines erreichen. In dem Sektor, der in seiner noch überschaubaren Geschichte bislang Geld vernichtet hat, gelten schon Gewinnmargen von zwei bis drei Prozent als ordentliche Leistung.

Franz will mehr. Und auch deshalb hat ihn der Aufsichtsrat am Mittwoch offiziell zum neuen Vorstandsvorsitzenden und Nachfolger von Wolfgang Mayrhuber bestimmt. Wenn man Franz beim Wort nimmt, dann kann man den Lufthansa-Mitarbeitern nur das empfehlen, wozu sie normalerweise die Passagiere vor jedem Start auffordern: sich fest anzuschnallen. Der neue Chef wird den Konzern von Grund auf erneuern müssen, um auch nur in die Nähe seines Zieles zu kommen. Mit seiner Ansage noch vor Beginn der Amtszeit setzt er sich und seine Mitarbeiter unter hohen Druck.

Teuer, unflexibel, wenig kreativ

Es ist in den vergangenen Jahren ohne Zweifel viel zu viel liegengeblieben. Darunter leidet das Unternehmen, aber es könnte Franz auch einige schnelle Erfolge ermöglichen. Lufthansa ist heute eine Maschine, die mit hoher Qualität zuverlässig arbeitet, deren Zentralrechner ausgeklügelte Strategien ausspuckt, die präzise umgesetzt werden, keine Frage.

Aber diese Maschine ist viel zu teuer, unflexibel und zu wenig kreativ. Sie war ziemlich erfolgreich, solange das Umfeld stabil blieb und zum Beispiel Billigfluggesellschaften noch keine Bedrohung waren. Das hat sich gravierend geändert. Der Apparat braucht dringend Input und ein paar Funktionen weniger.

Immer noch fehlt Lufthansa ein schlüssiges Konzept, wie im Europageschäft gegen die neuen Anbieter zu bestehen ist. Bislang hat sie an der einen Stelle die Billigtochter Germanwings werkeln lassen, an der anderen Preise gesenkt, ein bisschen hier geschraubt, ein bisschen da die Produktivität verbessert.

Unter dem Strich war das zu wenig, und so steht das Unternehmen nun vor der Frage, ob es das Europageschäft jenseits der Zubringerflüge für die Langstrecken weiter selbst betreiben oder an Regionalpartner und Germanwings abgeben soll. Dass beide Konzepte - eine Qualitätsairline und ein Billigableger - in einem Konzern nebeneinander funktionieren können, zeigt die australische Fluggesellschaft Qantas mit ihrer Nebenmarke Jetstar.

Auf das Duo kommt es an

Die Probleme beschränken sich aber nicht auf die Kurzstrecke. Die neuen Tochtergesellschaften Austrian und BMI sind noch lange nicht saniert und auf den profitablen Langstrecken fürchtet Lufthansa die Konkurrenz von Emirates und den anderen Airlines vom Persischen Golf.

Die Reaktion ist bisher mehr als dürftig: Lufthansa versucht, durch Lobbyarbeit zu verhindern, dass Emirates mehr Flüge nach Deutschland anbieten darf. Dabei verweist vor allem Noch-Chef Mayrhuber gerne auf die angeblichen Subventionen, mit denen die Konkurrenz aufgepäppelt werde. Der Ansatz greift aber zu kurz. Eigentlich müsste sich Lufthansa überlegen, wie sie so gut werden kann, dass die Passagiere trotzdem weiterhin mit ihr fliegen.

Franz hat mit seiner bisherigen Arbeit im Vorstand gezeigt, dass er die Probleme erkannt hat. Ob er sie lösen wird, ist damit aber noch nicht gesagt. Er wird sich vom Kurs seines Vorgängers Mayrhuber absetzen müssen, ohne Zeit gehabt zu haben, eine Hausmacht aufzubauen.

Vieles wird deswegen davon abhängen, wie gut er und Carsten Spohr, der beliebte neue Chef des Passagiergeschäftes, zusammenarbeiten. Der sieben Jahre jüngere Spohr gilt schon jetzt als sein Kronprinz und das macht die Beziehung von Anfang an vielschichtig, vorsichtig formuliert. Einen könnte die beiden, dass sie das gleiche Ziel haben: Lufthansa aus den alten Strukturen zu lösen. Und dann waren da ja noch die acht Prozent.

© SZ vom 23.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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