Kooperation:Google verzichtet auf die Alleinherrschaft

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Google ist mächtig. Doch weil der Konzern auch seine Grenzen kennt, setzt er bei der Entwicklung neuer Technologien auf Partner. Dieses Modell sollte anderen Branchen zum Vorbild gereichen.

Ein Kommentar von Varinia Bernau

Nun kriecht Google also noch tiefer in den Alltag von Millionen Menschen. Der Konzern gibt sich nicht mehr damit zufrieden, dass seine Software Android acht von zehn Smartphones weltweit steuert. Er bringt die Technologie auch in die Autos. Und er bringt sie in Brillen, Uhren, Fitnessarmbänder. Wie schafft Google das? Warum hat der Konzern ein so gutes Gespür dafür, welche Gadgets in Zukunft gefragt sind? Und wie gelingt es ihm, seine Software zum Herzstück all dieser Geräte zu machen?

Die Antwort mag verwundern - zumindest all jene, die den Mächtigen immer auch den Hang zur Unbelehrbarkeit unterstellen. Google ist mächtig. Aber Google weiß wohl um seine Grenzen. Der Konzern mag zwar die Wendigkeit eines Start-ups verloren haben, aber nicht seine Wachsamkeit. Die Strategen bei Google bilden sich nicht ein, alles allein zu können. Deshalb ermuntern sie Entwickler, die Technologie der Zukunft mit ihnen gemeinsam voranzutreiben. Und wenn die Zeit drängt, dann nimmt der Konzern auch mal ein paar Milliarden Dollar in die Hand - und kauft sich Kompetenzen kurzerhand dazu.

So arrogant Google auch mit Datenschützern umspringt, so demütig tritt das Unternehmen all jenen entgegen, die das vermeintlich nächste große Ding aushecken. Dies erklärt auch den Siegeszug von Android: Google hat den Quellcode frühzeitig offengelegt - und alle aufgerufen, die Technologie weiterzuentwickeln, auf die unterschiedlichsten Geräte zu bringen, die absurdesten Apps dazu zu ersinnen. Google hat auf Partner gesetzt - statt auf die Alleinherrschaft.

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Mit diesem Ansatz ist Google nicht allein. Wer sich beispielsweise in der Mobilfunkbranche umhört, der vernimmt dort seit einiger Zeit ebenso demütige Töne. Die Mobilfunker könnten klagen über all die Milliarden, die ihnen durch die Lappen gehen, weil die Menschen statt SMS lieber kurze Nachrichten per Whatsapp verschicken. Doch sie haben erkannt, dass dieser Kampf ein verlorener Kampf wäre.

Also erklären sie den Feind zum Freund, verteilen Zuständigkeiten und Umsätze neu. Und sie fördern Start-ups, die darüber nachdenken, was die Menschen in Zukunft noch ganz gern mit ihrem Smartphone erledigen würden. Denn die Mobilfunkanbieter wissen: Dem Kunden ist es egal, wer für die App zuständig ist und wer für die schnelle Internetverbindung, die diese App zum Laufen bringt. Der Kunde ist anspruchsvoll geworden. Darauf müssen sich diejenigen, die ihn gewinnen wollen, einstellen.

Auch die traditionellen Händler haben den Fehler gemacht, dass sie Amazon, Ebay und all die neuen Rivalen aus dem Internet erst nicht ernst genommen und sie dann verteufelt haben. Nun erkennen sie langsam, die neuen Technologien auch für sich zu nutzen. Am erfolgreichsten sind heute jene Händler, die sich am Kunden orientieren und ihn überall beraten und bedienen, im Online-Shop ebenso wie in der Filiale in der Fußgängerzone, im persönlichen Gespräch und per App.

Je weniger Zeit einem für die Entwicklung eines neuen Angebots bleibt und je komplexer die dahinterliegenden Prozesse sind, desto wichtiger wird es, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Das kann nur klappen, wenn man seine Schwächen ehrlich einräumt - und sich Partner sucht. Wer sich einbildet, dass er alles alleine kann, der hat schon den ersten Fehler gemacht.

Die deutschen Ingenieure in ihrem Kontrollwahn mag Elon Musk überrascht haben, als er kürzlich ankündigte, die Patente seines Unternehmens Tesla offenzulegen und alle an den Ladestationen von Elektroautos mittüfteln zu lassen. Der Mann kommt eben aus dem Silicon Valley: Er glaubt an Kreativität, die nur im Austausch mit anderen entsteht. Er glaubt an Wachstumsgeschichten, in denen genug für alle abfällt - wenn man's nur richtig anstellt. Die deutschen Vorstandsetagen der hiesigen Auto- und Energiekonzerne, in denen das Misstrauen regiert, sind ihm fremd.

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In der Technologiebranche hat sich die Erkenntnis, dass man miteinander weiter kommt als gegeneinander, zwar als Erstes durchgesetzt. Denn hier ist der Takt, in dem neue Ideen entstehen, besonders hoch. Hier gilt es, schnell zu sein. Und hier ist es unmöglich, immer die besten Leute an Bord zu haben, immer rechtzeitig auf die richtigen Trends zu setzen.

Aber je stärker die sich stetig weiterentwickelnden Technologien auch andere Branchen prägen, desto schneller wird auch dort ein Umdenken einsetzen müssen. Auch dort wird man sich von der Idee verabschieden müssen, dass man die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren kann. Und dass man am Ende als Einziger kassiert. Das ist die Lehre aus Googles Erfolg.

© SZ vom 28.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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