Kompromiss im US-Schuldenstreit:Zurück in die fünfziger Jahre

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Anhebung der Schuldengrenze, drastische Kürzungen: Der Kompromiss im US-Schuldenstreit verlangt allen Beteiligten harte Zugeständnisse ab. Die Demokraten müssen Einschnitte ins Sozialsystem hinnehmen, die Republikaner Kürzungen bei den Militärausgaben. Am Ende soll der Staat wieder so schlank sein wie vor sechs Jahrzehnten. Die Einzelheiten der Einigung.

Jetzt soll alles ganz schnell gehen: 24 Stunden vor Ablauf der Frist hat US-Präsident Barack Obama einen Kompromiss mit Republikanern und Demokraten ausgehandelt. Nun kann er die Schuldenobergrenze doch noch anheben. An diesem Montag sollen die Fraktionen beider Parteien im Eilverfahren im Senat und im Repräsentantenhaus über den Plan abstimmen - und so die drohende Zahlungsunfähigkeit der mächtigsten Nation der Erde abwenden. Folgenden Punkten haben die Verhandlungsführer zugestimmt:

Amerikas Schulden: Fast 70 Mal haben die USA ihre Schuldengrenze seit 1960 bereits angehoben - klicken Sie auf die Grafik, um die Entwicklung der Schuldengrenze zu sehen und welcher US-Präsident die meisten Kredite aufgenommen hat. (Foto: N/A)

[] Eine neue Schuldenobergrenze: Die Einigung wäre eine Lösung auf Zeit: Obama wird die Schuldenobergrenze von derzeit 14,3 Billionen Dollar um mindestens 2,1 Billionen Dollar anheben. Aus dem Weißen Haus verlautet, diese Erhöhung reiche bis zum Jahr 2013 - und damit bis nach der Präsidentschaftswahl im November kommenden Jahres.

[] Massive Kürzungen bei den Staatsausgaben: Der Präsident hält den Haushaltsstreit also aus dem Wahlkampf heraus. Das Grundproblem aber bleibt bestehen: Die USA sind hoch verschuldet. Immerhin geht die Politik das Problem nun an, scheint die Blockade der vergangenen Wochen beendet: Die Einigung von Sonntagnacht sieht nach Angaben des Präsidialamts vor, den Schuldenberg in den kommenden zehn Jahren in mehreren Stufen um insgesamt rund 2,4 Billionen Dollar abzubauen. Eine Billion Dollar davon soll durch Ausgabenkürzungen eingespart werden. Die sollen so massiv ausfallen, dass Obama die Rückkehr in die fünziger Jahre angekündigt hat: So schlank wie nach dem Sparprogramm sei der Staat seit der Amtszeit von Präsident Dwight D. Eisenhower nicht mehr gewesen, sagte er. Welche Behörden von den Kürzungen betroffen sein werden, ist aber noch nicht klar.

[] Erste Sparrunde: Einsparungen von knapp einer Billion Dollar über die kommenden zehn Jahre sollen nach Angaben eines Regierungsbeamten sofort beschlossen werden. Die erste Sparrunde betrifft die Teile des Bundeshaushalts, über die der Kongress jedes Jahr abstimmt. Sie reichen von Mitteln für Rüstungsprojekte bis hin zu Ausgaben zur Lebensmittelkontrolle. Die ersten Kürzungen sollen noch moderat ausfallen, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Über die nächsten zehn Jahre fallen die Einschnitte dann aber immer größer aus. Besonders umstritten sind dabei die Einsparungen im Verteidigungshaushalt: in den kommenden zehn Jahren sollen dort 350 Milliarden Dollar wegfallen. Dieses Zugeständnis konnten Obamas Demokraten den Republikanern abringen, für die Militärausgaben eigentlich tabu waren.

Auch bei den zivilen Ausgaben soll gekürzt werden. Ausgenommen werden sollen - allerdings die großangelegten Programme der Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung und Medicaid - die medizinische Hilfe für Amerikas Ärmste. Kürzungen bei Medicare, der medizinischen Versorgung der Rentner, sollen gedeckelt werden - und zudem nur die staatlichen Subventionen an Anbieter der Krankenversicherung betreffen, nicht aber Auszahlungen an die Rentner selbst.

[] Zweite Sparrunde: Obamas Lösung setzt darauf, dass Demokraten und Republikaner nun konstruktiver zusammenarbeiten: In den kommenden Wochen entwirft der sogenannte Super-Kongress einen Plan, in welchen Bereichen wieviel gekürzt werden soll. Dieses Komitee aus je sechs republikanischen und demokratischen Kongressabgeordneten soll bis zum Thanksgiving-Fest am 23. November weitere Ausgabenkürzungen in Höhe von 1,5 Billionen Dollar empfehlen. "In dieser Phase", sagte Obama in der Nacht, "steht alles zur Debatte" - auch Renten, Sozialausgaben und die Krankenversicherung für Senioren und Arme. Die Verhandlungen zwischen beiden Pateien gehen also weiter, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: "Dieser Ausschuss wird ohne die Bedrohung einer staatlichen Zahlungsunfähigkeit arbeiten", heißt es aus dem Weißen Haus.

[] Sanktionen: Damit der Deal angesichts der aufgeheizten politischen Stuimmung nicht doch noch in letzter Minute scheitert, will Obama die Verhandlungsführer zwingen, zu einer Lösung zu kommen: Setzen sich in beiden Parteien doch wieder die Hardliner durch und verhindern eine Einigung im Super-Kongress, werden automatisch harte Kürzungen ausgelöst, die der Stammwählerschaft beider Parteien wehtun. In diesem Fall würden insgesamt 1,2 Billionen Dollar Staatsausgaben wegfallen - allein zusätzlich 500 Milliarden Dollar aus dem Verteidigungsetat. Seine Demokraten will Obama mit der Androhung von Kürzungen bei Infrastruktur und Bildung in die Spur bringen.

[] Änderungen im Steuersystem: Linksorientierte Demokraten fürchten, dass nur Mittel- und Unterschicht für die Konsolidierung der Staatsfinanzen bluten müssen. Wohl um sie zu beruhigen, hat Obama auch Steuererhöhungen für die Reichen erneut in die Debatte eingebracht. Er bekräftigte, auch diese Gruppe müsse ihren Beitrag leisten. Die Republikaner, die Steuererhöhungen bisher vehement ablehnen, hatten zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Kompromissplan von einem solchen Schritt keine Rede sei. Obama sagte dagegen am Abend: "Alles wird auf den Tisch kommen."

Für einen kurzen Moment herrscht nun Erleichterung. Die Mehrheitsführer und der Präsident haben den Kompromiss ausgehandelt, jetzt liegt es an den Fraktionen beider Parteien, ihn auch zu beschließen. Nach Medienberichten könnten bis zu 100 Demokraten im Abgeordnetenhaus den Kompromiss ablehnen, weil er längerfristig auch Kürzungen wichtiger Sozialprogramme wie Renten und Gesundheitsleistungen für Senioren bringen wird. Viele Demokraten lehnen die Reform der staatlichen Unterstützungsleistungen ebenso vehement ab wie ihre republikanischen Gegenspieler Militärkürzungen. Auch der republikanische Mehrheitsführer John Boehner muss seiner Partei noch erklären, warum sie den Plan akzeptieren sollte - vor allem der radikalen Tea-Party-Bewegung, die auf noch drastischere Kürzungen bei den Sozialprogrammen des Staates dringt.

© sueddeutsche.de/rtr/dpa/dapd/AFP/jab/lmo/beitz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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