Kommentar:Trumps Versprechen sind trügerisch

Trump speaks to diplomats at the Presidential Inaugural Committee (PIC) Chairman's Global Dinner in Washington

Donald Trump wird am 20. Januar als Präsident der USA vereidigt.

(Foto: REUTERS)

Der künftige Präsident der USA könnte zunächst Erfolg mit seiner Wirtschaftspolitik haben. Doch das wird nicht lange anhalten.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Wenn es überhaupt etwas gibt, das liberal gesinnten Amerikanern in dieser Woche Trost zu spenden vermag, dann ist es der Umstand, dass die Uhr von Freitag an rückwärts laufen wird. Exakt zur Mittagszeit soll Donald Trump als 45. US-Präsident vereidigt werden, und jede Stunde, die danach ins Land geht, ist eine, die ihn dem Ende seiner Amtszeit näher bringt.

Zunächst aber dürfte das Triumphgeheul im Lager des Wahlsiegers noch anschwellen, denn es ist gut möglich, dass die erste Hälfte seiner Amtszeit von wirtschaftspolitischen Erfolgsmeldungen geprägt sein wird. Grund ist der geplante Mix aus Steuersenkungen und höheren Staatsausgaben, der die Wirtschaftsleistung steigern und die Arbeitslosenquote weiter senken wird. Das ist pure Mathematik, deren Gesetze nicht dadurch ungültig werden, dass ein frivoler, empathieunfähiger Narziss sich ihrer bedient.

Doch der vermeintliche Erfolgscocktail könnte sich rasch als bitter erweisen, denn der US-Wirtschaft droht schon jetzt weniger der Absturz als eine Überhitzung. Ein zusätzlicher staatlicher Impuls dürfte somit nicht nur die Wirtschaftsleistung befeuern, sondern auch Inflation, Staatsschulden und letztlich die Leitzinsen. Das macht die Währung attraktiver, erschwert Investitionen und Exporte und erhöht den Anreiz, Produktion ins Ausland zu verlagern. Im Ergebnis wächst das Leistungsbilanzdefizit - es passiert also das glatte Gegenteil dessen, was Trump eigentlich beabsichtigt.

Schuld daran ist weniger schlechtes Timing als vielmehr ein grundlegend falsches Verständnis vom Funktionieren einer Volkswirtschaft. Für Trump ist Ökonomie ein Nullsummenspiel: Ein Auto, das in Land A gefertigt wird, kann nicht in Land B produziert werden. Wer Marktanteile gewinnen oder mehr Jobs im Inland schaffen will, muss also einem anderen etwas wegnehmen. Doch das ist Unsinn: Produktionsverlagerung ins Ausland und lange internationale Lieferketten helfen vielmehr dabei, einen Kostenmix zu kreieren, der die Fertigung preissensibler Waren erst ermöglicht und damit Jobs auch daheim sichert. Anders gesagt: Müssten Autobauer alle Pkw im Inland fertigen, könnten sie bestimmte Modelle schlicht nicht mehr anbieten.

Ähnlich verhält es sich mit dem Warenaustausch: Länder handeln nicht miteinander, um sich die Butter vom Brot zu nehmen. Sie handeln, um beider Wohlstand zu erhöhen, um aus eins und eins statt zwei drei zu machen. Dass die Globalisierung auch Auswüchse, Angst und Ungerechtigkeit mit sich gebracht hat, bedeutet nicht, dass das Prinzip falsch wäre. Davon zeugen Hunderte Millionen Menschen allein in Asien, denen die Explosion des Welthandels Arbeit und ein besseres Leben beschert hat. Wer hat das Recht, ihnen das wieder zu nehmen?

Die Bürger müssen sich für die vielen neuen Stellen qualifizieren

Der amerikanische Ökonom Justin Wolfers hat die US-Wirtschaft jüngst mit einem Parkhaus verglichen, in dem die Autos Firmen und die Sitzplätze in den Wagen Jobs symbolisieren. Wird die Garage ordentlich gemanagt, ist sie gut gefüllt, wobei im Tagesverlauf immer wieder Autos raus- und neue reinfahren. Mauert der Betreiber nun das Tor zu, hindert er die Pkw-Besitzer zwar einerseits daran, das Parkhaus zu verlassen - er "rettet" also Arbeitsplätze. Gleichzeitig jedoch sperrt er alle neuen Kunden aus. Über die Zeit setzen die verbliebenen Autos Rost an, und auch eine Erweiterung der Garage um zusätzliche Stellplätze ist nicht mehr möglich. Das Ergebnis sind Stagnation und langsamer Abstieg.

Statt sich an alte Jobs zu klammern, unrentable Kohlebergwerke zu reaktivieren oder Smartphones in San Francisco zusammenbauen zu lassen, müssen die Industriestaaten ihre Bürger für die vielen neuen Stellen qualifizieren, die die Informationsgesellschaft geschaffen hat. Schon heute suchen Firmen händeringend nach gut ausgebildetem Personal, die weiter voranschreitende Vernetzung von Waren, Maschinen, Straßen, Häusern und letztlich Menschen wird diesen Trend auch in Branchen tragen, die mit Informationstechnologie bisher wenig zu tun hatten. Um eine Kombination aus Arbeitskräftemangel bei gleichzeitiger Massenarbeitslosigkeit zu verhindern, sind dramatisch höhere Bildungsausgaben, staatliche Spitzenschulen, bessere öffentliche Universitäten sowie eine hoch spezialisierte Berufsausbildung vonnöten. Kein großes Industrieland hat hier mehr Nachholbedarf als die USA.

Wenn der 45. Präsident der Vereinigten Staaten sein Land also tatsächlich zukunftsfest machen will, muss er sich statt auf Strohfeuer auf eine Verbesserung der langfristigen Wachstumsaussichten konzentrieren. Das klingt nach viel Arbeit, wenig Glamour und geringem Twitter-Potenzial. Es klingt nach - Politik. Und genau deshalb steht nichts davon in Trumps Regierungsprogramm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: