Klage gegen Lufthansa:Angriff auf das Frachtkartell

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Frachtraum einer Boeing 777F der Lufthansa. Die Fluggesellschaft war an weltweiten Kartellabsprachen beteiligt, die 2006 aufgeflogen sind. (Foto: Ralph Orlowski/Bloomberg)
  • Die Deutsche Bahn hat eine der größten Kartellklagen überhaupt bestätigt: Sie macht insgesamt etwa 2,1 Milliarden Euro an Schadensersatzansprüchen und Zinsen geltend.
  • Der Vorwurf: Eine Gruppe von etwa 20 Fluggesellschaften habe zwischen 1999 und 2006 die Zuschläge für Kerosin und Sicherheitsgebühren weltweit abgesprochen.
  • Davon betroffen ist auch die Deutsche Lufthansa. Gegen das Unternehmen laufen derzeit mehrere Klagen in diversen Ländern.
  • Die Risiken liegen für die größte deutsche Fluggesellschaft bei mindestens einem hohen dreistelligen Millionenbetrag.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Um überhaupt etwas von Lufthansa zu den illegalen Preisabsprachen im Frachtgeschäft zu erfahren, muss man im Geschäftsbericht 2013 bis ganz weit nach hinten blättern. Doch was dort auf Seite 185 steht, hat es vor dem aktuellen Hintergrund in sich: Es gibt nicht nur eine Schadensersatzklage von Kunden - die der Deutschen Bahn - sondern gleich mehrere und auch noch in diversen Ländern. Die Risiken liegen für die größte deutsche Fluggesellschaft bei mindestens einem hohen dreistelligen Millionenbetrag.

Die Deutsche Bahn hat am Montag eine der größten Kartellklagen überhaupt bestätigt: Insgesamt rund 2,1 Milliarden Euro an Schadensersatzansprüchen und Zinsen macht der Konzern geltend, weil eine Gruppe von etwa 20 Fluggesellschaften zwischen 1999 und 2006 Zuschläge für Kerosin und Sicherheitsgebühren weltweit abgesprochen hatte. Aus Sicht der Bahn ist dies "eines der größten Kartelle der Wirtschaftsgeschichte und eines der wenigen, die global funktioniert haben". Lufthansa hatte dabei mehreren Urteilen zufolge eine führende Rolle. Bis zu 20 Prozent der Summe, also etwa 400 Millionen Euro, dürften auf Lufthansa entfallen, so Christopher Rother, Leiter Kartellrecht bei der Deutschen Bahn.

Wie das Frachtkartell vorgegangen ist

Nachdem das Kartell 2006 aufgeflogen war, hatte Lufthansa von einer Kronzeugenregelung Gebrauch gemacht und ausgepackt. Deswegen war das Unternehmen von Strafzahlungen in Höhe von insgesamt gut zwei Milliarden Euro ausgenommen, welche die USA und die Europäische Kommission gegen die Teilnehmer des Kartells verhängt hatten. Diese Regelung schützt die Fluggesellschaft allerdings nur vor den staatlichen Strafen, nicht aber vor Schadensersatzansprüchen der Kunden, sollten Gerichte diese in den nun laufenden Verfahren bestätigen.

Die Fluggesellschaften hatten in zahlreichen geheimen Treffen die Höhe der Zuschläge festgelegt. Lufthansa Cargo hat sogar einen Index veröffentlicht, den sie als Berechnungsgrundlage für die Zuschläge verwendet hat. Neben der Lufthansa gehören zahlreiche weitere bekannte Namen zu der Gruppe, unter anderem Qantas, Air Canada, Singapore Airlines, LAN Chile, British Airways, SAS und Cathay Pacific.

Die Deutsche Bahn klagt deswegen vor dem Landgericht Köln und in den USA, weil sich ihre Tochtergesellschaft DB Schenker als zweitgrößter Luftfrachtspediteur weltweit massiv von den Absprachen geschädigt sieht. Die Bahn hat für das Verfahren ein rund 3200 Seiten dickes Gutachten in Auftrag gegeben, das auflistet, auf welcher Strecke und durch welche Fluggesellschaft welche Schäden entstanden sind. Zwar hat es in den USA bereits mehrere Sammelklagen gegeben, die zum Teil durch außergerichtliche Vergleiche in Höhe von einer Milliarde Euro beigelegt worden sind. Dennoch hat sich die Bahn Rother zu Folge dazu entschieden, "unsere Ansprüche selbst zu verfolgen, da die Sammelklagen keinen fairen Ausgleich" geschaffen hätten.

Wo gegen die Lufthansa geklagt wird

Laut Lufthansa sind trotz der Vergleiche in den USA neben den Bahn-Verfahren noch weitere Klagen anhängig, nämlich in Deutschland, Großbritannien, Norwegen Australien, Israel und den Niederlanden. Die Kläger haben anders als die Bahn in Deutschland noch keine Schadenssumme genannt. Lufthansa ist in Sachen Frachtkartell gleich zweimal betroffen, denn auch Konzerntochter Swiss International Air Lines gehört zu den Beschuldigten.

Über die Höhe möglicher Entschädigungen kann Lufthansa derzeit keine konkrete Aussage treffen. Sie verweist auf den juristischen Umstand, dass die Entscheidung der Europäischen Kommission, auf die sich die Kläger berufen, noch nicht rechtskräftig sei. Ein Gutachten habe zudem ergeben, dass bei den Kunden kein tatsächlicher Schaden entstanden sei. Und falls doch, müsse geklärt werden, ob die Speditionen die höheren Kosten an die Endkunden nicht einfach weitergereicht hätten. Für Bahn-Kartellrechtler Rother ist die Sache eindeutig: "Die Zuschläge sind keine durchlaufenden Posten."

Was die Bahn kritisiert

Rother kritisiert, es sei unverständlich, dass Lufthansa und andere Airlines "sämtliche Gesprächsangebote der Bahn seit Jahren ignorieren". Denn man hätte "es am liebsten gar nicht so weit kommen lassen" und sich außergerichtlich in einem Vergleich geeinigt. Für ihn sei es aber "keine Frage ob, sondern nur noch wann sich die Airlines ihrer Verantwortung stellen".

Aus Sicht der Bahn steht "der Verhandlungsweg weiter offen". Er hoffe, dass sich die Fluggesellschaften ebenso verhalten werden wie die Teilnehmer des "Schienenkartells", mit denen am Ende Vergleiche geschlossen wurden. Und da die Forderungen auch Zinsen in Höhe von derzeit 560 Millionen Euro beinhalteten, gelte: "Jeden Tag tickt die Zinsuhr."

© SZ vom 02.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Deutsche Bahn verklagt Lufthansa

Es ist eine der größten Kartell-Klagen in Deutschland: Die Deutsche Bahn wirft 17 führenden Fluggesellschaften verbotene Absprachen bei Frachtaufträgen vor. Die Bahn macht Schäden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro geltend. Das belastende Material soll morgen per Lkw in 54 Umzugskartons dem Landgericht Köln zugestellt werden.

Von Klaus Ott

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