Kirch-Prozess:Es wird eng für die Deutsche Bank

Hat die Deutsche Bank den 2002 ums Überleben kämpfenden Medienkonzern von Leo Kirch gezielt unter Druck gesetzt, um an der Sanierung zu verdienen? Dem Oberlandesgericht München fällt es offenbar "sehr schwer", den Vorträgen der Bank Glauben zu schenken. Jetzt will das Geldinstitut Altkanzler Gerhard Schröder als Zeugen laden lassen.

Klaus Ott

Jetzt, da die Not groß ist, könnte es Gerhard Schröder richten. Der Altkanzler soll bei Gericht als Zeuge aussagen, dass die Deutsche Bank kein falsches Spiel getrieben hat mit ihrem Großkreditkunden Leo Kirch. Damals, vor mehr als zehn Jahren, als Kirchs Medienimperium (Film, Fernsehen, Axel Springer) in Gefahr geriet und schließlich pleiteging. Und als der damalige Bank-Chef Rolf Breuer erst mit Schröder über Kirch redete und dann dem Medienmagnaten öffentlich bescheinigte, nicht kreditwürdig zu sein.

Der inzwischen verstorbene Kirch hat sich von der Bank verraten gefühlt und vor Gericht Schadenersatz in Milliardenhöhe verlangt. Seine Erben treiben den Prozess weiter - und bringen nun das Geldinstitut mehr und mehr in Bedrängnis. So sehr, dass die Bank Schröder als Zeugen laden lassen will. Doch das Oberlandesgericht (OLG) München hält das nicht mehr für notwendig.

Bei der jüngsten Verhandlungsrunde am Montag lasen der Vorsitzende Richter Guido Kotschy und seine Beisitzer der Bank die Leviten. "Wir haben Schwierigkeiten, Ihnen zu folgen", sagte Kotschy den Vertretern der Deutschen Bank. Es falle dem OLG "sehr schwer", den Vorträgen der Bank Glauben zu schenken. Man sehe gravierende Widersprüche zwischen den bisherigen Ergebnissen der Beweisaufnahme und früheren Aussagen von mehreren Bankvorständen bei Gericht. Kotschy erinnerte sogar daran, dass Ex-Bankchef Josef Ackermann und seine alten Vorstandskollegen "unter absoluter Wahrheitspflicht standen". Dazu gehöre auch, vollständig auszusagen, ergänzte einer der beisitzenden Richter.

Das Gericht hatte früher schon einmal angeregt, die Bank solle 775 Millionen Euro Schadenersatz an Kirch zahlen. Nun läuft der Finanzkonzern Gefahr, zu Schadenersatz in horrender Höhe verurteilt zu werden. Die Kritik des Gerichts ist auch deshalb so brisant, weil die Münchner Staatsanwaltschaft gegen Ackermann, seinen Vorgänger Rolf E. Breuer und zwei weitere Ex-Deutschbanker wegen versuchten Prozessbetrugs ermittelt. Bleibt die Justiz bei der am Montag vom OLG geäußerten Ansicht, dann müssen Ackermann, Breuer, Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und das frühere Vorstandsmitglied Tessen von Heydebreck im für sie schlimmsten Fall mit Anklagen rechnen.

Bei dem Streit zwischen der Bank und Kirchs Erben geht es im Kern darum, ob das Geldinstitut vor Kirchs Pleite versucht hatte, auf den Medienhändler Druck auszuüben, um einen Auftrag zur Verwertung des Film- und Fernsehimperiums zu erhalten. Und ob das zur Pleite beigetragen habe und das Geldinstitut deshalb schadenersatzpflichtig sei. Die Bank und deren ehemalige Vorstände weisen das zurück. Die Zweifel des OLG an der Darstellung der Bank beruhen unter anderem auf einem in Englisch verfassten Vorstandsprotokoll des Bankvorstands vom 29. Januar 2002.

Zwei Sprachwissenschaftlerinnen erklärten dazu am Montag als Zeuginnen bei Gericht, aus dem Protokoll gehe hervor, dass die Bank damals wegen eines Vermittlungsmandats angefragt worden sei. Und dass die allgemeine Meinung in der Bankspitze gewesen sei, erst Kirch zu fragen, ob er selbst ein "Beratungsmandat erteilen würde", bevor man in dieser Sache für andere interessierte Parteien tätig werden könne. Das steht aus Sicht des OLG in Widerspruch zu Angaben der Bank und ihrer Protagonisten bei Gericht. Als die Bank-Anwälte wortreich erklärten, es sei doch alles in Ordnung gewesen, wies das Richter Kotschy scharf zurück: "Sie kommen nicht auf den Punkt."

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