Karstadt: Investor Nicolas Berggruen:Ideen? Fehlanzeige!

Lesezeit: 4 min

Karstadt läuft trotz seines Investors Nicolas Berggruen die Zeit davon: Es gibt einen riesigen Investitionsstau, die Chefs schweigen, viele Mitarbeiter möchten gehen. Nun soll es eine neue Dreiteilung des Konzernes richten. Doch das dürfte als Strategie kaum ausreichen.

Stefan Weber

Die Mitarbeiter von Karstadt bekamen ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnten: Zwei Tage lang sollten sie in den Sport- und Warenhäusern der Gruppe verbilligt einkaufen können. Satte 30 Prozent sollte der Preisnachlass betragen, selbst für hochwertige Mode-Marken. So bot es in der ersten Mai-Woche die Geschäftsführung an; da lohnt es sich, beim Arbeitgeber einzukaufen, könnte man meinen. Für altgediente Kräfte des Unternehmens allerdings war die Rabattaktion ein Alarmsignal.

Investor Nicolas Berggruen fällt die Karstadt-Sanierung offenbar schwerer als gedacht. (Foto: ddp)

Sonderverkäufe hatte es bei Karstadt auch früher gelegentlich gegeben. "Und zwar meist dann, wenn die Liquidität knapp war", sagt ein Mitarbeiter, der schon viele Chefs in der Firmenzentrale an der Theodor-Althoff-Straße in Essen hat kommen und gehen sehen. Die Beobachtung passt zu den Gerüchten.

Gerüchte, die nicht bestätigt sind, Berichte, die nicht gesichert sind, die aber Sorge machen. Danach sollen die Geschäfte im Hause Karstadt derzeit alles andere als gut laufen. Seit Jahresbeginn sei der Umsatz um gut vier Prozent geschrumpft, sagen Beobachter. Andere Quellen berichten von einem noch stärkeren Rückgang. Genaues weiß man nicht. Kann man nicht wissen, denn die Geschäftsführung, seit Jahresbeginn unter Führung des Briten Andrew Jennings, äußert sich nicht. Und will auch nicht, dass andere sich äußern.

Erst kürzlich, so ist zu hören, habe Jennings enge Mitarbeiter zur äußersten Verschwiegenheit verpflichtet. Auch die Geschäftsführer der Häuser dürfen keinen Kontakt mehr zu örtlichen Medien pflegen. Früher war das anders.

Geäußert hat sich bislang nur Nicolas Berggruen, der neue Eigentümer. Berggruen, 49, ist die große Hoffnung der Karstadt-Gemeinde. Der Mann hat in der Finanzbranche ein Vermögen gemacht. Ein kreativer Investor, ein guter Mensch, sagen seine Freunde. Seit er im Jahr 2010 die insolvente Kaufhaus-Kette übernahm, hat er eine konstant gute Presse. Er selbst macht in Optimismus. "Es läuft alles nach Plan", hieß es zuletzt in mehreren Interviews. Aber wie dieser Plan aussieht, mit welchen Konzepten Karstadt punkten will, bleibt offen.

Dafür ist wohl Andrew Jennings zuständig, der neue Chef. Ein international erfahrener Warenhausmanager mit gutem Ruf. Wer ihn kennt, sagt nichts Schlechtes über ihn. Sein Handicap: Er weiß wenig über die Gepflogenheiten im deutschen Einzelhandel; nach wie vor spricht er nur Englisch.

Handel
:Die vielen Flops von Karstadt

Was hat die Kaufhaus-Kette Karstadt nicht schon alles probiert, um Käufer in die Häuser zu locken: eine Partnerschaft mit Starbucks, ein Model-Lächeln, sogar eine eigene Zeitschrift. Viele Marketing-Ideen gingen in die Hose. In Bildern.

Klaus Wieking

Insider berichten, dass sich Jennings akribisch in die Themen einarbeitet. Er sei oft in den Filialen. Und anders als manche seiner Vorgänger, die nur auf das große Ganze schauten und mehr an Deals denn an Details dachten, interessiere sich der Brite auch für die Niederungen des Geschäfts, beispielsweise die Warenpräsentation. Ideen freilich, wie es weitergehen soll, hat er öffentlich noch nicht präsentiert.

"Bisher haben wir vom Management nur Berater-Blabla gehört", heißt es bei Lieferanten. Wenn Karstadt beispielsweise ankündige, mehr Mode verkaufen zu wollen, so sei dies doch eigentlich das Selbstverständlichste von der Welt, schließlich lockten da große Margen. "Das ist genauso banal, wie wenn eine Bank mitteilt, künftig mehr risikoarmes Geschäft machen zu wollen", sagt ein Geschäftspartner. Entscheidend sei doch, welche Mode mit welchen Konzepten verkauft werden soll. "Aber dazu gibt es keine Aussage", heißt es bei einem großen Mode-Anbieter. Deshalb zögert auch mancher, sich stärker an die Warenhausgruppe zu binden. "Ich will erst Konzepte und Bonität sehen, bevor ich liefere", sagt ein Unternehmer. Die Uhr tickt.

Gesucht werden Ideen, mit denen Karstadt die Mittel erwirtschaften kann, um den enormen Investitionsstau in den Häusern aufzulösen. Geplant sind Ausgaben von etwa 70 Millionen Euro. "Viel zu wenig", behaupten Immobilienfachleute und taxieren den tatsächlichen Bedarf auf einen höheren dreistelligen Millionenbetrag. Lovro Mandac, Chef des Konkurrenten Kaufhof, spottet gar: "Bei einem solchen Budget sind noch nicht einmal neue Rolltreppen drin." Er schätzt, dass bis zu 20 Millionen Euro notwendig sind, um ein stark in die Jahre gekommenes Warenhaus, von denen Karstadt mehrere im Bestand hat, wieder fit zu machen für den Wettbewerb. So viel Geld hat Karstadt nicht.

Dazu kommen andere Sorgen. Was passiert, wenn mit Ablauf des Sanierungstarifvertrages im Sommer 2012 die Personalkosten um jährlich mehr als 50 Millionen Euro steigen? Auf diese Summe hatten die Mitarbeiter drei Jahre verzichtet, um zu helfen, dass ihr Unternehmen wieder auf die Beine kommt. Und woher soll das Geld kommen, um die schon in ein paar Jahren wieder steigenden Mieten zu zahlen?

Erste Antworten wollen Jennings und sein Team Ende Juli geben. Erst Ende Juli - eigentlich hätte es schneller gehen sollen. Auch die Gewerkschaft Verdi wünscht sich mehr Tempo, will aber noch nicht drängen. "Es gibt laufend Gespräche. Wir bewerten die Entwicklung nicht pessimistisch", heißt es. Auch Lieferanten und Geschäftspartner wollen noch nicht den Stab über Jennings brechen. Sie wissen, dass es Zeit braucht, einen Konzern wie Karstadt auf einen neuen Kurs zu bringen. "Jennings ist ein guter Mann. Aber die Uhr läuft brutal gegen ihn", sagt einer, der das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Die Mitarbeiter sind hochnervös.

Beobachter sprechen von einem dramatischen Stimmungstief. "Viele gute Leute wollen weg", sagt der Manager eines Handelskonzerns, auf dessen Tisch in den vergangenen Wochen mehrere Bewerbungen von Karstadt-Leuten lagen. Ausgelöst hat den Stimmungswandel wohl der Weggang von Aufsichtsratschef Alain Caparros. Der hatte im April 2011 hingeschmissen, weil ihm das Kontrollgremium wie ein Marionettentheater vorkam. Die Aufsichtsräte sollten lediglich abnicken, was Inhaber Berggruen vorgibt. Ganz gleich, ob der Franzose mit dieser Einschätzung richtig lag - sein Ausscheiden hat Aufsehen erregt. Caparros, im Hauptberuf Rewe-Chef, brachte die Einzelhandelskompetenz mit, die Karstadt so dringend benötigt.

Unter den Mitarbeitern gibt es derzeit nur ein Thema. Und das heißt Separation, so der Projektname für die Aufspaltung von Karstadt in drei selbständige Firmen: in eine Premiumgruppe mit den drei Filialen KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München), einen Sportfilialisten mit 26 Häusern sowie das übrige Warenhausgeschäft mit 83 Standorten.

Caparros war der Meinung, dass Karstadt drängendere, operative Probleme habe, als sich eine neue gesellschaftsrechtliche Struktur zu geben. "Das Unternehmen ist weit davon entfernt, saniert zu sein", ließ er bei seinem Abgang wissen. Gleichwohl stimmte der Aufsichtsrat der Teilung in der vergangenen Woche zu. "Mehrheitlich", wie der Konzern selbst mitteilte. "Gegen starke Bedenken aus dem Kreis der Arbeitnehmervertreter", wie zu hören ist.

Viele Mitarbeiter fürchten, dass die Teilung dazu dient, die Voraussetzungen für den Verkauf von Premium- und Sporthäusern zu schaffen. Die Geschäftsführung argumentiert anders. Sie will drei Bereiche, weil "die Reifegrade und Entwicklungen in den Marktsegmenten unterschiedlich sind".

Fachleute sind überzeugt, dass sich für Premium- und Sporthäuser rasch Interessenten finden lassen, die einen stattlichen dreistelligen Millionenbetrag zu zahlen bereit sind. Die übrigen Warenhäuser dagegen gelten als Ladenhüter. Verdi verlangt deshalb Sicherheiten, um die Risiken, die sich für die Mitarbeiter aus der Spaltung des Unternehmens ergeben, klein zu halten.

Berggruen hat zwar stets betont, sich bei Karstadt langfristig engagieren zu wollen. Aber er hat sich im Kaufvertrag auch zusichern lassen, die Warenhausgruppe notfalls aufspalten zu dürfen. Einer, der sich auskennt, sagt dazu: "Jeder wusste, welches Risiko damit verbunden war. Deshalb sollte sich am Ende auch niemand beklagen, wenn tatsächlich der schlimmstmögliche Fall eintritt und Karstadt zerschlagen wird."

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: