Kampf gegen Manipulationen:EU-Kommission will Sprit-Verbrauch auf der Straße messen

Hohe Verkehrsdichte auf der Berliner Stadtautobahn A100 nahe der Autobahnausfahrt Schmargendorf Ber

Wieviel Sprit verbrauchen Autos wirklich?

(Foto: imago/photothek)
  • Die Spritverbräuche von Autos sind auf der Straße oft wesentlich höher als im Labor. Die EU-Kommission will nun Messungen an Bord der Fahrzeuge durchführen lassen.
  • Der Vorstoß befindet sich zwar in einem frühen Stadium, die Unterstützung ist aber offenbar groß. Deutschland hat sich noch nicht positioniert.

Von Thomas Kirchner und Markus Balser, Brüssel/Berlin

Die EU-Kommission will die Auflagen für die europäische Autoindustrie im Kampf gegen Manipulationen verschärfen. Künftig sollen Messgeräte an Bord der Fahrzeuge standardisierte und europaweit einheitliche Informationen über den tatsächlichen Verbrauch auf der Straße und damit auch den Ausstoß von Treibhausgas liefern. Am Freitag startete die Behörde dazu eine öffentliche Konsultation. Am 5. April soll ihr offizieller Vorschlag folgen. Ihm müssten nach Prüfung durch das EU-Parlament die Mitgliedsstaaten noch zustimmen.

Ziel ist es, die bisher oft bestehende Diskrepanz zwischen den im Labor gemessenen und den tatsächlichen Verbrauchswerten zu verringern. Laut der Umweltorganisation ICCT verbrauchen Neuwagen im Durchschnitt fast die Hälfte mehr als vom Hersteller angegeben. Der im Herbst 2017 eingeführte neue Testzyklus WLTP (Worldwide Harmonised Light Vehicles Test Procedure) soll die Abweichungen zwar ohnehin verkleinern, zusätzlich wurde ein neuer Test auf der Straße eingeführt (RDE, Real Driving Emissions), der realitätsnäher sein soll. Doch das reiche noch nicht, so die Kommission.

Nötig sei ein Überblick über die tatsächlichen Verbrauchs- und Emissionswerte. Erst mithilfe solcher Informationen aus konventionellen und Hybrid-Pkw auf Europas Straßen lasse sich die Realitätsnähe der neuen Tests beurteilen, heißt es in der Brüsseler Vorlage. Denn es bestehe die Gefahr, dass Hersteller auch bei den neuen Zulassungstests Toleranzmargen unterschiedlich ausnutzten und dadurch der Wettbewerb verzerrt werde.

Von 2021 an sollen die Werte daher einheitlich auf der Straße gemessen werden. Die Technik gibt es bereits, allerdings sind in Europa dafür keine Standards festgelegt. Auch das will die Kommission nun ändern. Als Vorbild nennt sie Kalifornien, wo von 2019 an solche Standards gelten sollen. Teuer sollen solche Messungen nicht sein. Es gehe um höchstens einen Euro pro Fahrzeug, wie sich aus einer kalifornischen und einer niederländischen Studie ergebe.

Die Mess-Software müsste gegen Manipulationen geschützt werden

Der Vorstoß befindet sich zwar in einem frühen Stadium, die Unterstützung ist aber offenbar groß. Der französische Vorschlag werde von den Niederlanden, Dänemark, Belgien, Schweden, Slowenien und Irland gestützt, heißt es in einem internen Bericht der Bundesregierung zum Treffen einer Expertengruppe am 26. Februar. Die Autoländer Italien und Rumänien hätten dagegen einen Prüfvorbehalt eingelegt. Die deutsche Regierung, die sich zuletzt immer wieder gegen eine Einmischung aus Brüssel bei Kontrollen gewehrt hatte, hat sich demnach noch nicht positioniert.

Die Mess-Software müsste gegen Manipulationen geschützt werden. Zugriff auf die Informationen soll nur mit einem speziellen Gerät möglich sein. Die nationalen Zulassungsbehörden sollen verpflichtet werden, jährlich einen festen Prozentsatz der Fahrzeuge zu überprüfen. Eine "elektronische Plattform" der Kommission soll "den Informationsfluss erleichtern" und den nationalen Behörden "bei ihren Entscheidungen helfen".

Die Kommission will die Daten bei der für 2024 vorgesehenen Überprüfung der Emissionsziele nutzen. Im November hatte sie neue Grenzwerte für Pkw und Vans vorgeschlagen: Bis 2025 sollen Hersteller die CO₂-Emissionen ihrer Flotte um 15 Prozent senken, bis 2030 um 30 Prozent. Das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen die Ziele allerdings noch genehmigen. Offenbar regt sich in den ersten Ländern aber bereits Protest gegen den Plan. So bewertet Polen die Ziele einem internen Bericht der Bundesregierung zufolge "als zu hoch", vor allem wegen der nötigen Ladeinfrastruktur für E-Autos. Auch Tschechien meldete Änderungsbedarf an. Die Opposition kritisiert die bisherige Zurückhaltung Deutschlands scharf. "Statt sich an die Speerspitze für bessere Kontrollmöglichkeiten zu stellen, gibt die große Koalition weiter den Schutzpatron der Autoindustrie", warnte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. "Aufklärung und Konsequenzen Fehlanzeige. Doch nur wer die saubersten Autos baut, hat eine Zukunft auf dem Weltmarkt."

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