Kampf gegen die Krise:Griechenland wagt das Sonntagseinkaufs-Experiment

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Griechenland ändert seine Ladenöffnungszeiten. (Foto: AFP)

Die Griechen dürfen ab jetzt auch am Sonntag einkaufen gehen. An sich ist das eine gute Idee, um den Konsum im rezessionsgeplagten Land anzukurbeln. Das Problem: Vielen Bürgern fehlt das Geld zum Ausgeben.

Von Stelios Bouras, Wall Street Journal Deutschland

Der Menschenstrom vor Maria Kontous Damenmoden-Boutique im Zentrum von Athen reißt an diesem Sonntag nicht ab. Trotzdem ist die Einzelhändlerin frustriert. "Nicht ein einziger ist hier heute reingekommen", schimpft Kontous. "Dabei habe ich schon seit mehr als vier Stunden geöffnet." Es fällt ihr nicht schwer, eine erste Bilanz zu ziehen über das neueste griechische Experiment erweiterter Ladenöffnungszeiten am Sonntag: "Das Problem ist nicht, wann die Leute einkaufen gehen können, sondern ob sie das Geld dazu haben."

An diesem Sonntag startete in Griechenland ein heikles Pilotprogramm, das den Konsum in der rezessionsgeplagten Volkswirtschaft ankurbeln soll. Griechen können nun an sieben Sonntagen im Jahr in den großen Kaufhäusern einkaufen gehen. Kleinere, unabhängige Läden dürfen - je nach örtlichen Bestimmungen - sogar jeden Sonntag öffnen. Die internationalen Gläubiger hatten diese Handelsreformen gefordert, und Griechenland ist ihnen gefolgt.

Griechenland will auch seine Gläubiger beeindrucken

Bisher durften griechische Einzelhändler nur an zwei Sonntagen im Jahr öffnen. Damit zählten die griechischen Wochenend-Ladenöffnungszeiten, die noch auf das Jahr 1908 zurückreichen, zu den restriktivsten in ganz Europa.

Die griechische Regierung hofft, dass die Lockerung der Geschäftszeiten die Wettbewerbskraft steigert und zehntausende neuer Jobs schafft in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit im Land um 27 Prozent pendelt. Zugleich will die Regierung auch die Haushaltsprüfer der internationalen Gläubiger beeindrucken. Diese werden am Montag in Athen landen und erneut untersuchen, ob das Land genügend wirtschaftliche Fortschritte gemacht hat, um mit einer neuen Finanztranche aus dem internationalen Rettungsprogramm belohnt zu werden.

"In einem Land, in das [jedes Jahr] 18,5 Millionen Touristen einreisen, das sich als Wochenend-Reiseziel etablieren will, ist es undenkbar, dass Geschäfte sonntags geschlossen bleiben", sagte der stellvertretende griechische Entwicklungsminister Notis Mitarakis am Sonntag. Aber am ersten Tag des Pilotprogramms meldeten zahlreiche Geschäftsinhaber lediglich bescheidene Umsätze. Das zeigt, welch steiniger Weg noch vor der griechischen Wirtschaft liegen dürfte.

Schon vorab hatte die Neuregelung die Unternehmerschaft gespalten. Viele, darunter auch einige der größten Supermärkte des Landes, weigerten sich schlicht, den erweiterten Sonntagshandel mitzumachen. Und Handelsverbände kritisierten, der zusätzliche Tag würde die Verkäufe nicht steigern, sondern lediglich die Kosten für die Unternehmer erhöhen.

Ähnlich wie bei der Ladenschlussdebatte in Deutschland ist auch in Griechenland die breitere Öffentlichkeit in der Frage gespalten. Viele Angestellte etwa fürchten, dass sie wegen der erweiterten Geschäftszeiten weniger Zeit für die Familie haben werden. Und der griechisch-orthodoxe Bischof Seraphim von Piräus wetterte jüngst, das Thema sei für die Kirche ein "casus belli" - ein Vorfall, der das Zeug hat, einen Krieg auszulösen. "Abgeordnete, die diesen Willen unterstützen...legen sich mit dem Gesetz Gottes an", sagte er.

"Ich gehe lieber bummeln, als Zuhause rumzusitzen"

In der Innenstadt von Athen veranstalteten am Sonntag ein paar Hundert Anhänger der kommunistisch gesinnten Gewerkschaft Pame und einer weiteren Angestelltengewerkschaft zwischen Horden von Kauflustigen einen Protestmarsch. Auf ihren Bannern standen Sprüche wie "Die Öffnung der Läden ist eine Forderung der Monopole" und "Sonntage sind für die Arbeiter da".

Viele Geschäfte warben mit heftigen Rabatten, um trotz der Wirtschaftskrise Kunden anzulocken. Das milde Sonnenwetter am Sonntag trug ebenfalls dazu bei, dass die Geschäftsstraßen voll waren - auch wenn viele gestanden, nur zum Schaufensterbummeln gekommen zu sein.

"Ich verstehe nicht, wieso das so eine große Sache ist. Wenn es überall in Europa geschieht, wieso dann nicht hier? Ich würde heute lieber mit meiner Familie durch die Läden bummeln, als Zuhause rumzusitzen", sagte Nikos Manolides, ein 45 Jahre alter Bankangestellter.

Einige Einzelhändler und Unternehmer freuten sich über den zusätzlichen Einkaufstag, der ihr Geschäft nach sechs Jahren des Abschwungs in Griechenland kräftig belebte. Thomas Tzovaros etwa, der in der Nähe des zentralen Syntagma-Platzes im Herzen Athens eine Souvlaki-Bar betreibt, beschäftigte nach eigenen Angaben doppelt so viele Mitarbeiter am Sonntag, um dem Kundenansturm Herr zu werden. 50 Prozent mehr Umsatz habe er gemacht, erzählte Tzovaros, weil so viele Einkaufslustige in der Gegend herumliefen. "Es ist, als hätten wir einen Extra-Tag bekommen", sagte er.

Andere aber machen sich Sorgen, dass sich mit dem zusätzlichen Einkaufstag nur die Umsätze auf mehr Tage verteilten, insgesamt aber gleich blieben. Und Experten warnen, dass die sonntäglichen Einkaufszeiten vor allem den gut belebten Geschäftsvierteln mit ihren vielen Restaurants und Cafés zugute kommen werden, während kleinere, abgelegenere Läden wohl den Kürzeren ziehen.

Laut Vassilis Korkidis, Präsident des Einzelhandelsverbands National National Confederation of Hellenic Commerce, haben sich die Umsätze am Sonntag nicht wesentlich erhöht. Trotzdem beschrieb Korkidis den Tag als Lichtblick in einer trüben Wirtschaft.

"Das einzige Plus war die Heiterkeit, die heute auf den Straßen herrschte. Es ist eine Weile her, dass wir so viele Familien draußen in den Einkaufszentren gesehen haben", sagte er.

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