Irlands Premier Enda Kenny:Ein harter Brocken

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Straßenszene in Dublin (Foto: Bloomberg)

Irland will den Euro-Rettungsschirm wieder verlassen - das ist auch der Verdienst von Regierungschef Enda Kenny und dessen Beharrlichkeit. International ist er als harter Verhandlungspartner bekannt, den Iren konnte er seinen Sparkurs glaubwürdig erklären. Seinen härtesten Kampf musste er jedoch mit der katholischen Kirche ausfechten.

Von Björn Finke

Der Mann hat Mut: Legt sich als Premier im katholischen Irland mit dem Vatikan an. Lässt Forderungen von Europas wohl am meisten gefürchteter Frau, Angela Merkel, einfach an sich abperlen. Und dann lässt er auch noch sein Volk darüber abstimmen, ob es sich dem Spardiktat der EU unterwerfen will.

Enda Kenny ist erst seit zweieinhalb Jahren Premierminister der 4,5 Millionen Iren, und es war eine ziemlich unruhige Zeit. Doch sieht es so aus, als könnte der 62-Jährige aus der westirischen Grafschaft Mayo sich nun auf eine etwas weniger aufregende zweite Hälfte seiner Amtszeit als Taoiseach freuen, wie der Premierminister auf Gälisch heißt.

An Dienstag präsentierte seine Regierung im Parlament in Dublin den Haushaltsentwurf für 2014. Es ist ein Sparbudget, mal wieder, 2,5 Milliarden Euro will die Koalition aus Kennys konservativer Fine-Gael-Partei und der Labour-Partei durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen hereinholen. Seit dem Platzen der Immobilienblase 2008 spart die Regierung gegen die Krise an, trotzdem reichen die Einnahmen bei Weitem nicht, um die Ausgaben zu decken. Auch im kommenden Jahr soll das Haushaltsdefizit 4,8 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.

In Irland bleibt die Lage prekär

Dennoch wird 2014 etwas anders sein: Irland wird sich wieder bei privaten Investoren die Kredite besorgen, das Land wird in zwei Monaten den Euro-Rettungsschirm verlassen. Das kündigte Kenny auf einem Parteitag in Limerick an, unter dem Jubel seiner Anhänger: "Vor zwei Jahren habe ich dem irischen Volk gesagt, ich möchte der Taoiseach sein, der unsere wirtschaftliche Souveränität und Unabhängigkeit wiederherstellt", rief er da. "Das Ziel ist nun zum Greifen nah."

Vor fast drei Jahren musste Irland unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen, EU und IWF stellten Hilfskredite von 67,5 Milliarden Euro zur Verfügung, weil das hochverschuldete Land keine neuen Gläubiger mehr fand. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung zu einem harten Sparprogramm. Jetzt ist das Vertrauen internationaler Kreditgeber wieder da - Irland hat somit die dringend benötigte Erfolgsgeschichte geschrieben im Drama um die Euro-Rettung. Die Inselrepublik war der erste Staat, der den Schirm benötigte, ihm folgten Portugal und Zypern. Vorher hatten die Euro-Staaten allerdings schon Griechenland mit einem ähnlichen Paket geholfen. In jenen Krisenländern sind die Aussichten deutlich weniger gut.

Wobei auch in Irland die Lage prekär bleibt. Um das hautnah zu erleben, muss Premier Kenny nur in seinen Heimatwahlkreis in Mayo fahren, in den eher ländlichen Westen Irlands. Denn während es in Großstädten wie Dublin wieder aufwärts geht, bluten die Dörfer aus. Kenny ist häufig in der Heimat, allein schon, um sich beim Wandern zu erholen. Der verheiratete Vater dreier Kinder hat einen Wallfahrtsort in seiner Heimat, den 764 Meter hohen Hügel Croagh Patrick, bereits mehr als hundertmal bestiegen. Eine solche Anhöhe geht in Irland schon als Berg durch, auf dem Gipfel steht eine Kapelle, weil der Schutzpatron der Insel, der Heilige Patrick, dort im fünften Jahrhundert 40 Tage lang gefastet haben soll.

Alles sechs Minuten wandert rechnerisch ein Ire aus

Die Wirtschaft Irlands ist nun schon seit sechs Jahren auf eine unfreiwillige Diät gesetzt, seit die Immobilienblase platzte und die aufgeblähte, schlecht regulierte Bankenbranche des Landes in den Abgrund riss. Und vor allem auf dem Land ist Besserung nicht in Sicht: Dörfer, in denen ganze Häuserreihen leerstehen, Hauptstraßen mit verrammelten Schaufenstern, Gemeinden, denen die jungen Leute davonlaufen.

Zwar wächst die Wirtschaft Irlands seit diesem Sommer wieder leicht, die Arbeitslosenquote ist von 15 Prozent im Vorjahr auf 13 Prozent gesunken, und die Hauspreise ziehen an, nachdem sie sich in der Krise halbiert hatten. Doch auf dem Land sinken die Immobilienpreise weiter, und wer dort arbeitslos ist, dem bleibt nur der Umzug nach Dublin oder gleich ins Ausland. Alle sechs Minuten wandert rein rechnerisch ein Ire aus.

Die Opposition will deshalb nicht in Kennys Jubel über den Verzicht auf den Rettungsschirm einstimmen; sie klagt, dass das Spardiktat der Europäer und der willige Vollstrecker Kenny Hunderttausende ins Elend gestürzt hätten. Und das Sparen wird weitergehen, allein deshalb, weil die Staatsverschuldung in diesem Jahr bei 123 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen soll - ein untragbar hoher Wert auf lange Sicht. Der Schuldenberg ist Folge davon, dass die Regierung reihenweise marode Banken retten und für deren Kredite geradestehen musste.

Die Banken könnten Kenny im kommenden Jahr noch einmal Ärger bereiten. Dann steht ein Stresstest in Europa an - und es ist wahrscheinlich, dass Irlands Institute mehr Kapital brauchen. Der Premier hofft, dass der Euro-Rettungsfonds seine maroden Institute direkt unterstützen wird, dann müsste die Regierung nicht einspringen mit Geld, das sie gar nicht hat. Doch hier muss er noch Überzeugungsarbeit leisten.

In den vergangenen Jahren hat er jedenfalls gezeigt, dass er auf europäischer Bühne ein harter Verhandler ist. Einen Tag nach seiner Wahl als Taoiseach im März 2011 musste er schon zu einem EU-Gipfel anreisen. Da nahmen ihn Angela Merkel und der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy in die Mangel: Sie wollten, dass Irland seine Unternehmensteuern erhöht, weil das Land von vielen Konzernen als Steueroase genutzt wird. Doch der Ire ließ die Forderungen an sich abperlen - EU-Milliardenhilfen hin oder her.

Die katholische Kirche drohte mit der Exkommunikation

Die erstaunlichste Leistung des wenig charismatischen Kenny dürfte aber sein, dass die Iren die Sparprogramme weitgehend klaglos hingenommen haben. Während in den Mittelmeerländern Gewerkschaften und wütende Demonstranten die Innenstädte lahmlegen, fiel der Protest der eigentlich sehr eigenwilligen und widerspenstigen Iren verhalten aus. Kommentatoren führen dies darauf zurück, dass der nüchtern, um nicht zu sagen: hölzern auftretende Kenny den Bürgern die Notwendigkeit der Pakete gut erklärt hat. Im Mai vergangenen Jahres konnte der Premier sein Volk dann auch unbesorgt über den EU-Fiskalpakt abstimmen lassen, einen Vertrag, mit dem Brüssel verbindliche Schuldengrenzen diktiert. Die Mehrheit der Iren akzeptierte das Abkommen.

Seinen härtesten Kampf hatte er aber bei einem anderen Thema auszufechten: Im Juli erließ das Parlament ein Gesetz, das in Ausnahmefällen Abtreibung erlaubt. Die mächtige katholische Kirche war entsetzt, Würdenträger drohten dem Premier mit der Exkommunikation. Auch das ließ er an sich abperlen, sagte nur: "Ich bin zugegebenermaßen nicht der beste Katholik, aber ich bin ein Katholik."

Als erfahrener Wanderer weiß er: Nach jedem harten Aufstieg auf einen Berg kommt auch wieder ein bequemer Abstieg.

© SZ vom 16.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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