Hypo Alpe Adria:Gutachten stützt Schadensersatzklage der BayernLB

Der Finanzberater Tilo Berlin verdiente gut beim Verkauf der Hypo Alpe Adria an die BayernLB. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse, die ihn vor Gericht bringen könnten: Ein Gutachten erhebt schwere Vorwürfe. Doch Berlin gibt sich locker.

Klaus Ott

Wie es Tilo Berlin wohl geht, bei all dem Ärger? Blendend, sagt ein Bekannter des gewieften Finanzmaklers, der ihn hin und wieder trifft im heimischen Klagenfurt am herrlichen Wörthersee. Der 53-Jährige sei gut drauf, bester Stimmung, freundlich und jovial. Ganz so, als habe er nicht österreichische und deutsche Staatsanwälte am Hals. Als gebe es keinen Streit mit der Bayerischen Landesbank, die eine Menge Geld zurückverlangt. Der Vermögensverwalter, der reiche Kunden noch reicher macht und nebenbei einen Bio-Hof in den Alpen bewirtschaftet, lasse sich nichts anmerken. Locker bleiben, lautet offenbar Berlins Devise. Auch wenn es für ihn womöglich nie mehr so schön wird wie zu seiner Zeit als Vorstandschef der Hypo Alpe Adria, als er von seinem Amtszimmer aus in die Berge blicken konnte. Dorthin, wo sein Hof liegt. Wo seine Familie lebt. Der aus Deutschland stammende Finanzstratege hat in einen österreichischen Adels-Clan eingeheiratet.

Mit Tilo Berlins guter Laune könnte es bald vorbei sein. Die Klagenfurter Staatsanwaltschaft hat ein Gutachten eingeholt, das ihn und einige seiner früheren Partner schwer belastet. Diverse Herren, allesamt früher Manager, Kontrolleure oder Berater der Hypo Alpe Adria, sollen an fragwürdigen Geschäften mitgewirkt haben. Sollen gewusst haben, dass die Kärntner Großbank mit Sitz in Klagenfurt prominenten Investoren wie der Milliardärs-Witwe Ingrid Flick zu hohe Zinsen für deren Einlagen bezahlt habe. Sollen darüber im Bilde gewesen sein, dass die von Kärnten aus auf dem halben Balkan tätige Finanzgruppe zu hohe Eigenmittel ausgewiesen habe. Das wäre dann Bilanzfälschung gewesen. Die 124-seitige Expertise könnte den Geld-Vermehrer Berlin und dessen Ex-Partner auf die Anklagebank bringen. Und ihm noch viel mehr Probleme bereiten.

Die Hypo Alpe Adria ist jenes skandalum-witterte Finanzinstitut, bei dem Bayerns Landesbank 3,7 Milliarden Euro verloren hat. Und über das die BayernLB heute sagt, man hätte das Geldhaus vom Wörthersee nie und nimmer gekauft, wenn man gewusst hätte, in welchem Zustand es wirklich gewesen sei. Das aber sei, wie man heute wisse, vertuscht worden. An dem Milliardendeal zwischen Bayern und Kärnten haben Tilo Berlin und etliche seiner Kunden, darunter auch Ingrid Flick, prächtig verdient. Mehr als 150 Millionen Euro nach Berechnungen von Ermittlern, und das in ziemlich kurzer Zeit.

Nun ist der schöne Profit in Gefahr. Das für die Klagenfurter Staatsanwaltschaft vom Wirtschaftsprüfer Karl Hengstberger angefertigte Gutachten ist so etwas wie ein Geschenk des Himmels für die BayernLB, die in Österreich auf Schadenersatz klagt. Das betrifft, indirekt, auch Tilo Berlin. Und Wolfgang Kulterer, langjähriger Vorstandschef der Hypo Alpe Adria, bevor Tilo Berlin dort sein Gastspiel gab.

Der Gutachter erhebt schwere Vorwürfe

Im Blickfeld der Ermittler außerdem: Othmar Ederer und Siegfried Grigg, Vorstände der Grazer Wechselseitigen (Grawe), einem der führenden Versicherer der Alpenrepublik. Grigg war einst Vorstand schef der Hypo, Ederer saß im Aufsichtsrat. Alle vier auf der Anklagebank in Klagenfurt, das wäre ein Paukenschlag. Berlin und seine damaligen Partner hatten dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider geholfen, die Hypo Alpe Adria nach Bayern zu verkaufen. Nun müssen sie den Gutachter Hengstberger fürchten. Der hat bereits dazu beigetragen, dass der frühere Hypo-Chef Kulterer wegen anderer fragwürdiger Aktiengeschäfte zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden ist. In seiner neuen Expertise rechnet Hengstberger vor, wo es bei der Hypo nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. So habe die Milliardärs-Witwe Flick auf Einlagen in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro knapp 1,8 Millionen Euro Zinsen zu viel bekommen. Teils mit Wissen von Kulterer, der früher im Vorstand der Flick-Privatstiftung saß. Teils mit Wissen von Berlin, Ederer und Grigg. Insgesamt zehn Investoren sollen für ihre Hypo-Aktien zusammen 5,2 Millionen Euro zu viel an Zinsen erhalten haben. Das wäre, sofern es stimmt, Veruntreuung von Bankvermögen. Und doch wäre es nur Kleingeld im Vergleich zu den Summen, um die es der BayernLB geht.

Die Hypo Alpe Adria hatte Hengstbergers Gutachten zufolge die Einlagen der zehn Investoren in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro zu Unrecht als Eigenkapital ausgewiesen. In verborgenen Nebenabreden war diesen Aktionären nämlich zugestanden worden, wieder aussteigen zu können. Diese Einlagen seien also, so der Gutachter Hengstberger, "Fremdkapital gegen Gewährung einer fixen Verzinsung" gewesen. Die Hypo-Bilanz, auf deren Grundlage die BayernLB die Kärntner Bank kaufte, wäre demnach falsch gewesen. Ein schwerer Vorwurf.

Die BayernLB, die bestrebt ist, möglichst viel von den verlorenen Milliarden zurückzuholen, dürfte dies mit Interesse registrieren. Ebenso die Münchner Staatsanwaltschaft, die gegen Berlin, Kulterer und Grigg wegen Betrugs zu Lasten der Landesbank ermittelt. Leicht wird das aber nicht. Tilo Berlin und seine Ex-Partner bestreiten die Vorwürfe vehement, die Verfahren können noch Jahre dauern. Er werde sich, auch zum Schutze seiner Kunden, "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen", hatte Berlin schon frühzeitig der Bayerischen Regierung geschrieben. Und, sollte er doch zahlen müssen, will er sich und seine Klienten an der Hypo Alpe Adria schadlos halten, mit vielen hundert Millionen Euro. So schnell gibt der Geld-Agent vom Wörthersee nicht auf.

Der Klagenfurter Staatsanwaltschaft hat Berlin bereits erzählt, wie man das mit den höheren Zinssätzen für Ingrid Flick und die österreichischen Industriellen sehen müsse, die an der Hypo Alpe Adria gut verdient hatten. Wenn es darum gehe, Kunden dieser Qualität für eine angeschlagene Bank zu gewinnen, seien noch wesentlich höhere "Prämien" erlaubt. Man könne diesen Bonus mit Werbeausgaben vergleichen, etwa für Fernsehspots. Deren Wirkung sei aber viel schwerer einzuschätzen als der PR-Effekt, der am Finanzmarkt durch Geschäfte mit Leuten vom "Format" der damaligen Hypo-Aktionäre erzielt werde. Mit anderen Worten: Die Milliardärs-Witwe Flick war ihr Geld wert. Finanzstratege Berlin weiß eben, wie man mit den Reichen umgehen muss. Aus seiner Sicht war immer alles in Ordnung.

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