Hartz IV:Ansporn zum Arbeiten

Lesezeit: 3 min

CDU und FDP wollen die Hinzuverdienst-Regeln zugunsten von Hartz-IV-Empfängern ändern. Wird der Plan aufgehen und was springt für die Betroffenen heraus? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Thomas Öchsner

Die Idee war gut. Als die frühere rot-grüne Bundesregierung mit den Hartz-Gesetzen den Arbeitsmarkt flexibilisierte, wollte sie damit auch die Teilzeitarbeit fördern und die illegale Beschäftigung bekämpfen. Fünf Jahre später zeigt sich allerdings: Dieser Teil der Reform ist misslungen.

Empfänger von Arbeitslosengeld II ("ALG II") bevorzugen die finanziell attraktiven Minijobs, um ihr schmales Haushaltsbudget zu erhöhen. Sich mit einem niedrig bezahlten Vollzeitjob die Grundsicherung aufzubessern, lohnt sich für die Hartz-IV-Empfänger kaum.

Die schwarz-gelbe Koalition will deshalb die Hinzuverdienst-Regeln für Langzeitarbeitslose ändern. Doch das wird schwierig. Man müsse aufpassen, "dass sich nicht mehr Menschen in Hartz IV wiederfinden, die länger im System bleiben", sagt sogar Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Was können sich Hartz-IV-Empfänger dazuverdienen?

Wenn ein Bezieher von ALG II eine Arbeit aufnimmt, büßt er einen Teil seines Lohns dadurch wieder ein, dass sein Arbeitslosengeld gekürzt wird. Ein Arbeitnehmer mit einem 400-Euro-Minijob kann zum Beispiel 160 Euro von seinem Lohn behalten.

Die setzen sich zusammen aus einem Grundfreibetrag von 100Euro zuzüglich 20 Prozent von den restlichen 300 Euro. Grundsätzlich gilt: Beträge bis zu 100 Euro können Hartz-IV-Empfänger komplett kassieren.

Von dem Teil des monatlichen Bruttoeinkommens, der zwischen 100 bis 800 Euro liegt, verbleiben ihnen 20 Prozent. Vom Verdienst zwischen 800 Euro und 1200 Euro (mit Kindern: 1500 Euro) dürfen sie hingegen lediglich noch zehn Prozent behalten.

Warum ist die Annahme eines niedrig bezahlten Vollzeitjobs eher unattraktiv?

Häufig gibt es für Hartz-IV-Empfänger nur gering bezahlte Stellen, so dass sie weiterhin Anspruch auf die Grundsicherung haben. Für diese Gruppe ist ein Vollzeitjob jedoch wenig lohnend.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet vor: Eine alleinerziehende ALG-II-Empfängerin mit einem Minijob arbeitet 50 Stunden im Monat. Der Minijob ist für sie sozialgaben- und steuerfrei.

Bei einem Bruttostundenlohn von acht Euro bleiben ihr 3,20 Euro zusätzliches Einkommen. Bei einem Job mit 700 Euro Bruttomonatslohn erwirtschaftet sie nach Verrechnung mit dem ALG II 2,51 Euro.

Bei einem 1000-Euro-Job bleiben ihr sogar nur 2,08 Euro pro Stunde. Entsprechend sieht die Verteilung der Zusatzjobs aus: Von knapp 1,4Millionen Hartz-Beziehern mit Einkommen, genannt "Aufstocker", erhielten mehr als die Hälfte weniger als 400 Euro (Grafik).

Fördern die bestehenden Regelungen die Schwarzarbeit?

Im Dienstleistungssektor wie zum Beispiel in Hotels und in Gaststätten ist Schwarzarbeit weit verbreitet: Der Arbeitsvertrag ist in diesen Branchen genau bis zu der Grenze ausgestellt, bis zu der der Verdienst nicht mit Hartz IV verrechnet wird.

So verdienen knapp 23 Prozent der Aufstocker nur 100 Euro, also genau den Freibetrag. Häufig werde aber mehr gearbeitet "und direkt bar bezahlt", sagt der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky. "Bei Kontrollen findet dann immer gerade die offizielle Arbeitszeit statt."

Was will die Koalition ändern?

Im März wird eine Kommission beginnen, neue Hinzuverdienstregeln auszuarbeiten. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Wir wollen die Arbeitsanreize auch für gering entlohnte Beschäftigungsverhältnisse verbessern." Das Ziel: Es soll mehr ALG-II-Empfänger geben, die einen Vollzeitjob annehmen, auch wenn sie dann weiter Hartz IV benötigen.

Wie soll das gehen?

Das IW schlägt vor, den Freibetrag für den Hinzuverdienst auf 20 Euro zu senken. Von diesen 20 Euro abgesehen würde ein Einkommen von bis zu 200 Euro vom ALG-II-Anspruch komplett abgezogen. Im Gegenzug wird der Freibetrag für Löhne von 200 bis 1000 Euro auf 40 Prozent erhöht.

"Minijobber müssten so im Vergleich zum Status Quo bis zu 100Euro Einbußen hinnehmen. Ab einem Bruttoeinkommen von 700 Euro hätten Aufstocker aber deutlich mehr in der Tasche", sagt Holger Schäfer vom IW. So argumentiert auch Arbeitgeberchef Dieter Hundt: "Bei Vollzeit- oder vollzeitnahen Jobs müsste Hartz-IV-Beziehern mehr Netto bleiben."

Was sagt dazu die Opposition?

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles lehnt die Pläne vehement ab: Damit könnten die Arbeitgeber stärker als bisher an den Löhnen sparen. "Das wird ein Riesenmissbrauchsbereich und sehr teuer werden. Und das Schlimme ist, dass die Leute nicht rauskommen aus solchen Kombi-Lohn-Modellen", sagt Nahles.

Gibt es Alternativ-Vorschläge?

Die Grünen haben ein "Progressiv-Modell" vorgelegt, wonach die Sozialabgabensätze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber progressiv mit dem Einkommen steigen sollen. Vorteil: Wer wenig verdient, hat niedrigere Abgaben, Niedriglohn-Jobs lohnen sich mehr.

Dazu rät auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit könnte die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im Niedriglohnbereich "ein erster Schritt" sein. Nachteil: Die Grünen selbst beziffern den Nettofinanzierungsbedarf auf 6,5 Milliarden Euro. So oder so: Die Reform könnte auf jeden Fall teuer werden.

© SZ vom 27./28.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: