Griechenlands Politiker verhandeln:Herkules und die Wahlkämpfer

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Die Strukturen in Griechenland zu reformieren, ist eine Aufgabe sagenhaften Ausmaßes. Premier Papadimos soll nach dem Willen der Euro-Geldgeber eisern sparen. Doch die griechischen Politiker, auf die er angewiesen ist, sperren sich. Einer von ihnen beschwört sogar eine "revolutionäre Explosion" auf den Straßen. Warum seine Landsmänner Papadimos auflaufen lassen.

Jannis Brühl

Eine Herkulesaufgabe zeichnet sich nicht nur durch ihre unmenschliche Schwierigkeit aus. Sie kommt auch selten allein. Zwölf ἔργα, also Werke, musste der Halbgott Herkules vollbringen, um den Mord an seiner Frau wiedergutzumachen. Lukas Papadimos muss Jahrzehnte der Verschwendung und Korruption in Griechenland wiedergutmachen - und dazu an drei Fronten verhandeln.

Zähe Verhandlungen in Athen: Lukas Papadimos (2. v. r.) mit LAOS-Chef Giorgos Karantzaferis (l.), dem konservativen Antonis Samaras (2. v. l.) und Giorgos Papandreou von der sozialistischen Pasok. (Foto: AFP)

Zum einen streitet der griechische Premier mit dem internationalen Bankenverband IIF über die Höhe des Schuldenschnitts für sein Land. Zum anderen macht die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank und EU Druck auf ihn, schmerzhafte Einsparungen durchzusetzen, um an weiteres Hilfsgeld zu kommen. Drittens muss er die Reformen auch zu Hause in Athen durchsetzen.

Bis zum nächsten Treffen der Euro-Gruppe diese Woche hat ihm die Troika dafür Zeit gegeben. Doch mit Papadimos am Tisch sitzen zähe Gegner: die Führer der anderen griechischen Parteien, von denen seine Regierung abhängig ist.

Längst läuft ein Populismus-Wettbewerb zwischen den Gruppen. Es gilt, sich für Neuwahlen zu positionieren, denn der parteilose Banker Papadimos führt die Regierungsgeschäfte nur vorübergehend. Mit ihm am Tisch sitzen zum einen der Sozialistenchef und frühere Ministerpräsident Giorgos Papandreou, dann Antonis Samaras, der Vorsitzende der konservativen Neuen Demokratie, und Giorgos Karatzaferis, der Vorsitzende der rechtsnationalen LAOS. Ihr ursprünglich für Montag angesetztes Krisentreffen ist in letzter Minute auf Dienstag verschoben worden. Einen Grund für den Schritt nannte das Büro von Papademos nicht.

Zumindest bei Papandreou und Samaras gilt es als unwahrscheinlich, dass sie die Einsparungen am Ende scheitern lassen. Denn dann würden die Milliarden der Helfer-Troika ausfallen, Griechenland wäre endgültig bankrott. Trotzdem sperren sie sich in den Verhandlungen, keiner will als Vollstrecker des ausländischen Spardiktats dastehen. Denn der Zorn auf die fordernden Geldgeber wächst im Land, auf den Straßen brodelt es. Für Dienstag ist wieder einmal ein Streik angekündigt: Die beiden großen Gewerkschaften des Landes, ADEDY und GSEE, wollen für 24 Stunden in den Ausstand treten.

Die Verhandlungen zwischen Papadimos und den Parteien hängen derzeit vor allem an diesen Punkten:

[] Die Troika verlangt Lohnkürzungen, nicht nur bei staatlichen Arbeitsplätzen, sondern auch im privaten Sektor. Arbeitnehmer könnten bis zu 25 Prozent weniger verdienen. So soll Griechenland wettbewerbsfähiger werden. Darum sollen auch Renten gekürzt und der Mindestlohn gesenkt werden. Auch das 13. und 14. Monatsgehalt steht zur Debatte. Somit hätten allerdings auch noch mehr Griechen noch weniger Geld im Portemonnaie. Vor allem der konservative Samaras weist immer wieder darauf hin, dass so die Konjunktur abgewürgt und die Rezession verlängert würde. Dem Staat gingen dringend benötigte Einnahmen verloren. Samaras' Mantra ist seit langem: "Die Medizin ist schlimmer als die Krankheit" - die Sparprogramme seien für das Land also noch gefährlicher als die Überschuldung. Mit dieser harten Haltung sollen die griechischen Parteien schon die Streichung des Urlaubsgeldes für Angestellte abgewendet haben.

[] 15.000 Staatsbedienstete sollen bis Juni gehen. Insgesamt fordert die Troika die Entlassung von 150.000 Staatsbediensteten bis 2015. Die Massenentlassungen erzürnen den Rechtsaußen Karatzaferis, dessen Partei Laos schon immer antieuropäische Stimmungen schürt. Nach den größtenteils ergebnislosen Verhandlungen vom Sonntag warnte er bedeutungsschwanger vor einer "revolutionären Explosion wegen der Verarmung" der Griechen. Vergangene Woche hatte er die erzwungenen Reformen als "Zeitbombe für die gesamte westliche Welt" bezeichnet. Nicht nur von rechts kommt der Widerstand gegen das Spardiktat: Am Sonntagabend kam es auf dem zentralen Sytagma-Platz in Athen zu Handgemengen zwischen Polizei und Anarchisten, die gegen die Sparschritte demonstrierten.

[] Griechenlands Banken stehen harte Zeiten bevor. Papadimos' Regierung hat es mit Hilfe von Euro-Gruppe und IWF wohl geschafft, den Anteil in die Höhe zu treiben, auf den die privaten Gläubiger verzichten wollen. Sogar mehr als 70 Prozent scheinen mittlerweile möglich. Doch das bedeutet für die griechischen Banken, dass sie hohe Abschreibungen auf ihre griechischen Staatsanleihen hinnehmen müssen. Damit sie dann nicht untergehen, will der Staat Anteile an ihnen übernehmen. Doch für die Kapitalisierung fordert Ex-Regierungschef Papandreou von den Sozialisten mehr Macht für die Politik: Er brachte am Sonntag plötzlich ins Spiel, dass der Staat im Gegenzug für die Kapitalisierung Stimmrechte innerhalb der Banken erhalten solle. Samaras' konservativ-wirtschaftsliberale Nea Demokratia ist dagegen.

Papadimos braucht die innenpolitische Unterstützung für eine Einigung - andernfalls droht im März die Staatspleite, wenn EU, IWF und EZB dem neuen Rettungspaket im Volumen von mindestens 130 Milliarden Euro nicht zustimmen.

Am Sonntag hatten sich die Parteivorsitzenden lediglich darauf verständigt, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern, die auch Lohnkürzungen beinhalten könnte. Zudem sei Athen bereit, die Staatsausgaben um 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes 2012 zu verschlanken. Doch das reicht noch lange nicht, um Griechenland zu sanieren. Auf Papadimos warten weitere Herkulesaufgaben.

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