Griechenland und der Staatsbankrott:14 Milliarden Euro in 63 Tagen

Griechenland hat keinen Cent übrig, muss aber bald gewaltige Schulden begleichen. Um eine Staatspleite abzuwehren, muss die Regierung die Troika-Kontrolleure der Geldgeber zufriedenstellen, die allerdings von der Bevölkerung mit Streiks begrüßt werden. Dazu kommt der Streit mit der Bankenlobby.

Jannis Brühl

Manchmal muss man die Dinge ins richtige Verhältnis setzen: Während der Rest Europas noch irritiert ist von der Herabstufung Frankreichs von der erst- auf die zweitbeste Stufe der Kreditwürdigkeit, steht Griechenland am Abgrund. Der Staat ist akut vom Bankrott bedroht. Das Land stehe kurz vor der Pleite, sagte der Leiter des Länderbereichs Europa der Ratingagentur Standard & Poor's, Moritz Kraemer, zu Bloomberg TV.

Am 20. März könnten alle Rettungsaktionen der vergangenen zwei Jahre umsonst gewesen sein. Der Staat muss Schulden in Höhe von 14,4 Milliarden Euro zurückzahlen. Doch dafür ist kein Geld da. Kann er nicht überweisen, werden die Ratingagenturen Griechenland höchstwahrscheinlich mit dem großen D bestrafen: Die schlechteste Stufe auf der Bonitätskala steht für default - eine Pleite, die unabsehbare Folgen hätte.

Der neu eingesetzten Regierung von Ministerpräsident Lukas Papadimos bleiben noch 63 Tage, um zwei Hürden zu nehmen, mit denen das Land zumindest vorerst gerettet werden kann.

[] Das überschuldete Griechenland ist weiter auf das Wohlwollen des Auslands angewiesen. Die Troika-Experten von Internationalem Währungsfonds, EU und Europäischer Zentralbank kehren an diesem Dienstag zurück nach Athen. Sie überprüfen, ob die Regierung so viel spart wie versprochen. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt dürfte die Troika weitere Reformen anmahnen, unter anderem eine Senkung des Mindestlohns und die Streichung zusätzlicher Gehälter, zum Beispiel das Weihnachtsgeld. Ist die Troika nicht zufrieden, gibt es keine weiteren Kredite mehr. Auch der Chef der Griechenland-Task-Force der EU, der Deutsche Horst Reichenbach, trifft sich am Dienstag mit Regierungsvertretern, um über die Sparpläne der Regierung zu sprechen.

Begrüßt werden die unbeliebten Kontrolleure mit Streiks: Aus Protest gegen weitere geplante Lohnkürzungen traten am Dienstag die U-Bahn-Fahrer in Athen für 24 Stunden in den Streik. Auch die Fähren aus Piräus und zwei kleineren Häfen zu den Ägäisinseln liefen nicht aus. Ärzte sollen in Krankenhäusern nur Notfälle behandeln.

Deutschland schickte den Troika-Analysten noch eine Mahnung an Griechenland hinterher: Strukturreformen müssten durchgesetzt werden, so dass Europa in Zukunft nicht noch einmal vor einer ähnlichen Situation stehe, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dem Sender Greek Skai.

[] Die Regierung muss dringend zu einer Einigung mit den privaten Gläubigern kommen. Am Mittwoch gehen ihre Gespräche mit dem Internationalen Verband der Bankenlobby IIF weiter, die vergangene Woche vertagt wurden. Der hatte auf dem EU-Gipfel in Brüssel im Oktober zugestimmt, Griechenland 50 Prozent seiner Schulden zu erlassen - indem aktuell fällige Anleihen in längerfristige Papiere getauscht werden. Das entspräche 100 Milliarden Euro. Jetzt streiten beide Seiten aber über den Zinssatz auf diese Papiere. Athen will weniger als vier, vielleicht nur drei Prozent bieten, die Banken wollen vier bis fünf Prozent. Einige große Hedgefonds weigern sich Berichten zufolge sogar komplett, bei der Umschuldung mitzumachen. Außerdem fordern die privaten Banken, dass sich auch die EZB als öffentlicher Schuldner beteiligt, die viele griechische Staatspapiere hält.

Sollte sich ein Teil der Gläubiger querstellen, will Griechenland einem Bericht des Wall Street Journal zufolge Druck auf sie ausüben, indem die Regierung sogenannte collective action clauses rückwirkend in die Kreditverträge einfügt. Diese Umschuldungsklauseln machen es möglich, das Schuldner eine Minderheit ihrer Gläubiger zwingen, einen Schuldenschnitt mitzutragen, solange eine ausreichend große Mehrheit dafür ist.

Unterstützung für Griechenland kommt vom deutschen Finanzminister: "Das ist klar, dass die Gläubiger gern höhere Zinsen hätten", sagte Schäuble. Die Banken dürften ihre Forderungen aber nicht überziehen - sonst gefährdeten sie das Ziel der Schuldentragfähigkeit, demzufolge das Land von 2020 an nur noch mit 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verschuldet sein soll. Derzeit liegt diese Quote bei 160 Prozent. Auch der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager sagte, eine tragbare Schuldenlösung sei Bedingung für weitere Unterstützung.

Der griechische Ministerpräsident Papadimos versucht, auch angesichts des Drucks von Troika und Bankenlobby Zuversicht zu verbreiten. Es werde keine Staatspleite geben, genausowenig wie einen Abschied vom Euro und die Rückkehr zur Drachme. Er will die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern innerhalb von drei Wochen abschließen. Die Zeit läuft. Mal wieder.

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