Griechenland und die Währungsunion:In guten wie in schlechten Tagen

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"Werft sie hinaus!" - das Wutgeschrei derjenigen schwillt an, die Griechenland nicht mehr in der Euro-Zone haben wollen. Doch Europa ist mehr als eine Kosten-Nutzen-Rechnung und Griechenland noch lange nicht am Ende. Noch lässt sich die Tragödie verhindern.

Cerstin Gammelin

Wie stimmten wohl die Bürger in den Ländern des Euro-Klubs ab, wenn sie folgende Fragen zu beantworten hätten: Ist es für die Währungsgemeinschaft besser, wenn Athen die Drachme wieder einführt - und sich anschließend russische und chinesische Staatsfonds dort einkaufen? Oder hilft es der Stabilität Europas mehr, wenn die Euro-Partner die Krise und den durch die Wähler geforderten Umbruch in Griechenland gemeinsam bewältigen?

Rausgehen oder drinnenbleiben - noch wird diese entscheidende Frage vor allem von denjenigen gestellt, die wollen, dass Griechenland raus muss aus dem Euro. Ihr Wutgesang schwillt ungehindert an. Ungeniert hantieren Politiker, Banker und andere Experten mit geschätzten Milliardensummen, die beweisen sollen, dass es für den (deutschen) Steuerzahler billiger wäre, wenn elf Millionen griechische Bürger wieder mit der Drachme zahlten.

Das Geschrei ist Teil einer gewaltigen Drohkulisse, welche die Europäer immer dann aufbauen, wenn sie die griechischen Parteien zur Einigung treiben wollen. Doch selbst wenn dieser Vernunftprozess in Athen ausbleibt: Anders als Barroso, Westerwelle und andere immer behaupten, werden die Europäer am Ende bereit sein müssen, noch einmal über die Details der Sparprogramme zu reden. Dafür gibt es noch hinreichend Spielraum.Griechenlands Problem ist Europas Problem - sonst droht die Tragödie

Vor allem lässt sich das Ergebnis einer demokratischen Wahl nicht so einfach ignorieren. Wenn es dem Euro-Klub ernst ist mit seinem Selbstverständnis als politische Gemeinschaft, wenn ihm Europa mehr ist als eine national-volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung, dann gilt am Ende: Griechenlands Problem ist Europas Problem - in guten wie in schlechten Tagen. Tritt Athen aus, dann wird aus der griechischen eine europäische Tragödie. Mit einer klaren Botschaft: Die Erosion des Euro hat begonnen. Spaniens Banken lassen grüßen.

Gesucht: Neue Verhandlungsmasse

Deswegen wird längst nach neuer Verhandlungsmasse gesucht - ohne dass einer der Beteiligten als Umfaller erscheinen würde. Da geht es zunächst um Zeit. In Deutschland hat es fünf Jahre gedauert, bis die von der rot-grünen Regierung angestoßenen Reformen der Agenda 2010 wirkten. Man könnte Athen also für einen vergleichbaren Zeitraum den Schuldendienst stunden.

Und da ist die Ungerechtigkeit, dass die Sparprogramme oft Bürger treffen, die zuvor nicht vom Geldregen profitiert haben - man müsste also gezielter die Vermögenden treffen. Und schließlich könnten die Europäer endlich ihre Steuergesetze reformieren. Die griechischen Reeder, die früher großzügig subventioniert wurden, zahlen bis heute keinen Cent in die griechische Haushaltskasse ein - weil sie in einem billigen britischen Steuerhafen ankern.

Drachme oder Euro - das neue europäische Führungsduo Merkel-Hollande sollte diese Frage gleich zu Beginn seines gemeinsamen Weges beantworten.

© SZ vom 15.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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