Banken:Griechenland schöpft neue Hoffnung

Banken: Angestellte öffentlicher Krankenhäuser demonstrieren vor dem Finanzministerium gegen Kürzungen im griechischen Gesundheitssektor.

Angestellte öffentlicher Krankenhäuser demonstrieren vor dem Finanzministerium gegen Kürzungen im griechischen Gesundheitssektor.

(Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
  • Ein Blick in die Bankbilanzen offenbart, wie eng das Korsett ist, das die seit Jahren schwelende Krise der hellenischen Wirtschaft angelegt hat.
  • Immerhin: Die griechischen Banken sind in deutlich besserer Verfassung als zu Beginn der Krise.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Als sie ihn fragten, ob er zurückkommen will, zögerte George Handjinicolaou nicht lange. Drei Jahrzehnte hatte er im Ausland verbracht, bei Banken in London und New York, Dresdner Bank, Bank of America, UBS, eine Karriere im Maschinenraum des Großkapitals. Er hatte beobachtet, wie Griechenland in die Krise geriet, er hatte verfolgt, wie die Depression das Land und die Menschen traf, wie das Vertrauen in Regierung und Institutionen schwand und nicht wieder zurückkehrte.

Jetzt möchte Handjinicolaou seinem Heimatland etwas zurückgeben. Vor acht Monaten zog er zurück nach Athen und wurde Aufsichtsratschef der Piräus Bank, dem nach Bilanzsumme größten griechischen Geldinstitut. Es schreibt seit Jahren Verluste, kämpft wie alle griechischen Banken mit einer riesigen Menge an faulen Krediten und hängt von Notkrediten der Zentralbank ab. "Die Zukunft der Banken", sagt er, "hängt eng zusammen mit der Zukunft des Landes." Was gut für die Banken ist, sei auch gut für Griechenland.

Am Zustand des griechischen Finanzsektors lässt sich ziemlich exakt ablesen, wie es dem Land geht. Ein Blick in die Bankbilanzen offenbart, wie eng das Korsett ist, das die seit bald acht Jahren schwelende Krise der hellenischen Wirtschaft angelegt hat. Der Blick zeigt, wie schlecht es Menschen und Unternehmen noch immer geht, wie viele Privatleute, kleine und große Firmen ihre Darlehen nicht zurückzahlen können. Er zeigt, wie wenig Geld zurückgeflossen ist, seit die Griechen vor zwei Jahren ihre Konten leer räumten.

Steigt die politische Unsicherheit, geraten die Bilanzen der Banken wieder unter Druck

Vor einer Woche einigten sich die Gläubiger auf neue Kredite für den klammen Staat und gaben 8,5 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfsprogramm frei. Dem Abkommen war ein langer politischer Streit vorausgegangen - im Zuge dessen eine Staatspleite plötzlich wieder möglich schien. "Die Prokrastination in den politischen Verhandlungen war nicht gerade hilfreich", sagt Handjinicolaou.

Denn auch das ließ sich in der ersten Jahreshälfte anhand der Bankbilanzen studieren: Als die politische Unsicherheit stieg, zogen Kunden wieder Geld ab - was zwar auf 420 Euro pro Woche und Kontoinhaber beschränkt bleibt, aber die Banken trotzdem empfindlich trifft. Investoren aus dem In- und Ausland halten sich nach wie vor zurück.

Konsumenten geben weniger aus, wenn sie fürchten, dass die Krise wieder zurückkehrt. Es ist ein lähmender Kreislauf, der seit Jahren immer wieder von vorn beginnt. "Allein die Tatsache, dass es jetzt eine Einigung gibt, stellt Vertrauen wieder her", sagt Handjinicolaou. "Dieses Vertrauen können Sie anhand der Mittelzuflüsse in den Banken messen."

Wenn jetzt nicht doch wieder etwas schiefgeht, könnte ein Wendepunkt bevorstehen, für die Institute und das Land gleichermaßen. In ihrer jüngsten Analyse zu griechischen Banken hält die Ratingagentur Moody's ihren Ausblick für den Sektor auf "stabil" und erwartet, die Institute blieben 2017 "annähernd profitabel". "Die griechischen Banken sind in der besten Verfassung, in der sie seit Beginn der Krise jemals waren", sagt Handjinicolaou und betont zugleich, wie fragil die Situation noch immer ist. Seit der Rettungsaktion im Herbst 2015 seien die Banken zwar ausreichend kapitalisiert, und mit dem gesunden Teil ihrer Bilanzen verdienten sie sogar wieder Geld. "Aber dieses Geld verschwindet sofort wieder, weil sie anderswo Löcher zu stopfen haben", sagt er.

Diese Löcher, das sind die vielen ausgefallenen Kredite im griechischen Bankensystem. Zum Jahresende lag ihr Wert bei 106 Milliarden Euro - das sind 45 Prozent aller ausstehenden Darlehen. Und die schlimmsten, sagt Handjinicolaou, seien die Konsumentenkredite. Nach der Euro-Einführung hatte sich in Griechenland eine Kreditblase gebildet, ähnlich wie in Spanien oder in den USA angeheizt durch billige Immobiliendarlehen. Nahezu jeder, der wollte, bekam einen Kredit. Bauherren verschuldeten sich, um Häuser und Hotels zu errichten, die heute unfertig wie Mahnmale in der Landschaft stehen. In der Finanzkrise verfielen die Immobilienpreise; sie haben sich bis heute nicht erholt. "Die Immobilienkredite sind deshalb einer der schwierigsten Posten für die Banken", sagt Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Das Geld kommt wohl nie zurück.

Damit überhaupt wieder mehr zurückkommt und die Banken die faulen Kredite schneller abbauen können, bräuchte Griechenland vor allem zwei Dinge, die direkt miteinander zusammenhängen: erstens anhaltende politische Stabilität, die sich nicht periodisch wieder in Spekulationen über eine drohende Pleite des Landes auflöst - damit neues Vertrauen in Staat und Banken entsteht. Zweitens, so formuliert es Handjinicolaou, brauche das Land Wachstum "mehr als alles andere".

Für ein Land, dessen Wirtschaft so sehr geschrumpft ist, sind zwei Prozent Wachstum nicht viel

Vielleicht ist der Anfang für einen dauerhaften Aufschwung bereits gemacht. Neue Wachstumsprognosen stimmen zumindest optimistisch: Der Internationale Währungsfonds erwartet 2,2 Prozent in diesem Jahr, Moody's rechnet mit 1,5 Prozent. Die Piräus Bank ist zurückhaltender und hat erst vor Kurzem ihre Vorhersage auf über ein Prozent angehoben. Wirklich viel wäre das alles noch nicht. Er würde erst von einem positiven Wachstum sprechen, sagt Wirtschaftsforscher Kritikos, wenn es um vier oder fünf Prozent ginge.

Davon ist Griechenland noch weit entfernt. Was dem Land vor allem fehlt, um die Krise hinter sich zu lassen, sind Investitionen. Selbst im Inland gebe es noch genügend Menschen, die gerne investieren würden, vom reichen Geschäftsmann bis zum Eckladenbesitzer, sagt Handjinicolaou. Das allein werde indes nicht reichen: "Wir brauchen ausländische Investitionen, wenn wir nachhaltiges Wachstum sehen wollen." Aber damit Investoren sich wieder für Griechenland interessieren, brauchen sie Sicherheit. Die lässt noch auf sich warten. Und damit auch das Ende der Erzählung vom griechischen Dilemma.

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