Gleichberechtigung:IWF-Chefin: Deutschland muss mehr für Frauen und Jüngere tun

IWF-Chefin Christine Lagarde 2018 in Paris

Erwartet von Deutschland mehr Engagement für Frauen: IWF-Chefin Christine Lagarde.

(Foto: REUTERS)
  • Mehr Chancen für Frauen und junge Menschen: Das erwartet IWF-Chefin Chefin Lagarde von der kommenden Bundesregierung.
  • Deutschland befindet sich in einem Wandel, sagte die IWF-Chefin. Auf die neue Bundesregierung sieht sie "riesige Herausforderungen" zukommen.
  • Im Interview spricht sie auch über die "Me too"-Debatte. Lagarde begrüßt, dass das Thema eine große Debatte ausgelöst hat. "Jetzt bahnt sich die Wut ihren Weg", sagte sie.

Von Cerstin Gammelin, Basel

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, fordert eine neue Bundesregierung auf, die Chancen von Frauen und jüngeren Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Nötig seien "erhebliche Investitionen, um die Produktivität zu steigern, beispielsweise in die Infrastruktur. Damit meine ich nicht nur mehr Brücken, Straßen oder digitale Netzwerke, sondern auch Investitionen in Bildung und in die Jugend", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

Frauen müssten in den Arbeitsmarkt gebracht werden, "um dazu beizutragen das Problem der alternden Gesellschaft zu lösen. In Deutschland gehen zwar mehr Frauen als zuvor arbeiten, aber meist in Teilzeit und zu niedrigeren Löhnen. Auch das muss sich bessern".

Die Nominierung von Andrea Nahles als erste weibliche Kandidatin für den SPD-Vorsitz sei für sie "wahrlich keine Überraschung" gewesen. "Es war schon immer meine Überzeugung, dass Frauen in schweren Zeiten gerufen werden. Wenn die SPD jetzt endlich eine Frau nominiert, dann wohl deshalb, weil sie neue Energie braucht und wieder stark werden muss".

Deutschland befindet sich in einem Wandel, sagte die IWF-Chefin. Auf die neue Bundesregierung sieht sie "riesige Herausforderungen" zukommen. "Klimawandel, Steuerflucht oder Überalterung machen vor nationalen Grenzen nicht halt", sagte sie. Hinzu kämen die Probleme von massenhafter Migration, die wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit gefährden könnten.

Lagarde räumte ein, dass die "Me too"-Debatte auch den IWF erreicht hat. "Jeder in der Organisation, vom Topmanagement bis zu den Mitarbeitern, sollte daran beteiligt sein, sexuelle Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz anzusprechen", sagte sie. Der IWF beschäftige Menschen aus mehr als 150 Ländern. "Wir haben festgestellt, dass wir alle verstehen müssen, dass es Unterschiede gibt. Deshalb stellen wir uns der Lage und überprüfen, wo erforderlich, wie wir zusammen arbeiten, damit wir als Institution noch besser werden können".

Endlich sei die Debatte über sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz in Gang gekommen. "Jetzt bahnt sich die Wut ihren Weg", sagte Lagarde. Dabei dürfe es aber nicht bleiben. "Diese Gefühle müssen jetzt in Aktionen umgewandelt werden". Männer müssten sich ebenfalls beteiligen. "Es ist wichtig, dass sich Männer nicht an die Seite geschoben fühlen oder genervt sind. Und lassen Sie uns ehrlich sein: Es gibt sicherlich auch Männer, die sexuell belästigt wurden".

Ein Spitzenjob in Europa? Derzeit kein Thema für Lagarde

Mit Blick auf Europa fordert Lagarde eine Vollendung der Währungsunion. "Dazu gehören auch die gemeinsame Einlagensicherung und eine gemeinsame Letztsicherung für die Abwicklung von Banken."

Die IWF-Chefin geht davon aus, dass das laufende Rettungsprogramm für Griechenland im August beendet wird. Das sei aber nicht das Ende der Geschichte. "Die Europäer haben sehr viel Geld in Griechenland investiert und deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass Athen weitermacht mit Reformen und liefert, was es versprochen hat".

Auf einen Spitzenjob in Europa wolle Lagarde derzeit nicht wechseln. "Ich habe eine Vereinbarung mit dem IWF", sagte sie. Allerdings habe Europa in der gegenwärtigen geopolitischen Lage "eine herausragende Verantwortung für den Rest der Welt. Wenn der IWF helfen kann, werden wir das tun".

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