Freihandelsabkommen:Ist Ceta jetzt gescheitert?

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Der EU-Kanada-Gipfel ist geplatzt. Aber ist das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta deshalb am Ende? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Valentin Dornis

Das Freihandelsabkommen Ceta wird heute nicht unterzeichnet. Die kanadische Delegation sagte den geplanten Gipfel mit der EU ab, bei dem das umstrittene Ceta-Abkommen zwischen Kanada und der EU zur vorläufigen Anwendung gebracht werden sollte. Doch weil Belgien sich nicht auf eine Zustimmung zu Ceta einigen konnte, ist der Termin geplatzt. Was bedeutet das für das Freihandelsabkommen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist Ceta jetzt gescheitert?

Nein. Sowohl die EU als auch Kanada wollen weiter darauf hinarbeiten, das Freihandelsabkommen zum Abschluss zu bringen. Kanada sei weiterhin dazu bereit, sobald Europa so weit sei, versicherte der Sprecher von Handelsministerin Chrystia Freeland. EU-Vertreter gehen davon aus, dass sich die Belgier einigen werden und damit alle 28 Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung zu Ceta geben.

Wie geht es jetzt weiter?

Seit heute Morgen wird in Belgien weiterverhandelt. Damit die belgische Regierung der Unterzeichnung von Ceta zustimmen kann, braucht sie die Zustimmung aller Regionalparlamente. Sobald es in Belgien eine Einigung gibt, kann die EU wieder arbeiten. Als Erstes müssen sich die EU-Botschafter dann mit möglichen Zugeständnissen an die Belgier befassen. Wenn alle Mitgliedsstaaten zugestimmt haben, kann ein neuer Termin für die Vertragsunterzeichnung zur vorläufigen Anwendung von Ceta angesetzt werden.

Was ist der Grund für die Blockade in Belgien?

Das Parlament der Region Wallonien will Ceta nicht zustimmen, solange nicht bestimmte Teile des Abkommens überarbeitet werden. Die ländlich geprägte Region fürchtet Nachteile für die Landwirtschaft und stört sich an der Einführung von Schiedsgerichten, die über strittige Fälle entscheiden sollen.

Allerdings spielen auch innenpolitische Gründe eine Rolle. Die verschiedenen Regionen und Sprachgemeinschaften in Belgien sind zerstritten. Außerdem sind in Wallonien die Sozialisten an der Macht, Belgiens Zentralregierung besteht dagegen aus einem Mitte-rechts-Bündnis. Walloniens Ministerpräsident Paul Magnette dürfte also auch darauf hoffen, mit seiner Ceta-Blockade bei den Wählern zu punkten.

Warum ist die geplatzte Unterzeichnung überhaupt ein Problem, wenn doch weiter verhandelt wird?

Die Europäische Union ist ein großer Wirtschaftsraum mit etwa 500 Millionen Einwohnern. Dass es die EU nach sieben Jahren Ceta-Verhandlungen mit Kanada nicht schafft, den Vertrag wie vereinbart zu unterzeichnen, könnte ihren Ruf als globaler Handelspartner dauerhaft beschädigen. Sollten sich die 28 Mitgliedsstaaten nicht einig werden, könnte das als Zeichen für die Handlungsunfähigkeit der EU gewertet werden.

Doch es gibt durchaus Verteidiger der langwierigen politischen Auseinandersetzungen und Bürgerproteste. Ihr Argument: Erst dies habe inhaltliche Verbesserungen des Ceta-Abkommens ermöglicht.

Was hat sich durch den Widerstand konkret verändert?

Ein großer Kritikpunkt waren die privaten Schiedsgerichte. Diese wurden durch einen Investitionsgerichtshof ersetzt. Das ist ein internationales Gericht, vor dem Streitfragen im Rahmen des Ceta-Vertrages geklärt werden sollen. Die Richter werden von der EU und Kanada ernannt.

In einer Zusatzerklärung zum Ceta-Vertrag versuchten die EU und Kanada außerdem, weitere Kritikpunkte zu entschärfen, unter anderem zur Regulierung der Wirtschaft und zum Schutz der öffentlichen Infrastruktur, also zum Beispiel Straßen, Wasserversorgung oder Krankenhäuser. Ceta-Gegnern ging diese Zusatzerklärung allerdings nicht weit genug, sie zweifelten außerdem die Rechtsverbindlichkeit des Papiers an.

Wenn Ceta später unterzeichnet wird, ist der Streit dann vorbei?

Nein. Bei dem für heute geplanten EU-Kanada-Gipfel sollte der Vertrag zur vorläufigen Anwendung unterzeichnet werden. Danach beginnt erst der Ratifizierungsprozess. Ceta kann nämlich erst dann vollständig in Kraft treten, wenn alle 28 nationalen Parlamente in der EU ihre Zustimmung gegeben haben. Allein dieses Verfahren dürfte mindestens ein Jahr dauern.

Und dann gibt es auch noch Klagen gegen Ceta, die verhandelt werden müssen. In Deutschland unterstützen rund 200 000 Menschen zwei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Zwar lehnte das Gericht Mitte Oktober einen Eilantrag gegen die Zustimmung Deutschlands zur vorläufigen Anwendung von Ceta ab. Allerdings unter Bedingungen: Es sei mehr demokratische Legitimation notwendig, außerdem sollte die vorläufige Anwendung von Ceta nur die EU-Seite betreffen und Deutschland jederzeit wieder aussteigen können. Das weitere Verfahren zu den Ceta-Klagen wird nun ebenfalls mehrere Monate dauern - oder sogar länger.

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