Forderung nach Umzugsbonus:Wo sollen die Senioren hin?

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  • In vielen deutschen Städten mangelt es an Wohnraum.
  • IG-Bau-Chef Feiger hat deshalb eine Umzugsprämie für Senioren vorgeschlagen: Sie sollen in kleinere Wohnungen ziehen und ihre großen Wohnungen Familien überlassen, die den Platz dringend brauchen.
  • Doch gerade die kleinen Wohnungen sind knapp.

Kommentar von Pia Ratzesberger

Der Wohnungsmarkt schließt immer mehr Menschen aus

In vielen deutschen Städten ist kein Platz mehr. Seit Jahren klagen die Metropolen, in die alle drängen, über zu wenig Wohnraum. Doch nicht nur in München oder Hamburg, selbst in den kleinen Städten wird es eng. Der Wohnungsmarkt, auf dem ein kleines Angebot auf eine große Nachfrage trifft, lässt immer mehr Menschen außen vor: die mit dem geringen Gehalt, die mit dem befristeten Arbeitsvertrag - und auch die mit der großen Familie.

Eine Familie mit fünf Kindern hat in Deutschland durchschnittlich gerade einmal etwa 130 Quadratmeter zur Verfügung. Senioren, die alleine leben, besitzen im Schnitt dagegen etwa 80 Quadratmeter. Den IG-Bau-Chef Robert Feiger hat das nun zu einem recht ungewöhnlichen Vorschlag veranlasst: einer Umzugsprämie für Senioren. Der Staat soll Umzugswilligen in hohem Alter einen Bonus von bis zu 5000 Euro zahlen. So sollen die Senioren dazu bewegt werden, in kleinere Wohnungen zu wechseln und ihre großen Wohnungen den Familien zu überlassen, die den Platz dringend brauchen.

Auf den ersten Blick mag das vielleicht nach einer sinnvollen Idee klingen - doch leider wird der Gedanke nicht zu Ende geführt.

Denn wer will schon sein gewohntes Umfeld verlassen, in dem er sich seit Jahren wohlfühlt, seine Nachbarn und seinen Supermarkt? Gerade im hohen Alter dürften Flexibilität und die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen, abnehmen.

Und selbst wenn Senioren ihre alte Wohnung verlassen möchten, weil ihnen die Größe selbst zur Last fällt - in welche kleinen Wohnungen sollen die Alten ziehen? Gerade die kleinen Ein-Zimmer-Wohnungen sind es, die in vielen Städten fehlen. Die wollen nämlich alle. Die gut verdienenden Singles, die Sozialhilfeempfänger, die Arbeiter, die Studenten.

Gerade die kleinen Wohnungen sind knapp

Deshalb sind es vor allem die kleinen Wohnungen, die nicht nur knapp sind - sondern in der Folge auch oft sehr teuer. Senioren, die seit Jahrzehnten am gleichen Ort leben, haben in ihrer bisherigen Wohnungen womöglich noch alte Mietverträge zu günstigen Konditionen. Die staatliche 5000-Euro-Prämie, die vor allem für Maklerkosten, Umzugshelfer und eventuelle Renovierungen verwendet werden soll, hilft wenig, wenn die neue Miete plötzlich sehr viel höher liegt. In manchen Fällen dürfte der Bonus wohl nicht einmal die vollen Umzugskosten decken.

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:Wohnungsmangel: Keine großen Wohnungen für Senioren?

Bis zu 5000 Euro sollen Senioren bekommen, wenn sie ihre großen Wohnungen aufgeben. Mit diesem Vorschlag will IG-Bau-Chef Robert Feiger die Wohnungsnot von Familien stoppen. Hilft diese Idee Wohnungssuchenden oder profitieren am Ende doch nur Vermieter?

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Die hohen Mieten in den deutschen Städten bringen außerdem noch ein zweites Problem mit sich, das der IG-Bau-Chef nicht bedacht hat. Wenn die Senioren die großen Wohnungen frei machen, ist noch lange nicht gesagt, dass die Vermieter diese zum bisherigen Preis neu vermieten. Da fast in der gesamten Bundesrepublik die Mietpreise anziehen, ist das sogar ziemlich unwahrscheinlich. Von der geplanten Mietpreisebremse sind zum Beispiel Wohnungen bei der ersten Neuvermietung ausgeschlossen, die umfassend renoviert wurden. Eine freie Wohnung nützt der fünfköpfigen Familie also gar nichts, wenn sie nicht erschwinglich ist.

Die Prämie kann somit lediglich ein Anstoß sein, eine Lösung für das Grundproblem bietet sie nicht: Es braucht mehr Wohnraum - vor allem mehr bezahlbaren.

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