Flugverkehr:Fair fliegen für Anfänger

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Die EU-Kommission will Lufthansa & Co vor der Konkurrenz vom Persischen Golf schützen. Aber wer ist hier Täter, und wer ist Opfer?

Kommentar von Marc Beise

Der Fußballspieler Marwin Hitz, 28, fiel am vergangenen Bundesliga-Wochenende durch unsportliches Verhalten auf: Der Augsburger Torwart zertrampelte mit seinen Stollen vor einem Kölner Strafstoß den Elfer-Punkt. Prompt verzog der Schütze, Hitz hielt. Später blieb ihm angesichts entlarvender Fernsehbilder nichts anderes übrig, als zu bekennen: "Fair war das nicht." Ach, wäre es nur in der Luftfahrt doch ähnlich leicht wie auf dem Fußballplatz, unfaires Verhalten zu erkennen!

So sind beispielsweise die Lufthansa und ihre Kollegen in Europa und den USA entschieden der Meinung, die Konkurrenten vom Golf - Emirates, Etihad und Qatar Airways - flögen nicht fair, indem sie sich von ihren Eigentümer-Scheichs massiv subventionieren ließen und dadurch günstige Preise anbieten könnten. Die Angegriffenen wiederum bestreiten das vehement und sprechen von "schmutzigen Tricks" der anderen Seite. Oder in Zahlen: Als beim internationalen Jahrestreffen der Branche in Miami Manager der drei großen amerikanischen Airlines - American, Delta und United - den drei Golf- Firmen vorwarfen, diese hätten von ihren jeweiligen Scheichtümern insgesamt 42 Milliarden Dollar Subventionen erhalten, ließ Etihad gegenrechnen und kam auf 71 Milliarden Dollar Subvention für die drei US-Gesellschaften.

Was soll man davon jetzt halten?

Dummerweise helfen Experten nicht weiter. Während die einen keinen Zweifel am unsportlichen Verhalten der Golf-Gesellschaften haben, halten andere die Probleme der Europäer eher für hausgemacht. Einerseits konnten Qatar Airways und die anderen so schnell so erfolgreich werden auch dank des Startkapitals ihrer durchs Öl reichgewordenen Heimatstaaten. Aber hat nicht auch die Lufthansa ihr Image selbst ramponiert durch falsche Strategie, schlechten Service und ständige Streiks? Wer wie die Lufthanseaten unterwegs ist, braucht keine reichen Wettbewerber aus den Öl-Staaten, der fliegt auch so in die Krise.

Radikallösungen sind immer schlecht

Die Frage ist nun, ob man die aktuellen EU-Pläne zum Schutz der eigenen Flugindustrie, die am Montag in Brüssel vorgelegt wurden, gut finden soll - oder nicht. Eine Detailkritik vorweg: Radikallösungen wie Landeverbote oder Strafzölle sind immer schlecht. Sie heizen den Konflikt an und gefährden freien Handel - der aber ist, allgemein gesprochen, immer noch der beste Garant für mehr Wachstum und Wohlstand. Handelskriege, und fänden sie auch nur innerhalb einer Branche statt, helfen nie und bergen die Gefahr der Ausweitung.

Es sind ja nicht einmal Täter und Opfer klar zu identifizieren. So würden sich vielleicht die Lufthansa und ihre Bediensteten und Aktionäre freuen, aber schon die deutschen Flughäfen und ihre Bediensteten und Aktionäre müssten die Zeche mitzahlen. Man kann sogar noch weiter gehen: Aus Sicht eines Flughafens wäre es vielleicht sogar besser, viele reiche Golf-Airlines begehrten hierzulande Lande- und Startrechte als eine klamme deutsche Fluggesellschaft.

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Dass Brüssel sich jetzt aber des Themas annimmt, ist per se eine gute Sache. Denn es geht um große strategische Fragen der Industriepolitik, die man in einem wirtschaftlich eng integrierten Europa sinnvollerweise gemeinsam verfolgt. Dazu gehört das Mandat der Mitgliedsstaaten an die EU-Gremien, gegebenenfalls neue Luftverkehrsabkommen auszuhandeln.

Noch besser wäre es, wenn das im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) geschähe, die ein ausgeklügeltes Streitschlichtungssystem hat. Das WTO-System krankt allerdings daran, dass immer alle Staaten zustimmen müssen- und solange die Scheichs das nicht wollen, bleibt diese Option theoretisch.

Die EU-Kommission ist die richtige Instanz für mehr Durchblick

Gut ist in jedem Fall, auf Transparenz zu dringen. Wichtiger als völlige Waffengleichheit ist es nämlich, dass man weiß, was der andere macht und wie er sich finanziert. Nun sind die Scheichtümer auch sonst nicht sehr offen, weshalb ihnen hier das Verständnis fehlen könnte. Um mehr Durchblick mit dem nötigen Nachdruck einzufordern, ist die Europäische Kommission, die für 500 Millionen Bürger spricht, die richtige Instanz.

Bei allen Forderungen nach politischem Flankenschutz aus Brüssel darf man aber die europäischen Fluggesellschaften wie namentlich die Lufthansa nicht aus der Pflicht entlassen, als Anbieter für Kunden und Investoren wieder attraktiver zu werden. Das ist Sache des Managements, aber auch der Mitarbeiter in den Fliegern und davor.

Zum fairen Spiel gehört auch, für eigene Probleme nicht nur die anderen verantwortlich zu machen.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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