Europäische Gerichtshof:Richter entzaubern Fahrvermittler Uber

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Etablierten Taxi-Unternehmen war Uber schon lange ein Dorn im Auge. In Deutschland hatte das Unternehmen bereits mehrere Zivilprozesse verloren. (Foto: AP)
  • Die Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg stufen Uber Pop als Verkehrsdienstleistung ein.
  • Die EU-Mitgliedsstaaten können Uber nun zu gleichen Regeln verpflichten, die etwa die konkurrierende Taxi-Branche einhalten muss.
  • Uber hatte den Dienst wegen rechtlicher Probleme in den meisten EU-Staaten bereits eingestellt.

Von Jan Schmidbauer und Jan Willmroth, München

Als Uber vor einigen Jahren in Europa antrat, sah das aus wie ein ungleicher Kampf. Auf einmal war da ein junges Unternehmen aus Kalifornien, angeführt von einem frechen Softwareentwickler namens Travis Kalanick, ausgestattet mit Milliarden Dollar, bereits weltweit aktiv, mit dem Anspruch, die Zukunft der Mobilität in den Städten neu zu definieren. Dagegen kam die Taxibranche mit ihren strengen Regeln und starren Preisen daher wie ein weiteres Gewerbe, das die Digitalisierung verschlafen hat und jetzt überrollt wird. So ungleich aber, das ist jetzt höchstrichterlich besiegelt, sind die Kontrahenten nicht.

Die Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg stuften die Vermittlung privater Fahrer, die das Unternehmen auch hierzulande einst unter dem Namen Uber Pop vermarktet hatte, als Verkehrsdienstleistung ein. Der Dienst muss damit so reguliert werden wie etwa die konkurriende Taxi-Branche, deren Fahrer beispielsweise einen Personenbeförderungsschein besitzen müssen.

Uber hatte argumentiert, es sei mit seinem App-Angebot lediglich ein Vermittler von Fahrten und kein Transportunternehmen. Die eigentlichen Dienstleister seien die Fahrer. In der Sprache des Europarechts wäre Uber damit nur ein "Dienst der Informationsgesellschaft". Hätten die Richter das anerkannt, wäre Uber von vielen Regeln verschont geblieben, die für klassische Taxi- und Mietwagenfirmen gelten. "Der von Uber erbrachte Dienst ist nicht nur ein Vermittlungsdienst", stellten die Richter in Luxemburg nun klar.

In Deutschland hatte Uber mehrere Zivilprozesse gegen Taxigenossenschaften verloren

Nationale und regionale Gerichte sahen die Sache zumeist ähnlich; in Deutschland hatte Uber mehrere Zivilprozesse gegen Taxigenossenschaften verloren und Uber Pop schließlich abgeschafft. Nun ist Uber Pop EU-weit Geschichte. Mit seinem Urteil bestätigt das höchste europäische Gericht, wie problematisch das ursprüngliche Geschäftsmodell war, auf der Uber-Plattform private Fahrer zu vermitteln, die ohne Lizenz auf eigene Rechnung arbeiteten.

Der Ursprung des EuGH-Urteils liegt in einem Prozess in Barcelona, wo der Taxiverband Elite Taxi Uber verklagt hatte. Der katalanische Richter hatte den Fall im Juli 2015 zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof verwiesen und damit die Frage aufgeworfen, wie Uber nach europäischem Recht zu behandeln sei. In Luxemburg befassten sich 15 Richter mit dem Fall; ihr Urteil ist ungewöhnlich eindeutig und entspricht ziemlich genau der Stellungnahme des Generalanwalts Maciej Szpunar von Anfang dieses Jahres. Die App sei für Fahrer und Kunden unerlässlich, Ubers Vermittlung damit "integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung besteht", teilte das Gericht mit.

Ubers Enttäuschung ob dieses Rückschlags blieb vorerst überschaubar. "Dieses Urteil wird in den meisten EU-Ländern, in denen wir bereits unter den Beförderungsgesetzen operieren, nichts ändern", teilte das Unternehmen mit. "Es werden allerdings weiterhin Millionen Europäer daran gehindert, Apps wie unsere zu benutzen." In den USA, wo der Markt in den meisten Städten weniger streng reguliert ist, erledigen private Fahrer den Großteil des Uber-Geschäfts. In der EU wird das nun nirgendwo mehr legal möglich sein.

Uber und Europa, das war von Beginn an eine schwierige Beziehung. Mit jedem neuen Land, in dem das Unternehmen seinen Chauffeur-Bestellservice anbot, wuchs in der Taxibranche die Wut, überall schlug den Uber-Fahrern Unmut und Misstrauen entgegen, mitunter sogar Hass und Gewalt. Zuerst verboten deutsche und spanische Gerichte bestimmte Uber-Dienste, mehrfach durchsuchten Ermittler die Uber-Zentrale in Amsterdam, den Chefs in Frankreich wurde Gefängnis angedroht, wiederholt protestierten Taxifahrer in französischen Städten gewaltsam gegen die Konkurrenz aus Kalifornien, verprügelten Fahrer und warfen deren Autos um. Erst vor wenigen Wochen hatte Uber seine Lizenz in London verloren, der umsatzstärksten und mithin wichtigsten europäischen Stadt für das Unternehmen.

Die Einschätzung der Richter dürfte über den Fall hinaus auch für andere Plattformen gelten

Das Urteil kommt für den neuen Uber-Chef Dara Khosrowshahi also zur Unzeit - und addiert sich zu einer Vielzahl großer Probleme. Der ehemalige Expedia-Chef war angetreten, Ruhe in das Unternehmen zu bringen und die Skandale der jüngeren Vergangenheit zu bewältigen: Vorwürfe sexueller Belästigung, eine unangenehme Unternehmenskultur, eine Führungskrise, in der Gründer Kalanick vertrieben wurde. Nun holt sich Khosrowshahi noch den Ex-Chef des Online-Reisebüros Orbitz, Barney Harford, für das Tagesgeschäft. Uber wird zwar mit 69 Milliarden Dollar bewertet und vermittelte 5,5 Millionen Fahrten im Jahr 2016, schreibt aber horrende Verluste. Hinzu kommt ein Rechtsstreit mit der Google-Firma Waymo, die Uber vorwirft, Technologie für selbstfahrende Autos gestohlen zu haben.

Mit dem EuGH-Urteil hat Uber einen der wichtigsten Gerichtsprozesse zu seinen Ungunsten hinter sich. Die Einschätzung der Richter dürfte nun weit über den Fall Uber hinaus Folgen haben. Es ging nämlich auch um die Grundsatzfrage, wie Plattform-Dienste rechtlich zu bewerten sind, auf denen Menschen selbständig und außerhalb der sozialen Sicherungssysteme arbeiten - und wie die dadurch entstandenen Arbeitsformen zu regulieren sind. Beispiele sind Handwerker- und Putzkräfte-Vermittlungen, aber auch Lieferdienste, bei denen Fahrer nicht angestellt sind. Bislang ist nicht hinreichend geklärt, ob es reine Vermittlungsplattformen sind oder die Unternehmen selbst an der Dienstleistung teilnehmen. Der EuGH hat den Mitgliedstaaten eine Basis bereitet, um diese Fragen besser beantworten zu können.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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