Europäische Einlagensicherung:Deutsche Sparer sollen nicht für ganz Europa haften

Lesezeit: 1 min

  • Die EU-Kommission will die nationalen Sicherungsfonds gegen Bankenpleiten verschmelzen. Die Bundesregierung wehrt sich dagegen.
  • Bis Dienstag will EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker seinen Vorschlag überarbeiten, um Berlin zu überzeugen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, Berlin

Die Bundesregierung will unbedingt verhindern, dass deutsche Bankkunden bei der Pleite von Geldhäusern in anderen Ländern mithaften müssen. Aus Regierungskreisen verlautete am Montag, dass der Gesetzesvorschlag für ein europäisches Einlagensicherungssystem, den die Europäische Kommission an diesem Dienstag vorlegen will, "falsche Anreize und Prioritäten" setze - und deshalb von der Bundesregierung abgelehnt werde.

Die Europäische Kommission will an diesem Dienstag einen Verordnungsentwurf präsentieren, der eine Verschmelzung der nationalen Einlagensicherungen vorsieht. Bis 2024 soll schrittweise ein europäischer Versicherungstopf eingeführt werden, der bei Bankpleiten die Einlagen auf Konten und Sparbüchern in Höhe von bis zu 100 000 Euro pro Bankkunde garantiert. Bisher haften die einzelnen Staaten für diese Summe. Künftig sollen die nationalen Garantien durch einheitliches europäisches Recht ersetzt werden. Mit strengen Sicherheitsklauseln will die Kommission verhindern, dass marode Banken die gemeinsame Versicherung ausplündern könnten.

Reform der EU
:Wie sich Europa verändern soll

"Eine Neugründung Europas" forderte Frankreichs Wirtschaftsminister Macron - die Bundesregierung unterstützt seine Vorschläge. Doch die Revolution dürfte sich höchstens in kleinen Schritten vollziehen.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Cerstin Gammelin, Berlin

Der Bundesregierung reicht das nicht, sie läuft mit deutschen Finanzhäusern gegen die Zusammenlegung Sturm, weil sie fürchtet, dass Bankkunden aus wirtschaftlich leistungsfähigen Staaten wie Deutschland für Bankkunden in schwachen Ländern aufkommen müssen. Vor allem Sparkassen und Volksbanken hatten darum gekämpft, nicht in den gemeinsamen Topf einzahlen zu müssen, und argumentiert, dass sie bereits über ein eigenes Sicherungssystem verfügen. Dieses System soll künftig weiter existieren dürfen. Davon unabhängig müssen aber auch Sparkassen und Volksbanken in die europäische Einlagensicherung einzahlen, und zwar einen Teil ihres bisher in Eigenregie verwalteten Einlagenschutzes.

Aus Kreisen der EU-Kommission verlautete am Montag, sie sei "von der deutschen Fundamentalopposition enttäuscht". Präsident Jean-Claude Juncker habe sich in den vergangenen Wochen bereit gezeigt, mit Berlin zusammenzuarbeiten und auf die deutschen Interessen einzugehen. Die Behörde kündigte an, den Gesetzestext in der Nacht zum Dienstag noch einmal zu überarbeiten, "um noch deutlicher als bisher klarzustellen, dass es keine Ausnahmen für bestimmte Bankengruppen geben wird". Zugleich werde man der deutschen Forderung nachkommen, die Risiken von Bankenpleiten zu reduzieren. EU-Kommissar Jonathan Hill will unter anderem eine Obergrenze für Großkredite vorschlagen, mit denen Banken Staaten Geld leihen. Die europaweite Versicherung von Spareinlagen gehört neben der zentralen Aufsicht über Großbanken und einheitlichen Regeln zur Abwicklung von Pleitebanken zu den Grundpfeilern der europäischen Bankenunion. Diese soll das europäische Finanzsystem sicherer machen und vor neuerlichen Krisen schützen.

Wann die Pläne zur Einlagensicherung verabschiedet werden, ist unklar. Angesichts des Streits ist ein langwieriges Verfahren zu erwarten.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Wirtschaftsgipfel
:Martin Schulz: "Solidarität gibt es nicht à la carte"

Der Präsident des EU-Parlaments geißelt auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel den Egoismus vieler Regierungen in Europa.

Von Stephan Radomsky

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: